Indess wenn Perseus auch fast allein stand, so war er doch ein nicht verächtlicher Gegner. Sein Heer zählte 43000 Mann, darunter 21000 Phalangiten und 4000 makedonische und thrakische Reiter, der Rest grösstentheils Söldner. Die Ge- sammtmacht der Römer in Griechenland betrug zwischen 30 und 40000 Mann italische Truppen, ausserdem über 10000 Mann numidischen, ligurischen, griechischen, kretischen und besonders pergamenischen Zuzugs. Dazu kam die Flotte, die nur 40 Deckschiffe zählte, da ihr keine feindliche gegenüberstand -- Perseus, dem der Vertrag mit Rom Kriegsschiffe zu bauen ver- boten hatte, richtete erst jetzt Werften ein in Thessalonike -- die aber bis 10000 Mann Truppen führte, da sie hauptsächlich zu Belagerungen bestimmt war. Die Flotte führte Gaius Lu- cretius, das Landheer der Consul Publius Licinius Crassus. Derselbe liess eine starke Abtheilung in Illyrien, um von We- sten aus Makedonien su beunruhigen, während er mit der Hauptmacht wie gewöhnlich von Apollonia nach Thessalien aufbrach. Perseus dachte nicht daran den schwierigen Marsch zu beunruhigen, sondern begnügte sich in Perrhaebien einzu- rücken und die nächsten Festungen zu besetzen. Am Ossa erwartete er den Feind und unweit Larissa erfolgte das erste Gefecht zwischen den beiderseitigen Reitern und leichten Truppen. Die Römer wurden entschieden geschlagen. Kotys mit der thrakischen Reiterei hatte die italische, Perseus mit der makedonischen die griechische geworfen und zersprengt; die Römer hatten 2000 Mann zu Fuss, 200 Reiter an Todten, 600 Reiter an Gefangenen verloren und mussten sich glück- lich schätzen unbehindert den Peneios überschreiten zu kön- nen. Perseus benutzte den Sieg um den Frieden zu erbitten auf dieselben Bedingungen, die Philippos erhalten hatte; sogar dieselbe Summe zu zahlen war er bereit. Die Römer schlu- gen die Forderung ab; sie schlossen nie Frieden nach einer Niederlage und hier hätte derselbe allerdings folgeweise den Verlust Griechenlands nach sich gezogen. Indess anzu- greifen verstand der elende römische Feldherr auch nicht; man zog hin und her in Thessalien, ohne dass etwas von Bedeutung geschah. Perseus konnte die Offensive ergreifen; er sah die Römer schlecht geführt und zaudernd; wie ein Lauffeuer war die Nachricht durch Griechenland gegangen, dass das griechische Heer im ersten Treffen glänzend gesiegt habe -- ein zweiter Sieg konnte zur allgemeinen Insurrection der Patriotenpartei führen und durch die Eröffnung eines Gue-
DER DRITTE MAKEDONISCHE KRIEG.
Indeſs wenn Perseus auch fast allein stand, so war er doch ein nicht verächtlicher Gegner. Sein Heer zählte 43000 Mann, darunter 21000 Phalangiten und 4000 makedonische und thrakische Reiter, der Rest gröſstentheils Söldner. Die Ge- sammtmacht der Römer in Griechenland betrug zwischen 30 und 40000 Mann italische Truppen, auſserdem über 10000 Mann numidischen, ligurischen, griechischen, kretischen und besonders pergamenischen Zuzugs. Dazu kam die Flotte, die nur 40 Deckschiffe zählte, da ihr keine feindliche gegenüberstand — Perseus, dem der Vertrag mit Rom Kriegsschiffe zu bauen ver- boten hatte, richtete erst jetzt Werften ein in Thessalonike — die aber bis 10000 Mann Truppen führte, da sie hauptsächlich zu Belagerungen bestimmt war. Die Flotte führte Gaius Lu- cretius, das Landheer der Consul Publius Licinius Crassus. Derselbe lieſs eine starke Abtheilung in Illyrien, um von We- sten aus Makedonien su beunruhigen, während er mit der Hauptmacht wie gewöhnlich von Apollonia nach Thessalien aufbrach. Perseus dachte nicht daran den schwierigen Marsch zu beunruhigen, sondern begnügte sich in Perrhaebien einzu- rücken und die nächsten Festungen zu besetzen. Am Ossa erwartete er den Feind und unweit Larissa erfolgte das erste Gefecht zwischen den beiderseitigen Reitern und leichten Truppen. Die Römer wurden entschieden geschlagen. Kotys mit der thrakischen Reiterei hatte die italische, Perseus mit der makedonischen die griechische geworfen und zersprengt; die Römer hatten 2000 Mann zu Fuſs, 200 Reiter an Todten, 600 Reiter an Gefangenen verloren und muſsten sich glück- lich schätzen unbehindert den Peneios überschreiten zu kön- nen. Perseus benutzte den Sieg um den Frieden zu erbitten auf dieselben Bedingungen, die Philippos erhalten hatte; sogar dieselbe Summe zu zahlen war er bereit. Die Römer schlu- gen die Forderung ab; sie schlossen nie Frieden nach einer Niederlage und hier hätte derselbe allerdings folgeweise den Verlust Griechenlands nach sich gezogen. Indeſs anzu- greifen verstand der elende römische Feldherr auch nicht; man zog hin und her in Thessalien, ohne daſs etwas von Bedeutung geschah. Perseus konnte die Offensive ergreifen; er sah die Römer schlecht geführt und zaudernd; wie ein Lauffeuer war die Nachricht durch Griechenland gegangen, daſs das griechische Heer im ersten Treffen glänzend gesiegt habe — ein zweiter Sieg konnte zur allgemeinen Insurrection der Patriotenpartei führen und durch die Eröffnung eines Gue-
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DER DRITTE MAKEDONISCHE KRIEG.
Indeſs wenn Perseus auch fast allein stand, so war er doch
ein nicht verächtlicher Gegner. Sein Heer zählte 43000 Mann,
darunter 21000 Phalangiten und 4000 makedonische und
thrakische Reiter, der Rest gröſstentheils Söldner. Die Ge-
sammtmacht der Römer in Griechenland betrug zwischen 30
und 40000 Mann italische Truppen, auſserdem über 10000
Mann numidischen, ligurischen, griechischen, kretischen und
besonders pergamenischen Zuzugs. Dazu kam die Flotte, die
nur 40 Deckschiffe zählte, da ihr keine feindliche gegenüberstand
— Perseus, dem der Vertrag mit Rom Kriegsschiffe zu bauen ver-
boten hatte, richtete erst jetzt Werften ein in Thessalonike —
die aber bis 10000 Mann Truppen führte, da sie hauptsächlich
zu Belagerungen bestimmt war. Die Flotte führte Gaius Lu-
cretius, das Landheer der Consul Publius Licinius Crassus.
Derselbe lieſs eine starke Abtheilung in Illyrien, um von We-
sten aus Makedonien su beunruhigen, während er mit der
Hauptmacht wie gewöhnlich von Apollonia nach Thessalien
aufbrach. Perseus dachte nicht daran den schwierigen Marsch
zu beunruhigen, sondern begnügte sich in Perrhaebien einzu-
rücken und die nächsten Festungen zu besetzen. Am Ossa
erwartete er den Feind und unweit Larissa erfolgte das erste
Gefecht zwischen den beiderseitigen Reitern und leichten
Truppen. Die Römer wurden entschieden geschlagen. Kotys
mit der thrakischen Reiterei hatte die italische, Perseus mit
der makedonischen die griechische geworfen und zersprengt;
die Römer hatten 2000 Mann zu Fuſs, 200 Reiter an Todten,
600 Reiter an Gefangenen verloren und muſsten sich glück-
lich schätzen unbehindert den Peneios überschreiten zu kön-
nen. Perseus benutzte den Sieg um den Frieden zu erbitten
auf dieselben Bedingungen, die Philippos erhalten hatte; sogar
dieselbe Summe zu zahlen war er bereit. Die Römer schlu-
gen die Forderung ab; sie schlossen nie Frieden nach einer
Niederlage und hier hätte derselbe allerdings folgeweise
den Verlust Griechenlands nach sich gezogen. Indeſs anzu-
greifen verstand der elende römische Feldherr auch nicht;
man zog hin und her in Thessalien, ohne daſs etwas von
Bedeutung geschah. Perseus konnte die Offensive ergreifen;
er sah die Römer schlecht geführt und zaudernd; wie ein
Lauffeuer war die Nachricht durch Griechenland gegangen,
daſs das griechische Heer im ersten Treffen glänzend gesiegt
habe — ein zweiter Sieg konnte zur allgemeinen Insurrection
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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854, S. 583. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische01_1854/597>, abgerufen am 22.11.2024.
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