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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855.

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DIE SULLANISCHE VERFASSUNG.
war doch damit der reinen Schergenwillkür etwas gesteuert. Es
war wenigstens nicht persönlicher Groll des Regenten, dem diese
zahllosen Opfer fielen; sein grimmiger Hass richtete sich einzig
gegen die Marier, die Urheber jener scheusslichen Metzeleien
von 667 und 672. Auf seinen Befehl ward das Grab des Siegers
von Aquae Sextiae wieder aufgerissen und die Asche desselben in
den Anio gestreut, die Denkmäler seiner Siege über Africaner
und Deutsche umgestürzt, und, da ihn selbst so wie seinen Sohn
der Tod seiner Rache entrückt hatte, sein Adoptivneffe Marcus
Marius Gratidianus, der zweimal Prätor gewesen und bei der
römischen Bürgerschaft sehr beliebt war, an dem Grabe des be-
jammernswerthesten der marianischen Schlachtopfer, des Catu-
lus, unter den grausamsten Martern hingerichtet. Auch sonst
hatte der Tod schon die namhaftesten der Gegner hingerafft; von
den Führern waren nur noch übrig Gaius Norbanus, der in Rho-
dos Hand an sich selbst legte, während die Ekklesia über seine
Auslieferung berieth; Lucius Scipio, dem seine Bedeutungslosig-
keit und wohl auch seine vornehme Geburt Schonung verschafften
und die Erlaubniss in seiner Zufluchtsstätte Massalia seine Tage
in Ruhe beschliessen zu dürfen; und Quintus Sertorius, der land-
flüchtig an der mauretanischen Küste umherirrte. Aber dennoch
häuften sich am servilischen Bassin, da wo die jugarische Gasse
in den Marktplatz einmündet, die Häupter der getödteten Sena-
toren, welche hier öffentlich auszustellen der Dictator befohlen
hatte, und vor allem unter den Männern zweiten und dritten
Ranges hielt der Tod eine furchtbare Ernte. Ausser denen, die für
ihre Dienste in oder für die revolutionäre Armee ohne viele Wahl,
zuweilen wegen eines einem der Offiziere derselben gemachten Vor-
schusses oder wegen der mit ihm geschlossenen Gastfreundschaft
in die Liste eingetragen wurden, traf namentlich jene Capitalisten,
die über die Senatoren zu Gericht gesessen und in marianischen

fallenen Männer mitgezählt, wie die Consulare Aulus Albinus Consul 655,
Titus Didius 656, Publius Lupus 664, Lucius Cato 665, theils vielleicht
Quintus Metellus Numidicus (S. 200), Manius Aquillius, Gaius Marius der
Vater, Gnaeus Strabo, die man allenfalls auch als Opfer dieser Zeit ansehen
konnte, oder andere Männer, deren Schicksal uns nicht bekannt ist. Von
den vierzehn getödteten Consularen sind drei, Rufus, Cinna und Flaccus
durch Militärrevolten, dagegen acht sullanische, drei marianische Consu-
lare als Opfer der Gegenpartei gefallen. Nach der Vergleichung der oben
angegebenen Ziffern galten als Opfer des Marius 50 Senatoren und 1000
Ritter, als Opfer des Sulla 40 Senatoren und 1600 Ritter; es giebt dies
einen wenigstens nicht ganz willkürlichen Massstab zur Abschätzung des
Umfangs der beiderseitigen Frevel.

DIE SULLANISCHE VERFASSUNG.
war doch damit der reinen Schergenwillkür etwas gesteuert. Es
war wenigstens nicht persönlicher Groll des Regenten, dem diese
zahllosen Opfer fielen; sein grimmiger Haſs richtete sich einzig
gegen die Marier, die Urheber jener scheuſslichen Metzeleien
von 667 und 672. Auf seinen Befehl ward das Grab des Siegers
von Aquae Sextiae wieder aufgerissen und die Asche desselben in
den Anio gestreut, die Denkmäler seiner Siege über Africaner
und Deutsche umgestürzt, und, da ihn selbst so wie seinen Sohn
der Tod seiner Rache entrückt hatte, sein Adoptivneffe Marcus
Marius Gratidianus, der zweimal Prätor gewesen und bei der
römischen Bürgerschaft sehr beliebt war, an dem Grabe des be-
jammernswerthesten der marianischen Schlachtopfer, des Catu-
lus, unter den grausamsten Martern hingerichtet. Auch sonst
hatte der Tod schon die namhaftesten der Gegner hingerafft; von
den Führern waren nur noch übrig Gaius Norbanus, der in Rho-
dos Hand an sich selbst legte, während die Ekklesia über seine
Auslieferung berieth; Lucius Scipio, dem seine Bedeutungslosig-
keit und wohl auch seine vornehme Geburt Schonung verschafften
und die Erlaubniſs in seiner Zufluchtsstätte Massalia seine Tage
in Ruhe beschlieſsen zu dürfen; und Quintus Sertorius, der land-
flüchtig an der mauretanischen Küste umherirrte. Aber dennoch
häuften sich am servilischen Bassin, da wo die jugarische Gasse
in den Marktplatz einmündet, die Häupter der getödteten Sena-
toren, welche hier öffentlich auszustellen der Dictator befohlen
hatte, und vor allem unter den Männern zweiten und dritten
Ranges hielt der Tod eine furchtbare Ernte. Auſser denen, die für
ihre Dienste in oder für die revolutionäre Armee ohne viele Wahl,
zuweilen wegen eines einem der Offiziere derselben gemachten Vor-
schusses oder wegen der mit ihm geschlossenen Gastfreundschaft
in die Liste eingetragen wurden, traf namentlich jene Capitalisten,
die über die Senatoren zu Gericht gesessen und in marianischen

fallenen Männer mitgezählt, wie die Consulare Aulus Albinus Consul 655,
Titus Didius 656, Publius Lupus 664, Lucius Cato 665, theils vielleicht
Quintus Metellus Numidicus (S. 200), Manius Aquillius, Gaius Marius der
Vater, Gnaeus Strabo, die man allenfalls auch als Opfer dieser Zeit ansehen
konnte, oder andere Männer, deren Schicksal uns nicht bekannt ist. Von
den vierzehn getödteten Consularen sind drei, Rufus, Cinna und Flaccus
durch Militärrevolten, dagegen acht sullanische, drei marianische Consu-
lare als Opfer der Gegenpartei gefallen. Nach der Vergleichung der oben
angegebenen Ziffern galten als Opfer des Marius 50 Senatoren und 1000
Ritter, als Opfer des Sulla 40 Senatoren und 1600 Ritter; es giebt dies
einen wenigstens nicht ganz willkürlichen Maſsstab zur Abschätzung des
Umfangs der beiderseitigen Frevel.
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[327/0337] DIE SULLANISCHE VERFASSUNG. war doch damit der reinen Schergenwillkür etwas gesteuert. Es war wenigstens nicht persönlicher Groll des Regenten, dem diese zahllosen Opfer fielen; sein grimmiger Haſs richtete sich einzig gegen die Marier, die Urheber jener scheuſslichen Metzeleien von 667 und 672. Auf seinen Befehl ward das Grab des Siegers von Aquae Sextiae wieder aufgerissen und die Asche desselben in den Anio gestreut, die Denkmäler seiner Siege über Africaner und Deutsche umgestürzt, und, da ihn selbst so wie seinen Sohn der Tod seiner Rache entrückt hatte, sein Adoptivneffe Marcus Marius Gratidianus, der zweimal Prätor gewesen und bei der römischen Bürgerschaft sehr beliebt war, an dem Grabe des be- jammernswerthesten der marianischen Schlachtopfer, des Catu- lus, unter den grausamsten Martern hingerichtet. Auch sonst hatte der Tod schon die namhaftesten der Gegner hingerafft; von den Führern waren nur noch übrig Gaius Norbanus, der in Rho- dos Hand an sich selbst legte, während die Ekklesia über seine Auslieferung berieth; Lucius Scipio, dem seine Bedeutungslosig- keit und wohl auch seine vornehme Geburt Schonung verschafften und die Erlaubniſs in seiner Zufluchtsstätte Massalia seine Tage in Ruhe beschlieſsen zu dürfen; und Quintus Sertorius, der land- flüchtig an der mauretanischen Küste umherirrte. Aber dennoch häuften sich am servilischen Bassin, da wo die jugarische Gasse in den Marktplatz einmündet, die Häupter der getödteten Sena- toren, welche hier öffentlich auszustellen der Dictator befohlen hatte, und vor allem unter den Männern zweiten und dritten Ranges hielt der Tod eine furchtbare Ernte. Auſser denen, die für ihre Dienste in oder für die revolutionäre Armee ohne viele Wahl, zuweilen wegen eines einem der Offiziere derselben gemachten Vor- schusses oder wegen der mit ihm geschlossenen Gastfreundschaft in die Liste eingetragen wurden, traf namentlich jene Capitalisten, die über die Senatoren zu Gericht gesessen und in marianischen * * fallenen Männer mitgezählt, wie die Consulare Aulus Albinus Consul 655, Titus Didius 656, Publius Lupus 664, Lucius Cato 665, theils vielleicht Quintus Metellus Numidicus (S. 200), Manius Aquillius, Gaius Marius der Vater, Gnaeus Strabo, die man allenfalls auch als Opfer dieser Zeit ansehen konnte, oder andere Männer, deren Schicksal uns nicht bekannt ist. Von den vierzehn getödteten Consularen sind drei, Rufus, Cinna und Flaccus durch Militärrevolten, dagegen acht sullanische, drei marianische Consu- lare als Opfer der Gegenpartei gefallen. Nach der Vergleichung der oben angegebenen Ziffern galten als Opfer des Marius 50 Senatoren und 1000 Ritter, als Opfer des Sulla 40 Senatoren und 1600 Ritter; es giebt dies einen wenigstens nicht ganz willkürlichen Maſsstab zur Abschätzung des Umfangs der beiderseitigen Frevel.

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855, S. 327. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische02_1855/337>, abgerufen am 25.11.2024.