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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854.

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DRITTES BUCH. KAPITEL X.
sandten die Boeoter ihm den Stand der Dinge mittheilten, erklärte
jener, dass sich am besten zeigen werde, welche Stadt es mit
Rom halte und welche nicht, wenn jede sich einzeln ihm
gegenüber ausspreche; und darauf hin lief die boeotische Eid-
genossenschaft geradezu aus einander um nie sich wieder zu
vereinigen! Es ist nicht wahr, dass Epaminondas grosser Bau
von den Römern zerstört worden ist; er fiel thatsächlich zu-
sammen, ehe sie daran rührten, und ward also freilich das
Vorspiel für die Auflösung der übrigen noch fester geschlossenen
griechischen Städtebünde*. Mit der Mannschaft der römisch
gesinnten boeotischen Städte belagerte der römische Gesandte
Publius Lentulus Haliartos, noch ehe die römische Flotte im
aegaeischen Meer erschien. -- Chalkis ward mit achaeischer,
die orestische Landschaft mit epeirotischer Mannschaft, die
dassaretischen und illyrischen Castelle an der makedonischen
Westgrenze von den Truppen des Gnaeus Sicinius besetzt und
so wie die Schifffahrt wieder begann, erhielt Larissa eine Be-
satzung von 2000 Mann. Perseus sah dem allen unthätig
zu und hatte keinen Fussbreit Landes ausserhalb seines eige-
nen Gebietes besetzt, als die römischen Legionen im Frühling
oder nach dem officiellen Kalender im Juni 583 an der West-
küste landeten. Es ist zweifelhaft, ob Perseus namhafte Bun-
desgenossen gefunden haben würde, auch wenn er so viel
Energie gezeigt hätte, als er Schlaffheit bewies; dass unter
diesen Umständen er völlig allein blieb und jene weitläuftigen
Propagandaversuche vorläufig wenigstens zu gar nichts führten,
ist in der Ordnung. Karthago, Genthios von Illyrien, Rhodos
und die kleinasiatischen Freistädte, selbst das mit Perseus bis-
her so eng befreundete Byzanz boten den Römern Kriegsschiffe
an, welche diese indess ablehnten; Eumenes machte sein Land-
heer und seine Schiffe mobil; König Ariarathes von Kappadokien
schickte unverlangt Geisseln nach Rom; Perseus Schwager, Kö-
nig Prusias II. von Bithynien blieb neutral; in ganz Griechen-
land rührte sich niemand; König Antiochos IV. von Syrien, im
Curialstil ,der Gott, der glänzende Siegbringer' genannt zur
Unterscheidung von seinem Vater, dem ,Grossen', rührte sich
zwar, aber nur um dem ganz ohnmächtigen Aegypten während
dieses Krieges das syrische Küstenland zu entreissen.

* Die rechtliche Auflösung der boeotischen Eidgenossenschaft erfolgte
übrigens wohl noch nicht jetzt, sondern erst nach der Zerstörung Korinths
(Pausan. 7, 14, 4. 16, 6).

DRITTES BUCH. KAPITEL X.
sandten die Boeoter ihm den Stand der Dinge mittheilten, erklärte
jener, daſs sich am besten zeigen werde, welche Stadt es mit
Rom halte und welche nicht, wenn jede sich einzeln ihm
gegenüber ausspreche; und darauf hin lief die boeotische Eid-
genossenschaft geradezu aus einander um nie sich wieder zu
vereinigen! Es ist nicht wahr, daſs Epaminondas groſser Bau
von den Römern zerstört worden ist; er fiel thatsächlich zu-
sammen, ehe sie daran rührten, und ward also freilich das
Vorspiel für die Auflösung der übrigen noch fester geschlossenen
griechischen Städtebünde*. Mit der Mannschaft der römisch
gesinnten boeotischen Städte belagerte der römische Gesandte
Publius Lentulus Haliartos, noch ehe die römische Flotte im
aegaeischen Meer erschien. — Chalkis ward mit achaeischer,
die orestische Landschaft mit epeirotischer Mannschaft, die
dassaretischen und illyrischen Castelle an der makedonischen
Westgrenze von den Truppen des Gnaeus Sicinius besetzt und
so wie die Schifffahrt wieder begann, erhielt Larissa eine Be-
satzung von 2000 Mann. Perseus sah dem allen unthätig
zu und hatte keinen Fuſsbreit Landes auſserhalb seines eige-
nen Gebietes besetzt, als die römischen Legionen im Frühling
oder nach dem officiellen Kalender im Juni 583 an der West-
küste landeten. Es ist zweifelhaft, ob Perseus namhafte Bun-
desgenossen gefunden haben würde, auch wenn er so viel
Energie gezeigt hätte, als er Schlaffheit bewies; daſs unter
diesen Umständen er völlig allein blieb und jene weitläuftigen
Propagandaversuche vorläufig wenigstens zu gar nichts führten,
ist in der Ordnung. Karthago, Genthios von Illyrien, Rhodos
und die kleinasiatischen Freistädte, selbst das mit Perseus bis-
her so eng befreundete Byzanz boten den Römern Kriegsschiffe
an, welche diese indeſs ablehnten; Eumenes machte sein Land-
heer und seine Schiffe mobil; König Ariarathes von Kappadokien
schickte unverlangt Geiſseln nach Rom; Perseus Schwager, Kö-
nig Prusias II. von Bithynien blieb neutral; in ganz Griechen-
land rührte sich niemand; König Antiochos IV. von Syrien, im
Curialstil ‚der Gott, der glänzende Siegbringer‘ genannt zur
Unterscheidung von seinem Vater, dem ‚Groſsen‘, rührte sich
zwar, aber nur um dem ganz ohnmächtigen Aegypten während
dieses Krieges das syrische Küstenland zu entreiſsen.

* Die rechtliche Auflösung der boeotischen Eidgenossenschaft erfolgte
übrigens wohl noch nicht jetzt, sondern erst nach der Zerstörung Korinths
(Pausan. 7, 14, 4. 16, 6).
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[582/0596] DRITTES BUCH. KAPITEL X. sandten die Boeoter ihm den Stand der Dinge mittheilten, erklärte jener, daſs sich am besten zeigen werde, welche Stadt es mit Rom halte und welche nicht, wenn jede sich einzeln ihm gegenüber ausspreche; und darauf hin lief die boeotische Eid- genossenschaft geradezu aus einander um nie sich wieder zu vereinigen! Es ist nicht wahr, daſs Epaminondas groſser Bau von den Römern zerstört worden ist; er fiel thatsächlich zu- sammen, ehe sie daran rührten, und ward also freilich das Vorspiel für die Auflösung der übrigen noch fester geschlossenen griechischen Städtebünde *. Mit der Mannschaft der römisch gesinnten boeotischen Städte belagerte der römische Gesandte Publius Lentulus Haliartos, noch ehe die römische Flotte im aegaeischen Meer erschien. — Chalkis ward mit achaeischer, die orestische Landschaft mit epeirotischer Mannschaft, die dassaretischen und illyrischen Castelle an der makedonischen Westgrenze von den Truppen des Gnaeus Sicinius besetzt und so wie die Schifffahrt wieder begann, erhielt Larissa eine Be- satzung von 2000 Mann. Perseus sah dem allen unthätig zu und hatte keinen Fuſsbreit Landes auſserhalb seines eige- nen Gebietes besetzt, als die römischen Legionen im Frühling oder nach dem officiellen Kalender im Juni 583 an der West- küste landeten. Es ist zweifelhaft, ob Perseus namhafte Bun- desgenossen gefunden haben würde, auch wenn er so viel Energie gezeigt hätte, als er Schlaffheit bewies; daſs unter diesen Umständen er völlig allein blieb und jene weitläuftigen Propagandaversuche vorläufig wenigstens zu gar nichts führten, ist in der Ordnung. Karthago, Genthios von Illyrien, Rhodos und die kleinasiatischen Freistädte, selbst das mit Perseus bis- her so eng befreundete Byzanz boten den Römern Kriegsschiffe an, welche diese indeſs ablehnten; Eumenes machte sein Land- heer und seine Schiffe mobil; König Ariarathes von Kappadokien schickte unverlangt Geiſseln nach Rom; Perseus Schwager, Kö- nig Prusias II. von Bithynien blieb neutral; in ganz Griechen- land rührte sich niemand; König Antiochos IV. von Syrien, im Curialstil ‚der Gott, der glänzende Siegbringer‘ genannt zur Unterscheidung von seinem Vater, dem ‚Groſsen‘, rührte sich zwar, aber nur um dem ganz ohnmächtigen Aegypten während dieses Krieges das syrische Küstenland zu entreiſsen. * Die rechtliche Auflösung der boeotischen Eidgenossenschaft erfolgte übrigens wohl noch nicht jetzt, sondern erst nach der Zerstörung Korinths (Pausan. 7, 14, 4. 16, 6).

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854, S. 582. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische01_1854/596>, abgerufen am 22.11.2024.