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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855.

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bringen er kaum hatte abgehalten werden können. Hauptsäch-
lich seine Sclavenlegionen, namentlich eine Abtheilung Ardyäer
(S. 162), dienten ihm als Schergen und versäumten nicht in
diesen Saturnalien ihrer neuen Freiheit die Häuser ihrer ehema-
ligen Herren zu plündern und was ihnen darin vorkam zu schän-
den und zu morden. Seine eigenen Genossen waren in Verzweif-
lung über dieses wahnsinnige Wüthen; Sertorius beschwor den
Consul um jeden Preis demselben Einhalt zu thun und auch
Cinna war erschrocken. Aber in Zeiten wie diese sind wird der
Wahnsinn selbst eine Macht; man stürzt sich in den Abgrund,
um vor dem Schwindel sich zu retten. Es war nicht leicht dem
rasenden alten Mann und seiner Bande in den Arm zu fallen und
am wenigsten Cinna hatte den Muth dazu; er wählte den Ma-
rius vielmehr für das nächste Jahr zu seinem Collegen im Consu-
lat. Das Schreckensregiment terrorisirte die gemässigteren Sieger
nicht viel weniger als die geschlagene Partei; nur die Capitalisten
waren nicht unzufrieden damit, dass eine fremde Hand sich dazu
herlieh die stolzen Oligarchen einmal gründlich zu demüthigen
und ihnen zugleich in Folge der umfassenden Confiscationen und
Versteigerungen der beste Theil der Beute zufiel -- sie erwarben
in diesen Schreckenszeiten bei dem Volke sich den Beinamen der
,Einsäckler'. Dem Urheber dieses Terrorismus, dem alten Gaius
Marius hatte also das Verhängniss seine beiden höchsten Wün-
sche gewährt. Er hatte Rache genommen an all dieser vorneh-
men Meute, die ihm seine Siege vergällt, seine Niederlagen ver-
giftet hatte; er hatte jeden Nadelstich mit einem Dolchstich ver-
gelten können. Er trat ferner das neue Jahr noch einmal an als
Consul; das Traumbild des siebenten Consulates, das der Ora-
kelspruch ihm zugesichert, nach dem er seit dreizehn Jahren ge-
griffen hatte, war nun wirklich geworden. Was er wünschte, hat-
ten die Götter ihm gewährt; aber auch jetzt noch wie in der al-
ten Sagenzeit übten sie die verhängnissvolle Ironie den Menschen
durch die Erfüllung seiner Wünsche zu verderben. In seinen
ersten Consulaten der Stolz, im sechsten das Gespött seiner Mit-
bürger stand er jetzt im siebenten belastet mit dem Fluche aller
Parteien, mit dem Hass der ganzen Nation; er, der von Haus aus
rechtliche, tüchtige, kernbrave Mann, gebrandmarkt als das wahn-
witzige Oberhaupt einer ruchlosen Räuberbande. Er selbst schien
es zu fühlen. Wie im Taumel vergingen ihm die Tage und des
Nachts versagte ihm seine Lagerstatt die Ruhe, so dass er zum
Becher griff um nur sich zu betäuben. Ein hitziges Fieber ergriff
ihn; nach siebentägigem Krankenlager, in dessen wilden Phan-

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bringen er kaum hatte abgehalten werden können. Hauptsäch-
lich seine Sclavenlegionen, namentlich eine Abtheilung Ardyäer
(S. 162), dienten ihm als Schergen und versäumten nicht in
diesen Saturnalien ihrer neuen Freiheit die Häuser ihrer ehema-
ligen Herren zu plündern und was ihnen darin vorkam zu schän-
den und zu morden. Seine eigenen Genossen waren in Verzweif-
lung über dieses wahnsinnige Wüthen; Sertorius beschwor den
Consul um jeden Preis demselben Einhalt zu thun und auch
Cinna war erschrocken. Aber in Zeiten wie diese sind wird der
Wahnsinn selbst eine Macht; man stürzt sich in den Abgrund,
um vor dem Schwindel sich zu retten. Es war nicht leicht dem
rasenden alten Mann und seiner Bande in den Arm zu fallen und
am wenigsten Cinna hatte den Muth dazu; er wählte den Ma-
rius vielmehr für das nächste Jahr zu seinem Collegen im Consu-
lat. Das Schreckensregiment terrorisirte die gemäſsigteren Sieger
nicht viel weniger als die geschlagene Partei; nur die Capitalisten
waren nicht unzufrieden damit, daſs eine fremde Hand sich dazu
herlieh die stolzen Oligarchen einmal gründlich zu demüthigen
und ihnen zugleich in Folge der umfassenden Confiscationen und
Versteigerungen der beste Theil der Beute zufiel — sie erwarben
in diesen Schreckenszeiten bei dem Volke sich den Beinamen der
‚Einsäckler‘. Dem Urheber dieses Terrorismus, dem alten Gaius
Marius hatte also das Verhängniſs seine beiden höchsten Wün-
sche gewährt. Er hatte Rache genommen an all dieser vorneh-
men Meute, die ihm seine Siege vergällt, seine Niederlagen ver-
giftet hatte; er hatte jeden Nadelstich mit einem Dolchstich ver-
gelten können. Er trat ferner das neue Jahr noch einmal an als
Consul; das Traumbild des siebenten Consulates, das der Ora-
kelspruch ihm zugesichert, nach dem er seit dreizehn Jahren ge-
griffen hatte, war nun wirklich geworden. Was er wünschte, hat-
ten die Götter ihm gewährt; aber auch jetzt noch wie in der al-
ten Sagenzeit übten sie die verhängniſsvolle Ironie den Menschen
durch die Erfüllung seiner Wünsche zu verderben. In seinen
ersten Consulaten der Stolz, im sechsten das Gespött seiner Mit-
bürger stand er jetzt im siebenten belastet mit dem Fluche aller
Parteien, mit dem Haſs der ganzen Nation; er, der von Haus aus
rechtliche, tüchtige, kernbrave Mann, gebrandmarkt als das wahn-
witzige Oberhaupt einer ruchlosen Räuberbande. Er selbst schien
es zu fühlen. Wie im Taumel vergingen ihm die Tage und des
Nachts versagte ihm seine Lagerstatt die Ruhe, so daſs er zum
Becher griff um nur sich zu betäuben. Ein hitziges Fieber ergriff
ihn; nach siebentägigem Krankenlager, in dessen wilden Phan-

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[300/0310] VIERTES BUCH. KAPITEL IX. bringen er kaum hatte abgehalten werden können. Hauptsäch- lich seine Sclavenlegionen, namentlich eine Abtheilung Ardyäer (S. 162), dienten ihm als Schergen und versäumten nicht in diesen Saturnalien ihrer neuen Freiheit die Häuser ihrer ehema- ligen Herren zu plündern und was ihnen darin vorkam zu schän- den und zu morden. Seine eigenen Genossen waren in Verzweif- lung über dieses wahnsinnige Wüthen; Sertorius beschwor den Consul um jeden Preis demselben Einhalt zu thun und auch Cinna war erschrocken. Aber in Zeiten wie diese sind wird der Wahnsinn selbst eine Macht; man stürzt sich in den Abgrund, um vor dem Schwindel sich zu retten. Es war nicht leicht dem rasenden alten Mann und seiner Bande in den Arm zu fallen und am wenigsten Cinna hatte den Muth dazu; er wählte den Ma- rius vielmehr für das nächste Jahr zu seinem Collegen im Consu- lat. Das Schreckensregiment terrorisirte die gemäſsigteren Sieger nicht viel weniger als die geschlagene Partei; nur die Capitalisten waren nicht unzufrieden damit, daſs eine fremde Hand sich dazu herlieh die stolzen Oligarchen einmal gründlich zu demüthigen und ihnen zugleich in Folge der umfassenden Confiscationen und Versteigerungen der beste Theil der Beute zufiel — sie erwarben in diesen Schreckenszeiten bei dem Volke sich den Beinamen der ‚Einsäckler‘. Dem Urheber dieses Terrorismus, dem alten Gaius Marius hatte also das Verhängniſs seine beiden höchsten Wün- sche gewährt. Er hatte Rache genommen an all dieser vorneh- men Meute, die ihm seine Siege vergällt, seine Niederlagen ver- giftet hatte; er hatte jeden Nadelstich mit einem Dolchstich ver- gelten können. Er trat ferner das neue Jahr noch einmal an als Consul; das Traumbild des siebenten Consulates, das der Ora- kelspruch ihm zugesichert, nach dem er seit dreizehn Jahren ge- griffen hatte, war nun wirklich geworden. Was er wünschte, hat- ten die Götter ihm gewährt; aber auch jetzt noch wie in der al- ten Sagenzeit übten sie die verhängniſsvolle Ironie den Menschen durch die Erfüllung seiner Wünsche zu verderben. In seinen ersten Consulaten der Stolz, im sechsten das Gespött seiner Mit- bürger stand er jetzt im siebenten belastet mit dem Fluche aller Parteien, mit dem Haſs der ganzen Nation; er, der von Haus aus rechtliche, tüchtige, kernbrave Mann, gebrandmarkt als das wahn- witzige Oberhaupt einer ruchlosen Räuberbande. Er selbst schien es zu fühlen. Wie im Taumel vergingen ihm die Tage und des Nachts versagte ihm seine Lagerstatt die Ruhe, so daſs er zum Becher griff um nur sich zu betäuben. Ein hitziges Fieber ergriff ihn; nach siebentägigem Krankenlager, in dessen wilden Phan-

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855, S. 300. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische02_1855/310>, abgerufen am 22.11.2024.