Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855.VIERTES BUCH. KAPITEL XI. das jedem der Berechtigten Anspruch gebe auf eine AnzahlScheffel Korn, geradezu die Hegemonie in Bodeneigenthum ver- wandelt und das vollständigste Exploitirungssystem nicht bloss eingeführt, sondern mit unverschämter Offenherzigkeit rechtlich motivirt und proclamirt. Es war dies das Werk derselben Partei, die in Rom sich die populare nannte; und sicher war es kein Zu- fall, dass eben die beiden am wenigsten kriegerischen Provinzen Sicilien und Asia das härteste Loos traf. Wenn also schon die Steuer selbst schwer auf den Pflichtigen lastete und die grosse ökonomische Ersparniss, die in Folge der römischen Centralisi- rung durch das Wegfallen so vieler Specialregierungen und Spe- cialherrn von selber sich ergab, hiedurch vielleicht aufgewogen ward, so darf ferner nicht übersehen werden, dass die Lasten der Contribuablen sich weit höher beliefen als auf den Betrag der nach Rom fliessenden Summen. Zunächst kamen die Erhebungs- kosten in Anschlag, welche namentlich bei den Zöllen wahrschein- lich höchst beträchtlich waren; denn wenn das System die Steuer durch Generalpächter einzuziehen schon an sich das verschwen- derischste von allen ist, so kam in Rom noch hinzu, dass durch die ungeheure Association des römischen Capitals die wirksame Concurrenz sehr erschwert ward. Zweitens sind die ausseror- dentlichen Lasten hinzuzurechnen, die bei jeder grösseren Krise, gewöhnlich wohl in der Form der erzwungenen freiwilligen Bei- träge, unvermeidlich eintraten; wie denn zum Beispiel Sulla im J. 670/1 die kleinasiatischen Provinzialen, die allerdings sich aufs schwerste gegen Rom vergangen hatten, zwang jedem römischen Gemeinen vierzigfachen (16 Denare = 41/2 Thlr.), jedem Centurio fünfundsiebzigfachen Sold zu gewähren, dazu freie Kleidung und freien Tisch nebst dem Recht nach Belieben Gäste einzuladen, und derselbe Sulla bald nachher eine allgemeine Umlage auf die Cli- entel- und Unterthanengemeinden ausschrieb (S. 341), an deren Erstattung natürlich nicht gedacht ward. Drittens kommen hinzu die Gemeindelasten *, die um so ansehnlicher waren, als von Rom ausser für das Militärwesen schlechterdings nichts für die öffentlichen Angelegenheiten geschah, ja selbst von diesem Mili- tärbudget beträchtliche Posten, z. B. die Ausgaben für die Flotte * Beispielsweise entrichtete in Judaea an den Volksfürsten die Stadt
Joppe 26075 römische Scheffel Korn, die übrigen Juden die zehnte Garbe; wozu dann noch der Tempelschoss und die für die Römer bestimmte sido- nische Abgabe kamen. Auch in Sicilien ward neben dem römischen Zehn- ten eine sehr ansehnliche Gemeindeschatzung vom Vermögen erhoben. VIERTES BUCH. KAPITEL XI. das jedem der Berechtigten Anspruch gebe auf eine AnzahlScheffel Korn, geradezu die Hegemonie in Bodeneigenthum ver- wandelt und das vollständigste Exploitirungssystem nicht bloſs eingeführt, sondern mit unverschämter Offenherzigkeit rechtlich motivirt und proclamirt. Es war dies das Werk derselben Partei, die in Rom sich die populare nannte; und sicher war es kein Zu- fall, daſs eben die beiden am wenigsten kriegerischen Provinzen Sicilien und Asia das härteste Loos traf. Wenn also schon die Steuer selbst schwer auf den Pflichtigen lastete und die groſse ökonomische Ersparniſs, die in Folge der römischen Centralisi- rung durch das Wegfallen so vieler Specialregierungen und Spe- cialherrn von selber sich ergab, hiedurch vielleicht aufgewogen ward, so darf ferner nicht übersehen werden, daſs die Lasten der Contribuablen sich weit höher beliefen als auf den Betrag der nach Rom flieſsenden Summen. Zunächst kamen die Erhebungs- kosten in Anschlag, welche namentlich bei den Zöllen wahrschein- lich höchst beträchtlich waren; denn wenn das System die Steuer durch Generalpächter einzuziehen schon an sich das verschwen- derischste von allen ist, so kam in Rom noch hinzu, daſs durch die ungeheure Association des römischen Capitals die wirksame Concurrenz sehr erschwert ward. Zweitens sind die auſseror- dentlichen Lasten hinzuzurechnen, die bei jeder gröſseren Krise, gewöhnlich wohl in der Form der erzwungenen freiwilligen Bei- träge, unvermeidlich eintraten; wie denn zum Beispiel Sulla im J. 670/1 die kleinasiatischen Provinzialen, die allerdings sich aufs schwerste gegen Rom vergangen hatten, zwang jedem römischen Gemeinen vierzigfachen (16 Denare = 4½ Thlr.), jedem Centurio fünfundsiebzigfachen Sold zu gewähren, dazu freie Kleidung und freien Tisch nebst dem Recht nach Belieben Gäste einzuladen, und derselbe Sulla bald nachher eine allgemeine Umlage auf die Cli- entel- und Unterthanengemeinden ausschrieb (S. 341), an deren Erstattung natürlich nicht gedacht ward. Drittens kommen hinzu die Gemeindelasten *, die um so ansehnlicher waren, als von Rom auſser für das Militärwesen schlechterdings nichts für die öffentlichen Angelegenheiten geschah, ja selbst von diesem Mili- tärbudget beträchtliche Posten, z. B. die Ausgaben für die Flotte * Beispielsweise entrichtete in Judaea an den Volksfürsten die Stadt
Joppe 26075 römische Scheffel Korn, die übrigen Juden die zehnte Garbe; wozu dann noch der Tempelschoſs und die für die Römer bestimmte sido- nische Abgabe kamen. Auch in Sicilien ward neben dem römischen Zehn- ten eine sehr ansehnliche Gemeindeschatzung vom Vermögen erhoben. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0378" n="368"/><fw place="top" type="header">VIERTES BUCH. KAPITEL XI.</fw><lb/> das jedem der Berechtigten Anspruch gebe auf eine Anzahl<lb/> Scheffel Korn, geradezu die Hegemonie in Bodeneigenthum ver-<lb/> wandelt und das vollständigste Exploitirungssystem nicht bloſs<lb/> eingeführt, sondern mit unverschämter Offenherzigkeit rechtlich<lb/> motivirt und proclamirt. Es war dies das Werk derselben Partei,<lb/> die in Rom sich die populare nannte; und sicher war es kein Zu-<lb/> fall, daſs eben die beiden am wenigsten kriegerischen Provinzen<lb/> Sicilien und Asia das härteste Loos traf. Wenn also schon die<lb/> Steuer selbst schwer auf den Pflichtigen lastete und die groſse<lb/> ökonomische Ersparniſs, die in Folge der römischen Centralisi-<lb/> rung durch das Wegfallen so vieler Specialregierungen und Spe-<lb/> cialherrn von selber sich ergab, hiedurch vielleicht aufgewogen<lb/> ward, so darf ferner nicht übersehen werden, daſs die Lasten<lb/> der Contribuablen sich weit höher beliefen als auf den Betrag der<lb/> nach Rom flieſsenden Summen. Zunächst kamen die Erhebungs-<lb/> kosten in Anschlag, welche namentlich bei den Zöllen wahrschein-<lb/> lich höchst beträchtlich waren; denn wenn das System die Steuer<lb/> durch Generalpächter einzuziehen schon an sich das verschwen-<lb/> derischste von allen ist, so kam in Rom noch hinzu, daſs durch<lb/> die ungeheure Association des römischen Capitals die wirksame<lb/> Concurrenz sehr erschwert ward. Zweitens sind die auſseror-<lb/> dentlichen Lasten hinzuzurechnen, die bei jeder gröſseren Krise,<lb/> gewöhnlich wohl in der Form der erzwungenen freiwilligen Bei-<lb/> träge, unvermeidlich eintraten; wie denn zum Beispiel Sulla im<lb/> J. 670/1 die kleinasiatischen Provinzialen, die allerdings sich aufs<lb/> schwerste gegen Rom vergangen hatten, zwang jedem römischen<lb/> Gemeinen vierzigfachen (16 Denare = 4½ Thlr.), jedem Centurio<lb/> fünfundsiebzigfachen Sold zu gewähren, dazu freie Kleidung und<lb/> freien Tisch nebst dem Recht nach Belieben Gäste einzuladen, und<lb/> derselbe Sulla bald nachher eine allgemeine Umlage auf die Cli-<lb/> entel- und Unterthanengemeinden ausschrieb (S. 341), an deren<lb/> Erstattung natürlich nicht gedacht ward. Drittens kommen hinzu<lb/> die Gemeindelasten <note place="foot" n="*">Beispielsweise entrichtete in Judaea an den Volksfürsten die Stadt<lb/> Joppe 26075 römische Scheffel Korn, die übrigen Juden die zehnte Garbe;<lb/> wozu dann noch der Tempelschoſs und die für die Römer bestimmte sido-<lb/> nische Abgabe kamen. Auch in Sicilien ward neben dem römischen Zehn-<lb/> ten eine sehr ansehnliche Gemeindeschatzung vom Vermögen erhoben.</note>, die um so ansehnlicher waren, als von<lb/> Rom auſser für das Militärwesen schlechterdings nichts für die<lb/> öffentlichen Angelegenheiten geschah, ja selbst von diesem Mili-<lb/> tärbudget beträchtliche Posten, z. B. die Ausgaben für die Flotte<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [368/0378]
VIERTES BUCH. KAPITEL XI.
das jedem der Berechtigten Anspruch gebe auf eine Anzahl
Scheffel Korn, geradezu die Hegemonie in Bodeneigenthum ver-
wandelt und das vollständigste Exploitirungssystem nicht bloſs
eingeführt, sondern mit unverschämter Offenherzigkeit rechtlich
motivirt und proclamirt. Es war dies das Werk derselben Partei,
die in Rom sich die populare nannte; und sicher war es kein Zu-
fall, daſs eben die beiden am wenigsten kriegerischen Provinzen
Sicilien und Asia das härteste Loos traf. Wenn also schon die
Steuer selbst schwer auf den Pflichtigen lastete und die groſse
ökonomische Ersparniſs, die in Folge der römischen Centralisi-
rung durch das Wegfallen so vieler Specialregierungen und Spe-
cialherrn von selber sich ergab, hiedurch vielleicht aufgewogen
ward, so darf ferner nicht übersehen werden, daſs die Lasten
der Contribuablen sich weit höher beliefen als auf den Betrag der
nach Rom flieſsenden Summen. Zunächst kamen die Erhebungs-
kosten in Anschlag, welche namentlich bei den Zöllen wahrschein-
lich höchst beträchtlich waren; denn wenn das System die Steuer
durch Generalpächter einzuziehen schon an sich das verschwen-
derischste von allen ist, so kam in Rom noch hinzu, daſs durch
die ungeheure Association des römischen Capitals die wirksame
Concurrenz sehr erschwert ward. Zweitens sind die auſseror-
dentlichen Lasten hinzuzurechnen, die bei jeder gröſseren Krise,
gewöhnlich wohl in der Form der erzwungenen freiwilligen Bei-
träge, unvermeidlich eintraten; wie denn zum Beispiel Sulla im
J. 670/1 die kleinasiatischen Provinzialen, die allerdings sich aufs
schwerste gegen Rom vergangen hatten, zwang jedem römischen
Gemeinen vierzigfachen (16 Denare = 4½ Thlr.), jedem Centurio
fünfundsiebzigfachen Sold zu gewähren, dazu freie Kleidung und
freien Tisch nebst dem Recht nach Belieben Gäste einzuladen, und
derselbe Sulla bald nachher eine allgemeine Umlage auf die Cli-
entel- und Unterthanengemeinden ausschrieb (S. 341), an deren
Erstattung natürlich nicht gedacht ward. Drittens kommen hinzu
die Gemeindelasten *, die um so ansehnlicher waren, als von
Rom auſser für das Militärwesen schlechterdings nichts für die
öffentlichen Angelegenheiten geschah, ja selbst von diesem Mili-
tärbudget beträchtliche Posten, z. B. die Ausgaben für die Flotte
* Beispielsweise entrichtete in Judaea an den Volksfürsten die Stadt
Joppe 26075 römische Scheffel Korn, die übrigen Juden die zehnte Garbe;
wozu dann noch der Tempelschoſs und die für die Römer bestimmte sido-
nische Abgabe kamen. Auch in Sicilien ward neben dem römischen Zehn-
ten eine sehr ansehnliche Gemeindeschatzung vom Vermögen erhoben.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |