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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855.

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DAS GEMEINWESEN UND SEINE OEKONOMIE.
Theil der abhängigen Gemeinden nur einen den attischen Tri-
buten vergleichbaren Beitrag, womit sie die Kosten des von ihnen
übernommenen Kriegswesens deckten und in gewöhnlichen Zeiten
noch einen Ueberschuss herausschlugen, der es ihnen möglich
machte die Staats- und Stadtbauten reichlich zu bestreiten und
einen Nothpfennig aufzusammeln. Einen ansehnlichen Reinertrag
lieferten wohl nur Sicilien, wo das karthagische Besteurungs-
system galt, und vor allem Asia, auf welcher Provinz nach viel-
fältigen Zeugnissen die Staatsfinanzen wesentlich ruhten; die An-
gabe klingt ganz glaublich, dass die übrigen Provinzen ungefähr
so viel kosteten wie sie einbrachten und diejenigen, welche eine
bedeutende Besatzung erforderten, wie beide Spanien, das jen-
seitige Gallien, Makedonien, mögen oft mehr gekostet als er-
tragen haben.

So ungefähr war das römische Steuerwesen geordnet. Fra-
gen wir weiter, wie bei diesem System theils die Steuerpflichti-
gen, theils die römischen Finanzen sich standen, so ist in ersterer
Beziehung nicht zu verkennen, dass dasselbe zwar insofern für
die Besteuerten nachtheilig war, als die Steuern grossentheils ins
Ausland flossen, es aber doch im Allgemeinen ausging von dem
alten ebenso ehrenwerthen als verständigen Grundsatz die politi-
sche Hegemonie nicht als nutzbares Recht zu behandeln und von
den Unterthanen nur zu erheben, was für ihren Schutz verausgabt
wird. Treu geblieben war man indess diesem Grundsatz schon von
vorn herein nicht. Es war damit im Widerspruch, dass Italien von
allen directen Abgaben entbürdet und dieselben ausschliesslich auf
die Provinzen geworfen wurden. Wo Rom in die karthagische Pro-
vinzialverfassung eingetreten war, beutete es die früher karthagi-
schen Landschaften ungefähr in gleicher Weise aus wie Karthago.
Die Einziehung der Hafenzölle war mit dem Grundsatz der un-
eigennützigen Hegemonie nicht vereinbar; mit Recht sagt Scipio
Aemilianus bei Cicero, dass es der römischen Bürgerschaft nicht
wohl anstehe zugleich den Gebieter und den Zöllner der Nationen
zu machen. Bei der Höhe der Zollsätze und der vexatorischen
Erhebungsweise ist es überdies begreiflich, dass keine Abgabe
widerwärtiger erschien als diese; es gehört wohl schon dieser
Zeit an, dass der ,Zöllner' bei den östlichen Völkerschaften als gleich-
bedeutend galt mit dem Räuber und dem Frevler. Viel schlimmer
aber ward es, als in Rom Gaius Gracchus ans Regiment kam und
die Getreidevertheilung an die hauptstädtische Bürgerschaft, die
Confiscation und Domanialbesteurung von Asia durchsetzte. Un-
umwunden ward die politische Herrschaft für ein Recht erklärt,

DAS GEMEINWESEN UND SEINE OEKONOMIE.
Theil der abhängigen Gemeinden nur einen den attischen Tri-
buten vergleichbaren Beitrag, womit sie die Kosten des von ihnen
übernommenen Kriegswesens deckten und in gewöhnlichen Zeiten
noch einen Ueberschuſs herausschlugen, der es ihnen möglich
machte die Staats- und Stadtbauten reichlich zu bestreiten und
einen Nothpfennig aufzusammeln. Einen ansehnlichen Reinertrag
lieferten wohl nur Sicilien, wo das karthagische Besteurungs-
system galt, und vor allem Asia, auf welcher Provinz nach viel-
fältigen Zeugnissen die Staatsfinanzen wesentlich ruhten; die An-
gabe klingt ganz glaublich, daſs die übrigen Provinzen ungefähr
so viel kosteten wie sie einbrachten und diejenigen, welche eine
bedeutende Besatzung erforderten, wie beide Spanien, das jen-
seitige Gallien, Makedonien, mögen oft mehr gekostet als er-
tragen haben.

So ungefähr war das römische Steuerwesen geordnet. Fra-
gen wir weiter, wie bei diesem System theils die Steuerpflichti-
gen, theils die römischen Finanzen sich standen, so ist in ersterer
Beziehung nicht zu verkennen, daſs dasselbe zwar insofern für
die Besteuerten nachtheilig war, als die Steuern groſsentheils ins
Ausland flossen, es aber doch im Allgemeinen ausging von dem
alten ebenso ehrenwerthen als verständigen Grundsatz die politi-
sche Hegemonie nicht als nutzbares Recht zu behandeln und von
den Unterthanen nur zu erheben, was für ihren Schutz verausgabt
wird. Treu geblieben war man indeſs diesem Grundsatz schon von
vorn herein nicht. Es war damit im Widerspruch, daſs Italien von
allen directen Abgaben entbürdet und dieselben ausschlieſslich auf
die Provinzen geworfen wurden. Wo Rom in die karthagische Pro-
vinzialverfassung eingetreten war, beutete es die früher karthagi-
schen Landschaften ungefähr in gleicher Weise aus wie Karthago.
Die Einziehung der Hafenzölle war mit dem Grundsatz der un-
eigennützigen Hegemonie nicht vereinbar; mit Recht sagt Scipio
Aemilianus bei Cicero, daſs es der römischen Bürgerschaft nicht
wohl anstehe zugleich den Gebieter und den Zöllner der Nationen
zu machen. Bei der Höhe der Zollsätze und der vexatorischen
Erhebungsweise ist es überdies begreiflich, daſs keine Abgabe
widerwärtiger erschien als diese; es gehört wohl schon dieser
Zeit an, daſs der ‚Zöllner‘ bei den östlichen Völkerschaften als gleich-
bedeutend galt mit dem Räuber und dem Frevler. Viel schlimmer
aber ward es, als in Rom Gaius Gracchus ans Regiment kam und
die Getreidevertheilung an die hauptstädtische Bürgerschaft, die
Confiscation und Domanialbesteurung von Asia durchsetzte. Un-
umwunden ward die politische Herrschaft für ein Recht erklärt,

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[367/0377] DAS GEMEINWESEN UND SEINE OEKONOMIE. Theil der abhängigen Gemeinden nur einen den attischen Tri- buten vergleichbaren Beitrag, womit sie die Kosten des von ihnen übernommenen Kriegswesens deckten und in gewöhnlichen Zeiten noch einen Ueberschuſs herausschlugen, der es ihnen möglich machte die Staats- und Stadtbauten reichlich zu bestreiten und einen Nothpfennig aufzusammeln. Einen ansehnlichen Reinertrag lieferten wohl nur Sicilien, wo das karthagische Besteurungs- system galt, und vor allem Asia, auf welcher Provinz nach viel- fältigen Zeugnissen die Staatsfinanzen wesentlich ruhten; die An- gabe klingt ganz glaublich, daſs die übrigen Provinzen ungefähr so viel kosteten wie sie einbrachten und diejenigen, welche eine bedeutende Besatzung erforderten, wie beide Spanien, das jen- seitige Gallien, Makedonien, mögen oft mehr gekostet als er- tragen haben. So ungefähr war das römische Steuerwesen geordnet. Fra- gen wir weiter, wie bei diesem System theils die Steuerpflichti- gen, theils die römischen Finanzen sich standen, so ist in ersterer Beziehung nicht zu verkennen, daſs dasselbe zwar insofern für die Besteuerten nachtheilig war, als die Steuern groſsentheils ins Ausland flossen, es aber doch im Allgemeinen ausging von dem alten ebenso ehrenwerthen als verständigen Grundsatz die politi- sche Hegemonie nicht als nutzbares Recht zu behandeln und von den Unterthanen nur zu erheben, was für ihren Schutz verausgabt wird. Treu geblieben war man indeſs diesem Grundsatz schon von vorn herein nicht. Es war damit im Widerspruch, daſs Italien von allen directen Abgaben entbürdet und dieselben ausschlieſslich auf die Provinzen geworfen wurden. Wo Rom in die karthagische Pro- vinzialverfassung eingetreten war, beutete es die früher karthagi- schen Landschaften ungefähr in gleicher Weise aus wie Karthago. Die Einziehung der Hafenzölle war mit dem Grundsatz der un- eigennützigen Hegemonie nicht vereinbar; mit Recht sagt Scipio Aemilianus bei Cicero, daſs es der römischen Bürgerschaft nicht wohl anstehe zugleich den Gebieter und den Zöllner der Nationen zu machen. Bei der Höhe der Zollsätze und der vexatorischen Erhebungsweise ist es überdies begreiflich, daſs keine Abgabe widerwärtiger erschien als diese; es gehört wohl schon dieser Zeit an, daſs der ‚Zöllner‘ bei den östlichen Völkerschaften als gleich- bedeutend galt mit dem Räuber und dem Frevler. Viel schlimmer aber ward es, als in Rom Gaius Gracchus ans Regiment kam und die Getreidevertheilung an die hauptstädtische Bürgerschaft, die Confiscation und Domanialbesteurung von Asia durchsetzte. Un- umwunden ward die politische Herrschaft für ein Recht erklärt,

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855, S. 367. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische02_1855/377>, abgerufen am 19.05.2024.