Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855.VIERTES BUCH. KAPITEL IX. und dem Hauptwaffenplatz der Marianer, dem festen Praeneste.Hier stellte Marius sich zur Schlacht. Sein Heer war etwa 40000 Mann stark und er an wildem Grimme und persönlicher Tapferkeit seines Vaters rechter Sohn; aber es waren nicht die wohlgeübten Schaaren, mit denen dieser seine Schlachten ge- schlagen hatte, und noch minder durfte der unerfahrene junge Mann mit dem alten Kriegsmeister sich vergleichen. Bald wichen seine Truppen; der Uebertritt einer Abtheilung noch während des Gefechts beschleunigte die Niederlage. Ueber die Hälfte der Marianer waren todt oder gefangen; die Hauptstadt, die zu ver- proviantiren man versäumt hatte, unrettbar verloren. In Folge dessen gab Marius dem daselbst befehligenden Praetor Lucius Brutus Damasippus den Befehl sie zu räumen, vorher aber alle bisher noch verschonten angesehenen Männer der Gegenpartei nie- derzumachen. Der Auftrag, durch den der Sohn die Aechtungen des Vaters noch überbot, ward vollzogen; Damasippus berief un- ter einem Vorwand den Senat und die bezeichneten Männer wur- den theils in der Sitzung selbst, theils auf der Flucht vor dem Rathhaus niedergestossen. Trotz der vorhergangenen gründli- chen Epurirung fanden sich doch noch einzelne namhaftere Opfer: so der gewesene Aedil Publius Antistius, der Schwieger- vater des Gnaeus Pompeius, und der gewesene Praetor Gaius Carbo, der Sohn des bekannten Freundes und nachherigen Geg- ners der Gracchen (S. 120), beide nach dem Tode so vieler aus- gezeichneterer Talente die besten Gerichtsredner auf dem ver- ödeten Markt; der Consular Lucius Domitius und vor allem der ehrwürdige Oherpriester Quintus Scaevola, der dem Dolch des Fimbria nur entgangen war um jetzt während der letzten Kräm- pfe der Revolution in der Halle des seiner Obhut anvertrauten Vestatempels zu verbluten. Mit stummen Entsetzen sah die Menge die Leichen dieser letzten Opfer des Terrorismus durch die Strassen schleifen und sie in den Fluss werfen. -- Marius vermochte nach der Schlacht am Hafen des Sacer nicht einmal sich über die Tiber zurückzuziehen; seine aufgelösten Haufen warfen sich in die nahen und festen Neubürgerstädte Norba und Praeneste, er selbst mit der Kasse und dem grössten Theil der Flüchtlinge in die letztere. Sulla begnügte sich eben wie er das Jahr zuvor vor Capua es gemacht hatte, vor Praeneste einen tüchtigen Offizier, den Quintus Ofella zurückzulassen mit dem Auftrag seine Kräfte nicht an die Belagerung der festen Stadt zu vergeuden, sondern sie mit einer weiten Blokadelinie einzuschlies- sen und sie auszuhungern. Er selbst rückte von verschiedenen VIERTES BUCH. KAPITEL IX. und dem Hauptwaffenplatz der Marianer, dem festen Praeneste.Hier stellte Marius sich zur Schlacht. Sein Heer war etwa 40000 Mann stark und er an wildem Grimme und persönlicher Tapferkeit seines Vaters rechter Sohn; aber es waren nicht die wohlgeübten Schaaren, mit denen dieser seine Schlachten ge- schlagen hatte, und noch minder durfte der unerfahrene junge Mann mit dem alten Kriegsmeister sich vergleichen. Bald wichen seine Truppen; der Uebertritt einer Abtheilung noch während des Gefechts beschleunigte die Niederlage. Ueber die Hälfte der Marianer waren todt oder gefangen; die Hauptstadt, die zu ver- proviantiren man versäumt hatte, unrettbar verloren. In Folge dessen gab Marius dem daselbst befehligenden Praetor Lucius Brutus Damasippus den Befehl sie zu räumen, vorher aber alle bisher noch verschonten angesehenen Männer der Gegenpartei nie- derzumachen. Der Auftrag, durch den der Sohn die Aechtungen des Vaters noch überbot, ward vollzogen; Damasippus berief un- ter einem Vorwand den Senat und die bezeichneten Männer wur- den theils in der Sitzung selbst, theils auf der Flucht vor dem Rathhaus niedergestoſsen. Trotz der vorhergangenen gründli- chen Epurirung fanden sich doch noch einzelne namhaftere Opfer: so der gewesene Aedil Publius Antistius, der Schwieger- vater des Gnaeus Pompeius, und der gewesene Praetor Gaius Carbo, der Sohn des bekannten Freundes und nachherigen Geg- ners der Gracchen (S. 120), beide nach dem Tode so vieler aus- gezeichneterer Talente die besten Gerichtsredner auf dem ver- ödeten Markt; der Consular Lucius Domitius und vor allem der ehrwürdige Oherpriester Quintus Scaevola, der dem Dolch des Fimbria nur entgangen war um jetzt während der letzten Kräm- pfe der Revolution in der Halle des seiner Obhut anvertrauten Vestatempels zu verbluten. Mit stummen Entsetzen sah die Menge die Leichen dieser letzten Opfer des Terrorismus durch die Straſsen schleifen und sie in den Fluſs werfen. — Marius vermochte nach der Schlacht am Hafen des Sacer nicht einmal sich über die Tiber zurückzuziehen; seine aufgelösten Haufen warfen sich in die nahen und festen Neubürgerstädte Norba und Praeneste, er selbst mit der Kasse und dem gröſsten Theil der Flüchtlinge in die letztere. Sulla begnügte sich eben wie er das Jahr zuvor vor Capua es gemacht hatte, vor Praeneste einen tüchtigen Offizier, den Quintus Ofella zurückzulassen mit dem Auftrag seine Kräfte nicht an die Belagerung der festen Stadt zu vergeuden, sondern sie mit einer weiten Blokadelinie einzuschlies- sen und sie auszuhungern. Er selbst rückte von verschiedenen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0322" n="312"/><fw place="top" type="header">VIERTES BUCH. 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VIERTES BUCH. KAPITEL IX.
und dem Hauptwaffenplatz der Marianer, dem festen Praeneste.
Hier stellte Marius sich zur Schlacht. Sein Heer war etwa
40000 Mann stark und er an wildem Grimme und persönlicher
Tapferkeit seines Vaters rechter Sohn; aber es waren nicht die
wohlgeübten Schaaren, mit denen dieser seine Schlachten ge-
schlagen hatte, und noch minder durfte der unerfahrene junge
Mann mit dem alten Kriegsmeister sich vergleichen. Bald wichen
seine Truppen; der Uebertritt einer Abtheilung noch während
des Gefechts beschleunigte die Niederlage. Ueber die Hälfte der
Marianer waren todt oder gefangen; die Hauptstadt, die zu ver-
proviantiren man versäumt hatte, unrettbar verloren. In Folge
dessen gab Marius dem daselbst befehligenden Praetor Lucius
Brutus Damasippus den Befehl sie zu räumen, vorher aber alle
bisher noch verschonten angesehenen Männer der Gegenpartei nie-
derzumachen. Der Auftrag, durch den der Sohn die Aechtungen
des Vaters noch überbot, ward vollzogen; Damasippus berief un-
ter einem Vorwand den Senat und die bezeichneten Männer wur-
den theils in der Sitzung selbst, theils auf der Flucht vor dem
Rathhaus niedergestoſsen. Trotz der vorhergangenen gründli-
chen Epurirung fanden sich doch noch einzelne namhaftere
Opfer: so der gewesene Aedil Publius Antistius, der Schwieger-
vater des Gnaeus Pompeius, und der gewesene Praetor Gaius
Carbo, der Sohn des bekannten Freundes und nachherigen Geg-
ners der Gracchen (S. 120), beide nach dem Tode so vieler aus-
gezeichneterer Talente die besten Gerichtsredner auf dem ver-
ödeten Markt; der Consular Lucius Domitius und vor allem der
ehrwürdige Oherpriester Quintus Scaevola, der dem Dolch des
Fimbria nur entgangen war um jetzt während der letzten Kräm-
pfe der Revolution in der Halle des seiner Obhut anvertrauten
Vestatempels zu verbluten. Mit stummen Entsetzen sah die
Menge die Leichen dieser letzten Opfer des Terrorismus durch
die Straſsen schleifen und sie in den Fluſs werfen. — Marius
vermochte nach der Schlacht am Hafen des Sacer nicht einmal
sich über die Tiber zurückzuziehen; seine aufgelösten Haufen
warfen sich in die nahen und festen Neubürgerstädte Norba und
Praeneste, er selbst mit der Kasse und dem gröſsten Theil der
Flüchtlinge in die letztere. Sulla begnügte sich eben wie er das
Jahr zuvor vor Capua es gemacht hatte, vor Praeneste einen
tüchtigen Offizier, den Quintus Ofella zurückzulassen mit dem
Auftrag seine Kräfte nicht an die Belagerung der festen Stadt zu
vergeuden, sondern sie mit einer weiten Blokadelinie einzuschlies-
sen und sie auszuhungern. Er selbst rückte von verschiedenen
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