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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855.

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CINNA UND SULLA.
unterstützt zeigten sie sich bei der Belagerungsarmee von Nola.
Die Heere dieser Zeit waren demokratisch und revolutionär ge-
sinnt, wo immer der Feldherr nicht durch seine imponirende
Persönlichkeit sie an sich selber fesselte; die Reden der flüchtigen
Beamten, die überdies zum Theil, wie namentlich Cinna und
Sertorius, aus den letzten Feldzügen in gutem Andenken bei den
Soldaten standen, machten tiefen Eindruck; die verfassungswi-
drige Absetzung des popularen Consuls, der Eingriff des Senats
in die Rechte des souveränen Volkes wirkten auf den gemeinen
Mann und den Offizieren machte das Gold des Consuls oder
vielmehr der Neubürger den Verfassungsbruch deutlich. Das
campanische Heer erkannte den Cinna als Consul an und schwor
ihm Mann für Mann den Eid der Treue; es diente als der Kern
um die von den Neubürgern und selbst den bundesgenössischen
Gemeinden herbeiströmenden Schaaren aufzunehmen und zu
formiren; bald bewegte eine ansehnliche, wenn auch meistens aus
Rekruten bestehende Armee sich von Campanien auf die Haupt-
stadt zu. Andere Schwärme nahten ihr von Norden. Auf Cinnas
Einladung waren die das Jahr zuvor Verbannten bei Telamon
an der etruskischen Küste gelandet. Es waren nicht mehr als
etwa 500 Bewaffnete, grösstentheils Sclaven der Flüchtlinge und
angeworbene numidische Reiter; aber Gaius Marius, wie er das
Jahr zuvor mit dem hauptstädtischen Gesinde Gemeinschaft ge-
macht hatte, liess jetzt die Zwinghäuser erbrechen, in denen die
Gutsbesitzer dieser Gegend ihre Feldarbeiter zur Nachtzeit ein-
schlossen, und die Waffen, die er diesen bot um sich die Freiheit
zu erfechten, wurden nicht verschmäht. Durch diese Mannschaft
und die Zuzüge der Neubürger verstärkt zählte er bald 6000 Mann
unter seinen Adlern und konnte vierzig Schiffe bemannen, die sich
vor die Tibermündung legten und auf die nach Rom segelnden
Getreideschiffe Jagd machten. Mit diesen stellte er sich dem
,Consul' Cinna zur Verfügung. Die Führer der campanischen
Armee schwankten; die einsichtigeren, namentlich Sertorius,
warnten ernstlich vor der allzuengen Gemeinschaft mit einem
Manne, der durch seinen Namen an die Spitze der Bewegung
geführt werden musste und doch notorisch ebenso unfähig wie
von wahnsinnigem Rachedurst gepeinigt war; indess Cinna ach-
tete diese Bedenklichkeiten nicht und bestätigte dem Marius den
Oberbefehl in Etrurien und zur See mit proconsularischer Ge-
walt. -- Während also sich das Gewitter um Rom zusammen-
zog, blieben die Heere des Metellus und des Strabo stehen, wo
sie standen. Metellus hatte keine andere Wahl, da er den Sam-

CINNA UND SULLA.
unterstützt zeigten sie sich bei der Belagerungsarmee von Nola.
Die Heere dieser Zeit waren demokratisch und revolutionär ge-
sinnt, wo immer der Feldherr nicht durch seine imponirende
Persönlichkeit sie an sich selber fesselte; die Reden der flüchtigen
Beamten, die überdies zum Theil, wie namentlich Cinna und
Sertorius, aus den letzten Feldzügen in gutem Andenken bei den
Soldaten standen, machten tiefen Eindruck; die verfassungswi-
drige Absetzung des popularen Consuls, der Eingriff des Senats
in die Rechte des souveränen Volkes wirkten auf den gemeinen
Mann und den Offizieren machte das Gold des Consuls oder
vielmehr der Neubürger den Verfassungsbruch deutlich. Das
campanische Heer erkannte den Cinna als Consul an und schwor
ihm Mann für Mann den Eid der Treue; es diente als der Kern
um die von den Neubürgern und selbst den bundesgenössischen
Gemeinden herbeiströmenden Schaaren aufzunehmen und zu
formiren; bald bewegte eine ansehnliche, wenn auch meistens aus
Rekruten bestehende Armee sich von Campanien auf die Haupt-
stadt zu. Andere Schwärme nahten ihr von Norden. Auf Cinnas
Einladung waren die das Jahr zuvor Verbannten bei Telamon
an der etruskischen Küste gelandet. Es waren nicht mehr als
etwa 500 Bewaffnete, gröſstentheils Sclaven der Flüchtlinge und
angeworbene numidische Reiter; aber Gaius Marius, wie er das
Jahr zuvor mit dem hauptstädtischen Gesinde Gemeinschaft ge-
macht hatte, lieſs jetzt die Zwinghäuser erbrechen, in denen die
Gutsbesitzer dieser Gegend ihre Feldarbeiter zur Nachtzeit ein-
schlossen, und die Waffen, die er diesen bot um sich die Freiheit
zu erfechten, wurden nicht verschmäht. Durch diese Mannschaft
und die Zuzüge der Neubürger verstärkt zählte er bald 6000 Mann
unter seinen Adlern und konnte vierzig Schiffe bemannen, die sich
vor die Tibermündung legten und auf die nach Rom segelnden
Getreideschiffe Jagd machten. Mit diesen stellte er sich dem
‚Consul‘ Cinna zur Verfügung. Die Führer der campanischen
Armee schwankten; die einsichtigeren, namentlich Sertorius,
warnten ernstlich vor der allzuengen Gemeinschaft mit einem
Manne, der durch seinen Namen an die Spitze der Bewegung
geführt werden muſste und doch notorisch ebenso unfähig wie
von wahnsinnigem Rachedurst gepeinigt war; indeſs Cinna ach-
tete diese Bedenklichkeiten nicht und bestätigte dem Marius den
Oberbefehl in Etrurien und zur See mit proconsularischer Ge-
walt. — Während also sich das Gewitter um Rom zusammen-
zog, blieben die Heere des Metellus und des Strabo stehen, wo
sie standen. Metellus hatte keine andere Wahl, da er den Sam-

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[295/0305] CINNA UND SULLA. unterstützt zeigten sie sich bei der Belagerungsarmee von Nola. Die Heere dieser Zeit waren demokratisch und revolutionär ge- sinnt, wo immer der Feldherr nicht durch seine imponirende Persönlichkeit sie an sich selber fesselte; die Reden der flüchtigen Beamten, die überdies zum Theil, wie namentlich Cinna und Sertorius, aus den letzten Feldzügen in gutem Andenken bei den Soldaten standen, machten tiefen Eindruck; die verfassungswi- drige Absetzung des popularen Consuls, der Eingriff des Senats in die Rechte des souveränen Volkes wirkten auf den gemeinen Mann und den Offizieren machte das Gold des Consuls oder vielmehr der Neubürger den Verfassungsbruch deutlich. Das campanische Heer erkannte den Cinna als Consul an und schwor ihm Mann für Mann den Eid der Treue; es diente als der Kern um die von den Neubürgern und selbst den bundesgenössischen Gemeinden herbeiströmenden Schaaren aufzunehmen und zu formiren; bald bewegte eine ansehnliche, wenn auch meistens aus Rekruten bestehende Armee sich von Campanien auf die Haupt- stadt zu. Andere Schwärme nahten ihr von Norden. Auf Cinnas Einladung waren die das Jahr zuvor Verbannten bei Telamon an der etruskischen Küste gelandet. Es waren nicht mehr als etwa 500 Bewaffnete, gröſstentheils Sclaven der Flüchtlinge und angeworbene numidische Reiter; aber Gaius Marius, wie er das Jahr zuvor mit dem hauptstädtischen Gesinde Gemeinschaft ge- macht hatte, lieſs jetzt die Zwinghäuser erbrechen, in denen die Gutsbesitzer dieser Gegend ihre Feldarbeiter zur Nachtzeit ein- schlossen, und die Waffen, die er diesen bot um sich die Freiheit zu erfechten, wurden nicht verschmäht. Durch diese Mannschaft und die Zuzüge der Neubürger verstärkt zählte er bald 6000 Mann unter seinen Adlern und konnte vierzig Schiffe bemannen, die sich vor die Tibermündung legten und auf die nach Rom segelnden Getreideschiffe Jagd machten. Mit diesen stellte er sich dem ‚Consul‘ Cinna zur Verfügung. Die Führer der campanischen Armee schwankten; die einsichtigeren, namentlich Sertorius, warnten ernstlich vor der allzuengen Gemeinschaft mit einem Manne, der durch seinen Namen an die Spitze der Bewegung geführt werden muſste und doch notorisch ebenso unfähig wie von wahnsinnigem Rachedurst gepeinigt war; indeſs Cinna ach- tete diese Bedenklichkeiten nicht und bestätigte dem Marius den Oberbefehl in Etrurien und zur See mit proconsularischer Ge- walt. — Während also sich das Gewitter um Rom zusammen- zog, blieben die Heere des Metellus und des Strabo stehen, wo sie standen. Metellus hatte keine andere Wahl, da er den Sam-

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855, S. 295. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische02_1855/305>, abgerufen am 25.11.2024.