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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855.

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VIERTES BUCH. KAPITEL XI.
Ausrüstung, den in der Provinz stehenden Heeren den Sold und
die sonstigen Bedürfnisse; nur Dach und Fach, Holz, Heu und
ähnliche Gegenstände hatten die Provinzialgemeinden den Be-
amten und Soldaten unentgeltlich zu gewähren und die Frei-
städte waren sogar auch von der Wintereinquartierung -- feste
Standlager kannte man noch nicht -- regelmässig befreit. Zwar
konnte es dem Statthalter im Kriege gar nicht und selbst im Frie-
den kaum versagt werden nach Ermessen zu requiriren; er konnte
Geld, Getreide, Schiffe, Sclaven zu ihrer Bemannung, Leinwand,
Leder und was dessen mehr war im Nothfall von den Untertha-
nen so gut wie von den souveränen Clientelstaaten nach Bedürf-
niss verlangen; allein es wurden diese Lieferungen der Regel nach
gleich der römischen Grundsteuer als Vorschüsse behandelt und
sogleich oder später von der Staatskasse nach einem von ihr
selbst bestimmten Preise vergütet. In Spanien, wo das starke
stehende Heer zu dergleichen Lieferungen oft Gelegenheit gab,
bestand die Vorschrift, dass von eigentlichen Nothfällen abgesehen
dem Landmanne durch solchen Zwangskauf nicht mehr als die
zwanzigste Garbe entzogen werden dürfe. Anderswo, zum Bei-
spiel in Sicilien, wo die römischen Statthalter ausser dem für
ihre und ihres Gefolges Bedürfnisse erforderlichen durch Maxi-
malsätze ein für allemal regulirten Getreidequantum sehr häufig
im Auftrag ihrer Regierung Getreide für die Bedürfnisse der
Hauptstadt requirirten, war durch vorgängige Anordnung einer
fest bestimmten und hochgegriffenen Vergütung das Interesse der
Steuerpflichtigen einigermassen gewahrt. Um Unrechtfertigkeiten,
wie sie nur zu häufig vorkamen, möglichst vorzubeugen, wurde
jedes Geschenk, das der Statthalter nahm, gesetzlich als erpresstes
Gut behandelt und selbst das Recht zu kaufen ihm durch Gesetz
beschränkt. -- Der Gesammtbetrag der römischen Staatseinnah-
men war gering. Es findet sich eine Angabe, wonach dieselben,
vermuthlich mit Ausschluss der italischen Einkünfte und des
Werthes des von den Zehntpächtern nach Rom in Natur abge-
lieferten Getreides, bis zum J. 691 nicht mehr betrugen als
200 Mill. Sesterzen (14300000 Rthlr.); also nur zwei Drittel
der Summe, die der König von Aegypten jährlich aus seinem
Lande zog. Nur auf den ersten Blick kann das Verhältniss be-
fremden. Die Ptolemäer exploitirten das Nilthal wie grosse Plan-
tagenbesitzer und zogen ungeheure Summen aus dem von ihnen
monopolisirten Handelsverkehr mit dem Orient: die Römer be-
steuerten ihre Unterthanen keineswegs in dem Sinn, den wir jetzt
damit verbinden, sondern erhoben von dem bei weitem grössten

VIERTES BUCH. KAPITEL XI.
Ausrüstung, den in der Provinz stehenden Heeren den Sold und
die sonstigen Bedürfnisse; nur Dach und Fach, Holz, Heu und
ähnliche Gegenstände hatten die Provinzialgemeinden den Be-
amten und Soldaten unentgeltlich zu gewähren und die Frei-
städte waren sogar auch von der Wintereinquartierung — feste
Standlager kannte man noch nicht — regelmäſsig befreit. Zwar
konnte es dem Statthalter im Kriege gar nicht und selbst im Frie-
den kaum versagt werden nach Ermessen zu requiriren; er konnte
Geld, Getreide, Schiffe, Sclaven zu ihrer Bemannung, Leinwand,
Leder und was dessen mehr war im Nothfall von den Untertha-
nen so gut wie von den souveränen Clientelstaaten nach Bedürf-
niſs verlangen; allein es wurden diese Lieferungen der Regel nach
gleich der römischen Grundsteuer als Vorschüsse behandelt und
sogleich oder später von der Staatskasse nach einem von ihr
selbst bestimmten Preise vergütet. In Spanien, wo das starke
stehende Heer zu dergleichen Lieferungen oft Gelegenheit gab,
bestand die Vorschrift, daſs von eigentlichen Nothfällen abgesehen
dem Landmanne durch solchen Zwangskauf nicht mehr als die
zwanzigste Garbe entzogen werden dürfe. Anderswo, zum Bei-
spiel in Sicilien, wo die römischen Statthalter auſser dem für
ihre und ihres Gefolges Bedürfnisse erforderlichen durch Maxi-
malsätze ein für allemal regulirten Getreidequantum sehr häufig
im Auftrag ihrer Regierung Getreide für die Bedürfnisse der
Hauptstadt requirirten, war durch vorgängige Anordnung einer
fest bestimmten und hochgegriffenen Vergütung das Interesse der
Steuerpflichtigen einigermaſsen gewahrt. Um Unrechtfertigkeiten,
wie sie nur zu häufig vorkamen, möglichst vorzubeugen, wurde
jedes Geschenk, das der Statthalter nahm, gesetzlich als erpreſstes
Gut behandelt und selbst das Recht zu kaufen ihm durch Gesetz
beschränkt. — Der Gesammtbetrag der römischen Staatseinnah-
men war gering. Es findet sich eine Angabe, wonach dieselben,
vermuthlich mit Ausschluſs der italischen Einkünfte und des
Werthes des von den Zehntpächtern nach Rom in Natur abge-
lieferten Getreides, bis zum J. 691 nicht mehr betrugen als
200 Mill. Sesterzen (14300000 Rthlr.); also nur zwei Drittel
der Summe, die der König von Aegypten jährlich aus seinem
Lande zog. Nur auf den ersten Blick kann das Verhältniſs be-
fremden. Die Ptolemäer exploitirten das Nilthal wie groſse Plan-
tagenbesitzer und zogen ungeheure Summen aus dem von ihnen
monopolisirten Handelsverkehr mit dem Orient: die Römer be-
steuerten ihre Unterthanen keineswegs in dem Sinn, den wir jetzt
damit verbinden, sondern erhoben von dem bei weitem gröſsten

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[366/0376] VIERTES BUCH. KAPITEL XI. Ausrüstung, den in der Provinz stehenden Heeren den Sold und die sonstigen Bedürfnisse; nur Dach und Fach, Holz, Heu und ähnliche Gegenstände hatten die Provinzialgemeinden den Be- amten und Soldaten unentgeltlich zu gewähren und die Frei- städte waren sogar auch von der Wintereinquartierung — feste Standlager kannte man noch nicht — regelmäſsig befreit. Zwar konnte es dem Statthalter im Kriege gar nicht und selbst im Frie- den kaum versagt werden nach Ermessen zu requiriren; er konnte Geld, Getreide, Schiffe, Sclaven zu ihrer Bemannung, Leinwand, Leder und was dessen mehr war im Nothfall von den Untertha- nen so gut wie von den souveränen Clientelstaaten nach Bedürf- niſs verlangen; allein es wurden diese Lieferungen der Regel nach gleich der römischen Grundsteuer als Vorschüsse behandelt und sogleich oder später von der Staatskasse nach einem von ihr selbst bestimmten Preise vergütet. In Spanien, wo das starke stehende Heer zu dergleichen Lieferungen oft Gelegenheit gab, bestand die Vorschrift, daſs von eigentlichen Nothfällen abgesehen dem Landmanne durch solchen Zwangskauf nicht mehr als die zwanzigste Garbe entzogen werden dürfe. Anderswo, zum Bei- spiel in Sicilien, wo die römischen Statthalter auſser dem für ihre und ihres Gefolges Bedürfnisse erforderlichen durch Maxi- malsätze ein für allemal regulirten Getreidequantum sehr häufig im Auftrag ihrer Regierung Getreide für die Bedürfnisse der Hauptstadt requirirten, war durch vorgängige Anordnung einer fest bestimmten und hochgegriffenen Vergütung das Interesse der Steuerpflichtigen einigermaſsen gewahrt. Um Unrechtfertigkeiten, wie sie nur zu häufig vorkamen, möglichst vorzubeugen, wurde jedes Geschenk, das der Statthalter nahm, gesetzlich als erpreſstes Gut behandelt und selbst das Recht zu kaufen ihm durch Gesetz beschränkt. — Der Gesammtbetrag der römischen Staatseinnah- men war gering. Es findet sich eine Angabe, wonach dieselben, vermuthlich mit Ausschluſs der italischen Einkünfte und des Werthes des von den Zehntpächtern nach Rom in Natur abge- lieferten Getreides, bis zum J. 691 nicht mehr betrugen als 200 Mill. Sesterzen (14300000 Rthlr.); also nur zwei Drittel der Summe, die der König von Aegypten jährlich aus seinem Lande zog. Nur auf den ersten Blick kann das Verhältniſs be- fremden. Die Ptolemäer exploitirten das Nilthal wie groſse Plan- tagenbesitzer und zogen ungeheure Summen aus dem von ihnen monopolisirten Handelsverkehr mit dem Orient: die Römer be- steuerten ihre Unterthanen keineswegs in dem Sinn, den wir jetzt damit verbinden, sondern erhoben von dem bei weitem gröſsten

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855, S. 366. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische02_1855/376>, abgerufen am 25.11.2024.