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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855.

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der Hauptstadt verfügen; wie bedeutend der Ertrag war, erhellt
daraus, dass er sich nach mehrmonatlicher Kriegsführung noch
auf gegen 4 Mill. Thlr. (14000 Pfund Gold und 6000 Pfund Silber)
belief. In dem beträchtlichen Theile Italiens, der gezwungen oder
freiwillig noch zu der Revolution hielt, wurden die Rüstungen
lebhaft betrieben. Aus Etrurien, wo die Neubürgergemeinden
sehr zahlreich waren, und dem Pogebiet kamen ansehnliche neu
formirte Abtheilungen. Auf den Ruf des Sohnes stellten die ma-
rianischen Veteranen in grosser Anzahl sich in der Hauptstadt
ein. Aber nirgends ward zum Kampf gegen Sulla so leidenschaft-
lich gerüstet wie in dem insurgirten Samnium und einzelnen
Strichen von Lucanien. Es war nichts weniger als Ergebenheit
gegen die revolutionäre römische Regierung, dass zahlreicher Zu-
zug aus den oskischen Gegenden ihre Heere verstärkte; wohl
aber begriff man daselbst, dass eine von Sulla restaurirte Oligar-
chie sich die jetzt factisch bestehende landschaftliche Selbststän-
digkeit dieser Gegenden nicht so gefallen lassen werde wie die
schlaffe cinnanische Regierung; und darum erwachte in dem
Kampf gegen Sulla noch einmal die uralte Rivalität der Sabeller
gegen die Latiner. Für Samnium und Latium war dieser Krieg
so gut ein Nationalkampf wie die Kriege des fünften Jahrhun-
derts; man stritt nicht um ein Mehr oder Minder von politischen
Rechten, sondern um den lange verhaltenen Hass durch Schädi-
gung und Vernichtung des Gegners zu befriedigen. Es war
darum kein Wunder, wenn dieser Theil des Krieges einen ganz
andern Charakter trug als die übrigen Kämpfe, wenn hier keine
Verständigung versucht, kein Quartier gegeben oder genommen,
die Verfolgung bis aufs Aeusserste fortgesetzt ward. -- So trat
man den Feldzug des J. 672 beiderseits mit verstärkten Streit-
kräften und gesteigerter Leidenschaft an. Vor allem die Revolu-
tion warf die Scheide weg: auf Carbos Antrag ächteten die römi-
schen Comitien alle in Sullas Lager befindlichen Senatoren.
Sulla schwieg; er mochte denken, dass man im Voraus sich sel-
ber das Urtheil spreche.

Die Armee der Optimaten theilte sich. Der Proconsul Me-
tellus übernahm es, gestützt auf die picenische Insurrection, nach
Oberitalien vorzudringen, während Sulla von Campanien aus
gerades Wegs gegen die Hauptstadt marschirte. Jenem warf
Carbo sich entgegen; der feindlichen Hauptarmee wollte Marius
in Latium begegnen. Auf der latinischen Strasse heranrückend
traf Sulla unweit Signia auf den Feind, der vor ihm zurückwich
bis nach dem sogenannten ,Hafen des Sacer' zwischen Signia

CINNA UND SULLA.
der Hauptstadt verfügen; wie bedeutend der Ertrag war, erhellt
daraus, daſs er sich nach mehrmonatlicher Kriegsführung noch
auf gegen 4 Mill. Thlr. (14000 Pfund Gold und 6000 Pfund Silber)
belief. In dem beträchtlichen Theile Italiens, der gezwungen oder
freiwillig noch zu der Revolution hielt, wurden die Rüstungen
lebhaft betrieben. Aus Etrurien, wo die Neubürgergemeinden
sehr zahlreich waren, und dem Pogebiet kamen ansehnliche neu
formirte Abtheilungen. Auf den Ruf des Sohnes stellten die ma-
rianischen Veteranen in groſser Anzahl sich in der Hauptstadt
ein. Aber nirgends ward zum Kampf gegen Sulla so leidenschaft-
lich gerüstet wie in dem insurgirten Samnium und einzelnen
Strichen von Lucanien. Es war nichts weniger als Ergebenheit
gegen die revolutionäre römische Regierung, daſs zahlreicher Zu-
zug aus den oskischen Gegenden ihre Heere verstärkte; wohl
aber begriff man daselbst, daſs eine von Sulla restaurirte Oligar-
chie sich die jetzt factisch bestehende landschaftliche Selbststän-
digkeit dieser Gegenden nicht so gefallen lassen werde wie die
schlaffe cinnanische Regierung; und darum erwachte in dem
Kampf gegen Sulla noch einmal die uralte Rivalität der Sabeller
gegen die Latiner. Für Samnium und Latium war dieser Krieg
so gut ein Nationalkampf wie die Kriege des fünften Jahrhun-
derts; man stritt nicht um ein Mehr oder Minder von politischen
Rechten, sondern um den lange verhaltenen Haſs durch Schädi-
gung und Vernichtung des Gegners zu befriedigen. Es war
darum kein Wunder, wenn dieser Theil des Krieges einen ganz
andern Charakter trug als die übrigen Kämpfe, wenn hier keine
Verständigung versucht, kein Quartier gegeben oder genommen,
die Verfolgung bis aufs Aeuſserste fortgesetzt ward. — So trat
man den Feldzug des J. 672 beiderseits mit verstärkten Streit-
kräften und gesteigerter Leidenschaft an. Vor allem die Revolu-
tion warf die Scheide weg: auf Carbos Antrag ächteten die römi-
schen Comitien alle in Sullas Lager befindlichen Senatoren.
Sulla schwieg; er mochte denken, daſs man im Voraus sich sel-
ber das Urtheil spreche.

Die Armee der Optimaten theilte sich. Der Proconsul Me-
tellus übernahm es, gestützt auf die picenische Insurrection, nach
Oberitalien vorzudringen, während Sulla von Campanien aus
gerades Wegs gegen die Hauptstadt marschirte. Jenem warf
Carbo sich entgegen; der feindlichen Hauptarmee wollte Marius
in Latium begegnen. Auf der latinischen Straſse heranrückend
traf Sulla unweit Signia auf den Feind, der vor ihm zurückwich
bis nach dem sogenannten ‚Hafen des Sacer‘ zwischen Signia

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[311/0321] CINNA UND SULLA. der Hauptstadt verfügen; wie bedeutend der Ertrag war, erhellt daraus, daſs er sich nach mehrmonatlicher Kriegsführung noch auf gegen 4 Mill. Thlr. (14000 Pfund Gold und 6000 Pfund Silber) belief. In dem beträchtlichen Theile Italiens, der gezwungen oder freiwillig noch zu der Revolution hielt, wurden die Rüstungen lebhaft betrieben. Aus Etrurien, wo die Neubürgergemeinden sehr zahlreich waren, und dem Pogebiet kamen ansehnliche neu formirte Abtheilungen. Auf den Ruf des Sohnes stellten die ma- rianischen Veteranen in groſser Anzahl sich in der Hauptstadt ein. Aber nirgends ward zum Kampf gegen Sulla so leidenschaft- lich gerüstet wie in dem insurgirten Samnium und einzelnen Strichen von Lucanien. Es war nichts weniger als Ergebenheit gegen die revolutionäre römische Regierung, daſs zahlreicher Zu- zug aus den oskischen Gegenden ihre Heere verstärkte; wohl aber begriff man daselbst, daſs eine von Sulla restaurirte Oligar- chie sich die jetzt factisch bestehende landschaftliche Selbststän- digkeit dieser Gegenden nicht so gefallen lassen werde wie die schlaffe cinnanische Regierung; und darum erwachte in dem Kampf gegen Sulla noch einmal die uralte Rivalität der Sabeller gegen die Latiner. Für Samnium und Latium war dieser Krieg so gut ein Nationalkampf wie die Kriege des fünften Jahrhun- derts; man stritt nicht um ein Mehr oder Minder von politischen Rechten, sondern um den lange verhaltenen Haſs durch Schädi- gung und Vernichtung des Gegners zu befriedigen. Es war darum kein Wunder, wenn dieser Theil des Krieges einen ganz andern Charakter trug als die übrigen Kämpfe, wenn hier keine Verständigung versucht, kein Quartier gegeben oder genommen, die Verfolgung bis aufs Aeuſserste fortgesetzt ward. — So trat man den Feldzug des J. 672 beiderseits mit verstärkten Streit- kräften und gesteigerter Leidenschaft an. Vor allem die Revolu- tion warf die Scheide weg: auf Carbos Antrag ächteten die römi- schen Comitien alle in Sullas Lager befindlichen Senatoren. Sulla schwieg; er mochte denken, daſs man im Voraus sich sel- ber das Urtheil spreche. Die Armee der Optimaten theilte sich. Der Proconsul Me- tellus übernahm es, gestützt auf die picenische Insurrection, nach Oberitalien vorzudringen, während Sulla von Campanien aus gerades Wegs gegen die Hauptstadt marschirte. Jenem warf Carbo sich entgegen; der feindlichen Hauptarmee wollte Marius in Latium begegnen. Auf der latinischen Straſse heranrückend traf Sulla unweit Signia auf den Feind, der vor ihm zurückwich bis nach dem sogenannten ‚Hafen des Sacer‘ zwischen Signia

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855, S. 311. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische02_1855/321>, abgerufen am 22.11.2024.