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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855.

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DAS GEMEINWESEN UND SEINE OEKONOMIE.
den untergeordneten Chaussee-, Brücken- und Canalgeldern,
wesentlich in den Zöllen. Die Zölle waren jener Zeit wo nicht
ausschliesslich doch sehr vorwiegend Hafen-, seltener Land-
grenzzölle auf die zur Feilbietung bestimmten ein- und ausgehen-
den Waaren und wurden ursprünglich von jeder Gemeinde in
ihrem Gebiet nach Ermessen erhoben. Die Römer beschränkten
sich anfangs darauf für den römischen Staat wohl in jeder Clien-
telgemeinde, häufig auch für die römischen Bürger Zollfreiheit
sich auszubedingen; bald aber fingen sie an zwar nicht an der
Reichsgrenze einen allgemeinen Reichszoll zu erheben, aber wohl
grössere Gebiete innerhalb des Reiches als besondere römische
Zolldistricte zu constituiren, in welchen die einzelnen mit Immu-
nität beliehenen Gemeinden als eigene kleinere Zollbezirke encla-
virt waren. So bildete Sicilien schon seit der karthagischen Zeit
einen geschlossenen Zollbezirk, an dessen Grenze von allen aus-
und eingehenden Waaren eine Abgabe von 5 Procent vom Werth
erhoben ward; so ward an den Grenzen von Asia in Folge des
sempronischen Gesetzes (S. 105) eine ähnliche Abgabe von 21/2
Procent erhoben; so ward in ähnlicher Weise die Provinz Narbo,
ausschliesslich der Feldmark der römischen Colonie, als römi-
scher Zollbezirk organisirt. Bei diesen Einrichtungen mag ausser
den fiscalischen Zwecken auch die löbliche Absicht mitgewirkt
haben der aus den mannigfaltigen Communalzöllen unvermeid-
lich entstehenden Verwirrung durch gleichmässige Grenzzollregu-
lirung zu steuern. Zur Erhebung wurden die Zölle gleich den
Zehnten ohne Ausnahme an Mittelmänner verdungen. -- Die
Kosten der Civil- und Militärverwaltung trugen dagegen in den
steuerpflichtigen Districten nicht die Steuerpflichtigen, sondern
die römische Gemeinde. Sie lieferte in genügender, ja reichlicher
Weise den Provinzialstatthaltern Schiffe, Gespann und die übrige

und Sclaven abgeschätzt worden zu sein scheint (exactio capitum atque
ostiorum
Cicero ad fam. 3, 8, 5 von Kilikien; phoros epi te ge kai tois
somasin Appian Pun. 135 für Africa). Hienach wurde jeder Steuerpflich-
tige von den Gemeindebehörden unter Oberaufsicht des römischen Statt-
halters (Cic. ad Q. fr. 1, 1, 8; SC. de Asclep. 22. 23) zu einer gewissen
Summe angesetzt (imperata epikephaliaCic. ad Att. 5, 16); wer nicht
rechtzeitig bezahlte, dessen Steuerschuld ward eben wie in Rom verkauft,
d. h. einem Unternehmer mit einem Zuschlag zur Einziehung übertragen
(venditio tributorum Cic. ad fam. 3, 8, 5; onas omnium venditas, ders.
ad Att. 5, 16). Der Ertrag dieser Steuern floss zunächst in die Kassen der
Hauptgemeinden, wie z. B. die Juden ihr Korn nach Sidon zu senden hat-
ten; von diesen Kassen wurde sodann der festgesetzte Geldbetrag nach
Rom abgeführt.

DAS GEMEINWESEN UND SEINE OEKONOMIE.
den untergeordneten Chaussee-, Brücken- und Canalgeldern,
wesentlich in den Zöllen. Die Zölle waren jener Zeit wo nicht
ausschlieſslich doch sehr vorwiegend Hafen-, seltener Land-
grenzzölle auf die zur Feilbietung bestimmten ein- und ausgehen-
den Waaren und wurden ursprünglich von jeder Gemeinde in
ihrem Gebiet nach Ermessen erhoben. Die Römer beschränkten
sich anfangs darauf für den römischen Staat wohl in jeder Clien-
telgemeinde, häufig auch für die römischen Bürger Zollfreiheit
sich auszubedingen; bald aber fingen sie an zwar nicht an der
Reichsgrenze einen allgemeinen Reichszoll zu erheben, aber wohl
gröſsere Gebiete innerhalb des Reiches als besondere römische
Zolldistricte zu constituiren, in welchen die einzelnen mit Immu-
nität beliehenen Gemeinden als eigene kleinere Zollbezirke encla-
virt waren. So bildete Sicilien schon seit der karthagischen Zeit
einen geschlossenen Zollbezirk, an dessen Grenze von allen aus-
und eingehenden Waaren eine Abgabe von 5 Procent vom Werth
erhoben ward; so ward an den Grenzen von Asia in Folge des
sempronischen Gesetzes (S. 105) eine ähnliche Abgabe von 2½
Procent erhoben; so ward in ähnlicher Weise die Provinz Narbo,
ausschlieſslich der Feldmark der römischen Colonie, als römi-
scher Zollbezirk organisirt. Bei diesen Einrichtungen mag auſser
den fiscalischen Zwecken auch die löbliche Absicht mitgewirkt
haben der aus den mannigfaltigen Communalzöllen unvermeid-
lich entstehenden Verwirrung durch gleichmäſsige Grenzzollregu-
lirung zu steuern. Zur Erhebung wurden die Zölle gleich den
Zehnten ohne Ausnahme an Mittelmänner verdungen. — Die
Kosten der Civil- und Militärverwaltung trugen dagegen in den
steuerpflichtigen Districten nicht die Steuerpflichtigen, sondern
die römische Gemeinde. Sie lieferte in genügender, ja reichlicher
Weise den Provinzialstatthaltern Schiffe, Gespann und die übrige

und Sclaven abgeschätzt worden zu sein scheint (exactio capitum atque
ostiorum
Cicero ad fam. 3, 8, 5 von Kilikien; φόϱος ἐπὶ τῇ γῇ ϰαὶ τοῖς
σώμασιν Appian Pun. 135 für Africa). Hienach wurde jeder Steuerpflich-
tige von den Gemeindebehörden unter Oberaufsicht des römischen Statt-
halters (Cic. ad Q. fr. 1, 1, 8; SC. de Asclep. 22. 23) zu einer gewissen
Summe angesetzt (imperata ἐπιϰεφάλιαCic. ad Att. 5, 16); wer nicht
rechtzeitig bezahlte, dessen Steuerschuld ward eben wie in Rom verkauft,
d. h. einem Unternehmer mit einem Zuschlag zur Einziehung übertragen
(venditio tributorum Cic. ad fam. 3, 8, 5; ὠνὰς omnium venditas, ders.
ad Att. 5, 16). Der Ertrag dieser Steuern floſs zunächst in die Kassen der
Hauptgemeinden, wie z. B. die Juden ihr Korn nach Sidon zu senden hat-
ten; von diesen Kassen wurde sodann der festgesetzte Geldbetrag nach
Rom abgeführt.
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[365/0375] DAS GEMEINWESEN UND SEINE OEKONOMIE. den untergeordneten Chaussee-, Brücken- und Canalgeldern, wesentlich in den Zöllen. Die Zölle waren jener Zeit wo nicht ausschlieſslich doch sehr vorwiegend Hafen-, seltener Land- grenzzölle auf die zur Feilbietung bestimmten ein- und ausgehen- den Waaren und wurden ursprünglich von jeder Gemeinde in ihrem Gebiet nach Ermessen erhoben. Die Römer beschränkten sich anfangs darauf für den römischen Staat wohl in jeder Clien- telgemeinde, häufig auch für die römischen Bürger Zollfreiheit sich auszubedingen; bald aber fingen sie an zwar nicht an der Reichsgrenze einen allgemeinen Reichszoll zu erheben, aber wohl gröſsere Gebiete innerhalb des Reiches als besondere römische Zolldistricte zu constituiren, in welchen die einzelnen mit Immu- nität beliehenen Gemeinden als eigene kleinere Zollbezirke encla- virt waren. So bildete Sicilien schon seit der karthagischen Zeit einen geschlossenen Zollbezirk, an dessen Grenze von allen aus- und eingehenden Waaren eine Abgabe von 5 Procent vom Werth erhoben ward; so ward an den Grenzen von Asia in Folge des sempronischen Gesetzes (S. 105) eine ähnliche Abgabe von 2½ Procent erhoben; so ward in ähnlicher Weise die Provinz Narbo, ausschlieſslich der Feldmark der römischen Colonie, als römi- scher Zollbezirk organisirt. Bei diesen Einrichtungen mag auſser den fiscalischen Zwecken auch die löbliche Absicht mitgewirkt haben der aus den mannigfaltigen Communalzöllen unvermeid- lich entstehenden Verwirrung durch gleichmäſsige Grenzzollregu- lirung zu steuern. Zur Erhebung wurden die Zölle gleich den Zehnten ohne Ausnahme an Mittelmänner verdungen. — Die Kosten der Civil- und Militärverwaltung trugen dagegen in den steuerpflichtigen Districten nicht die Steuerpflichtigen, sondern die römische Gemeinde. Sie lieferte in genügender, ja reichlicher Weise den Provinzialstatthaltern Schiffe, Gespann und die übrige ** ** und Sclaven abgeschätzt worden zu sein scheint (exactio capitum atque ostiorum Cicero ad fam. 3, 8, 5 von Kilikien; φόϱος ἐπὶ τῇ γῇ ϰαὶ τοῖς σώμασιν Appian Pun. 135 für Africa). Hienach wurde jeder Steuerpflich- tige von den Gemeindebehörden unter Oberaufsicht des römischen Statt- halters (Cic. ad Q. fr. 1, 1, 8; SC. de Asclep. 22. 23) zu einer gewissen Summe angesetzt (imperata ἐπιϰεφάλιαCic. ad Att. 5, 16); wer nicht rechtzeitig bezahlte, dessen Steuerschuld ward eben wie in Rom verkauft, d. h. einem Unternehmer mit einem Zuschlag zur Einziehung übertragen (venditio tributorum Cic. ad fam. 3, 8, 5; ὠνὰς omnium venditas, ders. ad Att. 5, 16). Der Ertrag dieser Steuern floſs zunächst in die Kassen der Hauptgemeinden, wie z. B. die Juden ihr Korn nach Sidon zu senden hat- ten; von diesen Kassen wurde sodann der festgesetzte Geldbetrag nach Rom abgeführt.

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855, S. 365. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische02_1855/375>, abgerufen am 19.05.2024.