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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855.

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VIERTES BUCH. KAPITEL IX.
ohne eigentliche Entscheidung, aber insofern doch zu Gunsten
Carbos, als Sullas siegreiches Vordringen gehemmt ward. Während
so die oligarchische Partei alle ihre Kräfte in Etrurien und im Po-
thal concentrirte, machte die revolutionäre aller Orten die äusserste
Anstrengung um die Blokade von Praeneste zu sprengen. Selbst
Marcus Perpenna, der Statthalter von Sicilien machte sich dazu
auf; es scheint indess nicht, dass er nach Praeneste gelangte.
Ebenso wenig glückte dies dem von Carbo detachirten sehr an-
sehnlichen Corps unter Marcius; von den bei Spoletium stehen-
den feindlichen Truppen überfallen und geschlagen, durch Unord-
nung, Mangel an Zufuhr und Meuterei demoralisirt ging ein Theil
zu Carbo, ein anderer zurück nach Ariminum, der Rest verlief
sich. Ernstliche Hülfe kam dagegen aus Süditalien. Hier bra-
chen die Samniten unter Pontius von Telesia, die Lucaner unter
ihrem erprobten Feldherrn Marcus Lamponius auf, ohne dass
der Abmarsch ihnen gewehrt worden wäre, zogen in Campanien,
wo Capua noch immer sich hielt, eine Abtheilung der Besatzung
unter Gutta an sich und rückten also, angeblich 70000 Mann
stark, auf Praeneste zu. Sulla sah sich genöthigt, mit Zurücklas-
sung eines Corps gegen Carbo, selbst nach Latium zurückzukeh-
ren, wo er in den Engpässen vorwärts Praeneste * eine wohlge-
wählte Stellung nahm und dem Entsatzheer den Weg sperrte.
Vergeblich versuchte die Besatzung Ofellas Linien zu durchbre-
chen, vergeblich das Entsatzheer Sulla zu vertreiben; beide ver-
harrten unbeweglich in ihren festen Stellungen, selbst nachdem,
von Carbo gesendet, Damasippus mit zwei Legionen das Ent-
satzheer verstärkt hatte. Diese starken Entsendungen von der
Nordarmee verfehlten ihren Zweck in Latium, während zu-
gleich die Schwächung der Streitkräfte in Oberitalien schwer
empfunden ward. Hier war Marcus Lucullus von Gaius Norba-
nus mit überlegener Macht angegriffen und genöthigt worden
sich in Placentia einschliessen zu lassen. Norbanus wandte dar-
auf sich gegen Metellus selbst, auf den er bei Faventia traf, und
griff am späten Nachmittag mit seinen vom Marsch ermüdeten
Truppen sofort an; die Folge war eine vollständige Niederlage

* Es wird gemeldet, dass Sulla in dem Engpass stand, durch den Prae-
neste allein zugänglich war (App. 1, 90); wobei übrigens sowohl ihm als
dem Entsatzheer die Strasse nach Rom offen stand. Ohne Zweifel stand
Sulla auf der Querstrasse, die von der latinischen, auf der die Samniten
herankamen, bei Valmontone nach Palestrina abbiegt; in diesem Fall com-
municirte Sulla auf der praenestinischen, die Feinde auf der latinischen
oder labicanischen mit der Hauptstadt.

VIERTES BUCH. KAPITEL IX.
ohne eigentliche Entscheidung, aber insofern doch zu Gunsten
Carbos, als Sullas siegreiches Vordringen gehemmt ward. Während
so die oligarchische Partei alle ihre Kräfte in Etrurien und im Po-
thal concentrirte, machte die revolutionäre aller Orten die äuſserste
Anstrengung um die Blokade von Praeneste zu sprengen. Selbst
Marcus Perpenna, der Statthalter von Sicilien machte sich dazu
auf; es scheint indeſs nicht, daſs er nach Praeneste gelangte.
Ebenso wenig glückte dies dem von Carbo detachirten sehr an-
sehnlichen Corps unter Marcius; von den bei Spoletium stehen-
den feindlichen Truppen überfallen und geschlagen, durch Unord-
nung, Mangel an Zufuhr und Meuterei demoralisirt ging ein Theil
zu Carbo, ein anderer zurück nach Ariminum, der Rest verlief
sich. Ernstliche Hülfe kam dagegen aus Süditalien. Hier bra-
chen die Samniten unter Pontius von Telesia, die Lucaner unter
ihrem erprobten Feldherrn Marcus Lamponius auf, ohne daſs
der Abmarsch ihnen gewehrt worden wäre, zogen in Campanien,
wo Capua noch immer sich hielt, eine Abtheilung der Besatzung
unter Gutta an sich und rückten also, angeblich 70000 Mann
stark, auf Praeneste zu. Sulla sah sich genöthigt, mit Zurücklas-
sung eines Corps gegen Carbo, selbst nach Latium zurückzukeh-
ren, wo er in den Engpässen vorwärts Praeneste * eine wohlge-
wählte Stellung nahm und dem Entsatzheer den Weg sperrte.
Vergeblich versuchte die Besatzung Ofellas Linien zu durchbre-
chen, vergeblich das Entsatzheer Sulla zu vertreiben; beide ver-
harrten unbeweglich in ihren festen Stellungen, selbst nachdem,
von Carbo gesendet, Damasippus mit zwei Legionen das Ent-
satzheer verstärkt hatte. Diese starken Entsendungen von der
Nordarmee verfehlten ihren Zweck in Latium, während zu-
gleich die Schwächung der Streitkräfte in Oberitalien schwer
empfunden ward. Hier war Marcus Lucullus von Gaius Norba-
nus mit überlegener Macht angegriffen und genöthigt worden
sich in Placentia einschlieſsen zu lassen. Norbanus wandte dar-
auf sich gegen Metellus selbst, auf den er bei Faventia traf, und
griff am späten Nachmittag mit seinen vom Marsch ermüdeten
Truppen sofort an; die Folge war eine vollständige Niederlage

* Es wird gemeldet, daſs Sulla in dem Engpaſs stand, durch den Prae-
neste allein zugänglich war (App. 1, 90); wobei übrigens sowohl ihm als
dem Entsatzheer die Straſse nach Rom offen stand. Ohne Zweifel stand
Sulla auf der Querstraſse, die von der latinischen, auf der die Samniten
herankamen, bei Valmontone nach Palestrina abbiegt; in diesem Fall com-
municirte Sulla auf der praenestinischen, die Feinde auf der latinischen
oder labicanischen mit der Hauptstadt.
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[314/0324] VIERTES BUCH. KAPITEL IX. ohne eigentliche Entscheidung, aber insofern doch zu Gunsten Carbos, als Sullas siegreiches Vordringen gehemmt ward. Während so die oligarchische Partei alle ihre Kräfte in Etrurien und im Po- thal concentrirte, machte die revolutionäre aller Orten die äuſserste Anstrengung um die Blokade von Praeneste zu sprengen. Selbst Marcus Perpenna, der Statthalter von Sicilien machte sich dazu auf; es scheint indeſs nicht, daſs er nach Praeneste gelangte. Ebenso wenig glückte dies dem von Carbo detachirten sehr an- sehnlichen Corps unter Marcius; von den bei Spoletium stehen- den feindlichen Truppen überfallen und geschlagen, durch Unord- nung, Mangel an Zufuhr und Meuterei demoralisirt ging ein Theil zu Carbo, ein anderer zurück nach Ariminum, der Rest verlief sich. Ernstliche Hülfe kam dagegen aus Süditalien. Hier bra- chen die Samniten unter Pontius von Telesia, die Lucaner unter ihrem erprobten Feldherrn Marcus Lamponius auf, ohne daſs der Abmarsch ihnen gewehrt worden wäre, zogen in Campanien, wo Capua noch immer sich hielt, eine Abtheilung der Besatzung unter Gutta an sich und rückten also, angeblich 70000 Mann stark, auf Praeneste zu. Sulla sah sich genöthigt, mit Zurücklas- sung eines Corps gegen Carbo, selbst nach Latium zurückzukeh- ren, wo er in den Engpässen vorwärts Praeneste * eine wohlge- wählte Stellung nahm und dem Entsatzheer den Weg sperrte. Vergeblich versuchte die Besatzung Ofellas Linien zu durchbre- chen, vergeblich das Entsatzheer Sulla zu vertreiben; beide ver- harrten unbeweglich in ihren festen Stellungen, selbst nachdem, von Carbo gesendet, Damasippus mit zwei Legionen das Ent- satzheer verstärkt hatte. Diese starken Entsendungen von der Nordarmee verfehlten ihren Zweck in Latium, während zu- gleich die Schwächung der Streitkräfte in Oberitalien schwer empfunden ward. Hier war Marcus Lucullus von Gaius Norba- nus mit überlegener Macht angegriffen und genöthigt worden sich in Placentia einschlieſsen zu lassen. Norbanus wandte dar- auf sich gegen Metellus selbst, auf den er bei Faventia traf, und griff am späten Nachmittag mit seinen vom Marsch ermüdeten Truppen sofort an; die Folge war eine vollständige Niederlage * Es wird gemeldet, daſs Sulla in dem Engpaſs stand, durch den Prae- neste allein zugänglich war (App. 1, 90); wobei übrigens sowohl ihm als dem Entsatzheer die Straſse nach Rom offen stand. Ohne Zweifel stand Sulla auf der Querstraſse, die von der latinischen, auf der die Samniten herankamen, bei Valmontone nach Palestrina abbiegt; in diesem Fall com- municirte Sulla auf der praenestinischen, die Feinde auf der latinischen oder labicanischen mit der Hauptstadt.

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855, S. 314. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische02_1855/324>, abgerufen am 15.05.2024.