Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855.VIERTES BUCH. KAPITEL X. Confiscationen speculirt hatten, ,die Einseckler', die Vergeltung*;etwa sechzehnhundert der sogenannten Ritter waren auf der Aechtungsliste verzeichnet. Ebenso büssten die gewerbmässi- gen Ankläger, die schwerste Geissel der Vornehmen, die sich ein Geschäft daraus machten die Männer senatorischen Standes vor die Rittergerichte zu ziehen -- ,wie geht es nur zu, fragte bald darauf ein Sachwalter, dass sie uns die Gerichtsbänke gelassen haben, da sie doch Ankläger und Richter todtschlugen?' Die wil- desten und schändlichsten Leidenschaften rasten viele Monate hindurch ungefesselt durch Italien. In der Hauptstadt war es ein Keltentrupp, dem zunächst die Executionen aufgetragen wurden, und zu gleichem Zweck durchzogen sullanische Soldaten und Unteroffiziere die verschiedenen Districte Italiens; aber auch jeder Freiwillige war ja willkommen und vornehmes und niederes Ge- sindel drängte sich herbei nicht bloss um die Mordprämie zu ver- dienen, sondern auch um unter dem Deckmantel der politischen Verfolgung ihre Rachsucht oder ihre Habsucht zu befriedigen. Es kam wohl vor, dass die Ermordung der Eintragung in die Aech- tungsliste voranging. Ein Beispiel zeigt, in welcher Art diese Exe- cutionen erfolgten. In Larinum, einer marianisch gesinnten Neu- bürgerstadt, trat ein gewisser Statius Albius Oppianicus, der um einer Anklage wegen Mordes zu entgehen in das sullanische Haupt- quartier entwichen war, nach dem Sieg auf als Commissarius des Regenten, setzte die Stadtobrigkeit ab und sich und seine Freunde an deren Stelle und liess den, der ihn mit der Anklage bedroht hatte, nebst dessen nächsten Verwandten und Freunden ächten und tödten. So fielen Unzählige, darunter nicht wenige entschie- dene Anhänger der Oligarchie, als Opfer der Privatfeindschaft oder ihres Reichthums; die fürchterliche Verwirrung und die sträfliche Nachsicht, die Sulla wie überall so auch hier gegen die ihm näher Stehenden bewies, verhinderten jede Ahndung auch der hiebei mit untergelaufenen gemeinen Verbrechen. -- In ähn- licher Weise ward mit dem Beutegut verfahren. Sulla wirkte aus politischen Rücksichten dahin, dass die angesehenen Bürger sich bei dessen Ersteigerung betheiligten; ein grosser Theil drängte übrigens freiwillig sich herbei, keiner eifriger als der junge Mar- cus Crassus. Unter den obwaltenden Umständen war die ärgste Schleuderwirthschaft nicht zu vermeiden, die übrigens zum Theil schon aus der römischen Weise folgte die vom Staat eingezoge- * Einer von diesen ist der in Ciceros Rede für Publius Quinctius öfter
genannte Sextus Alfenus. VIERTES BUCH. KAPITEL X. Confiscationen speculirt hatten, ‚die Einseckler‘, die Vergeltung*;etwa sechzehnhundert der sogenannten Ritter waren auf der Aechtungsliste verzeichnet. Ebenso büſsten die gewerbmäſsi- gen Ankläger, die schwerste Geiſsel der Vornehmen, die sich ein Geschäft daraus machten die Männer senatorischen Standes vor die Rittergerichte zu ziehen — ‚wie geht es nur zu, fragte bald darauf ein Sachwalter, daſs sie uns die Gerichtsbänke gelassen haben, da sie doch Ankläger und Richter todtschlugen?‘ Die wil- desten und schändlichsten Leidenschaften rasten viele Monate hindurch ungefesselt durch Italien. In der Hauptstadt war es ein Keltentrupp, dem zunächst die Executionen aufgetragen wurden, und zu gleichem Zweck durchzogen sullanische Soldaten und Unteroffiziere die verschiedenen Districte Italiens; aber auch jeder Freiwillige war ja willkommen und vornehmes und niederes Ge- sindel drängte sich herbei nicht bloſs um die Mordprämie zu ver- dienen, sondern auch um unter dem Deckmantel der politischen Verfolgung ihre Rachsucht oder ihre Habsucht zu befriedigen. Es kam wohl vor, daſs die Ermordung der Eintragung in die Aech- tungsliste voranging. Ein Beispiel zeigt, in welcher Art diese Exe- cutionen erfolgten. In Larinum, einer marianisch gesinnten Neu- bürgerstadt, trat ein gewisser Statius Albius Oppianicus, der um einer Anklage wegen Mordes zu entgehen in das sullanische Haupt- quartier entwichen war, nach dem Sieg auf als Commissarius des Regenten, setzte die Stadtobrigkeit ab und sich und seine Freunde an deren Stelle und lieſs den, der ihn mit der Anklage bedroht hatte, nebst dessen nächsten Verwandten und Freunden ächten und tödten. So fielen Unzählige, darunter nicht wenige entschie- dene Anhänger der Oligarchie, als Opfer der Privatfeindschaft oder ihres Reichthums; die fürchterliche Verwirrung und die sträfliche Nachsicht, die Sulla wie überall so auch hier gegen die ihm näher Stehenden bewies, verhinderten jede Ahndung auch der hiebei mit untergelaufenen gemeinen Verbrechen. — In ähn- licher Weise ward mit dem Beutegut verfahren. Sulla wirkte aus politischen Rücksichten dahin, daſs die angesehenen Bürger sich bei dessen Ersteigerung betheiligten; ein groſser Theil drängte übrigens freiwillig sich herbei, keiner eifriger als der junge Mar- cus Crassus. Unter den obwaltenden Umständen war die ärgste Schleuderwirthschaft nicht zu vermeiden, die übrigens zum Theil schon aus der römischen Weise folgte die vom Staat eingezoge- * Einer von diesen ist der in Ciceros Rede für Publius Quinctius öfter
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VIERTES BUCH. KAPITEL X.
Confiscationen speculirt hatten, ‚die Einseckler‘, die Vergeltung *;
etwa sechzehnhundert der sogenannten Ritter waren auf der
Aechtungsliste verzeichnet. Ebenso büſsten die gewerbmäſsi-
gen Ankläger, die schwerste Geiſsel der Vornehmen, die sich ein
Geschäft daraus machten die Männer senatorischen Standes vor
die Rittergerichte zu ziehen — ‚wie geht es nur zu, fragte bald
darauf ein Sachwalter, daſs sie uns die Gerichtsbänke gelassen
haben, da sie doch Ankläger und Richter todtschlugen?‘ Die wil-
desten und schändlichsten Leidenschaften rasten viele Monate
hindurch ungefesselt durch Italien. In der Hauptstadt war es ein
Keltentrupp, dem zunächst die Executionen aufgetragen wurden,
und zu gleichem Zweck durchzogen sullanische Soldaten und
Unteroffiziere die verschiedenen Districte Italiens; aber auch jeder
Freiwillige war ja willkommen und vornehmes und niederes Ge-
sindel drängte sich herbei nicht bloſs um die Mordprämie zu ver-
dienen, sondern auch um unter dem Deckmantel der politischen
Verfolgung ihre Rachsucht oder ihre Habsucht zu befriedigen. Es
kam wohl vor, daſs die Ermordung der Eintragung in die Aech-
tungsliste voranging. Ein Beispiel zeigt, in welcher Art diese Exe-
cutionen erfolgten. In Larinum, einer marianisch gesinnten Neu-
bürgerstadt, trat ein gewisser Statius Albius Oppianicus, der um
einer Anklage wegen Mordes zu entgehen in das sullanische Haupt-
quartier entwichen war, nach dem Sieg auf als Commissarius des
Regenten, setzte die Stadtobrigkeit ab und sich und seine Freunde
an deren Stelle und lieſs den, der ihn mit der Anklage bedroht
hatte, nebst dessen nächsten Verwandten und Freunden ächten
und tödten. So fielen Unzählige, darunter nicht wenige entschie-
dene Anhänger der Oligarchie, als Opfer der Privatfeindschaft
oder ihres Reichthums; die fürchterliche Verwirrung und die
sträfliche Nachsicht, die Sulla wie überall so auch hier gegen die
ihm näher Stehenden bewies, verhinderten jede Ahndung auch
der hiebei mit untergelaufenen gemeinen Verbrechen. — In ähn-
licher Weise ward mit dem Beutegut verfahren. Sulla wirkte aus
politischen Rücksichten dahin, daſs die angesehenen Bürger sich
bei dessen Ersteigerung betheiligten; ein groſser Theil drängte
übrigens freiwillig sich herbei, keiner eifriger als der junge Mar-
cus Crassus. Unter den obwaltenden Umständen war die ärgste
Schleuderwirthschaft nicht zu vermeiden, die übrigens zum Theil
schon aus der römischen Weise folgte die vom Staat eingezoge-
* Einer von diesen ist der in Ciceros Rede für Publius Quinctius öfter
genannte Sextus Alfenus.
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