Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854.DER KRIEG GEGEN ANTIOCHOS VON ASIEN. gewesen, so hätte die Schlacht wieder hergestellt können,aber der linke Flügel war zersprengt und der rechte, den Antiochos selber anführte, hatte, die kleine ihm gegenüber- stehende römische Reiterabtheilung vor sich hertreibend, das römische Lager erreicht, wo man des Angriffs sich mit grosser Mühe erwehrte. Darüber fehlten auf der Wahlstatt jetzt im entscheidenden Augenblick die Reiter. Die Römer hüteten sich wohl die Phalanx mit den Legionen anzugreifen, sondern sandten gegen sie die Schützen und Schleuderer, denen in der dichtgedrängten Masse kein Geschoss fehlte. Die Phalanx zog sich nichts destoweniger langsam und geordnet zurück, bis die in den Zwischenräumen stehenden Elephanten scheu wurden und die Glieder zerrissen. Damit löste das ganze Heer in wilder Flucht sich auf; ein Versuch das Lager zu halten misslang und mehrte nur die Zahl der Todten und Gefangenen. Die Schätzung des Verlustes des Antiochos auf 50000 Mann ist bei der grenzenlosen Verwirrung nicht un- glaublich; den Römern, deren Legionen gar nicht zum Schla- gen gekommen waren, kostete der Sieg, der ihnen den dritten Welttheil überlieferte, 24 Reiter und 300 Fusssoldaten. Klein- asien unterwarf sich, selbst Ephesos, von wo der Admiral die Flotte eilig flüchten musste, und die syrische Hauptstadt Sardes. Der König bat um Frieden und nahm die von den Römern nach der Schlacht gestellten Bedingungen, die wie gewöhnlich keine anderen waren als die vor der Schlacht dem König gebotenen, vorläufig an. Bis zu deren Ratification blieb das Heer in Kleinasien auf Kosten des Königs, was ihm auf nicht weniger als 3000 Talente (41/2 Mill. Thlr.) zu stehen kam. Vielleicht niemals ist eine Grossmacht so rasch, so völlig und so schmählich zu Grunde gegangen wie das Se- leukidenreich unter diesem Antiochos dem Grossen. Er selbst ward bald darauf bei der Plünderung des Beltempels in Ely- mais südlich vom kaspischen Meer, mit dessen Schätzen er seine leeren Kassen zu füllen gedachte, von den Einwohnern erschlagen. Es galt nun, nachdem der Sieg erfochten war, die An- DER KRIEG GEGEN ANTIOCHOS VON ASIEN. gewesen, so hätte die Schlacht wieder hergestellt können,aber der linke Flügel war zersprengt und der rechte, den Antiochos selber anführte, hatte, die kleine ihm gegenüber- stehende römische Reiterabtheilung vor sich hertreibend, das römische Lager erreicht, wo man des Angriffs sich mit groſser Mühe erwehrte. Darüber fehlten auf der Wahlstatt jetzt im entscheidenden Augenblick die Reiter. Die Römer hüteten sich wohl die Phalanx mit den Legionen anzugreifen, sondern sandten gegen sie die Schützen und Schleuderer, denen in der dichtgedrängten Masse kein Geschoſs fehlte. Die Phalanx zog sich nichts destoweniger langsam und geordnet zurück, bis die in den Zwischenräumen stehenden Elephanten scheu wurden und die Glieder zerrissen. Damit löste das ganze Heer in wilder Flucht sich auf; ein Versuch das Lager zu halten miſslang und mehrte nur die Zahl der Todten und Gefangenen. Die Schätzung des Verlustes des Antiochos auf 50000 Mann ist bei der grenzenlosen Verwirrung nicht un- glaublich; den Römern, deren Legionen gar nicht zum Schla- gen gekommen waren, kostete der Sieg, der ihnen den dritten Welttheil überlieferte, 24 Reiter und 300 Fuſssoldaten. Klein- asien unterwarf sich, selbst Ephesos, von wo der Admiral die Flotte eilig flüchten muſste, und die syrische Hauptstadt Sardes. Der König bat um Frieden und nahm die von den Römern nach der Schlacht gestellten Bedingungen, die wie gewöhnlich keine anderen waren als die vor der Schlacht dem König gebotenen, vorläufig an. Bis zu deren Ratification blieb das Heer in Kleinasien auf Kosten des Königs, was ihm auf nicht weniger als 3000 Talente (4½ Mill. Thlr.) zu stehen kam. Vielleicht niemals ist eine Groſsmacht so rasch, so völlig und so schmählich zu Grunde gegangen wie das Se- leukidenreich unter diesem Antiochos dem Groſsen. Er selbst ward bald darauf bei der Plünderung des Beltempels in Ely- mais südlich vom kaspischen Meer, mit dessen Schätzen er seine leeren Kassen zu füllen gedachte, von den Einwohnern erschlagen. Es galt nun, nachdem der Sieg erfochten war, die An- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0573" n="559"/><fw place="top" type="header">DER KRIEG GEGEN ANTIOCHOS VON ASIEN.</fw><lb/> gewesen, so hätte die Schlacht wieder hergestellt können,<lb/> aber der linke Flügel war zersprengt und der rechte, den<lb/> Antiochos selber anführte, hatte, die kleine ihm gegenüber-<lb/> stehende römische Reiterabtheilung vor sich hertreibend, das<lb/> römische Lager erreicht, wo man des Angriffs sich mit groſser<lb/> Mühe erwehrte. Darüber fehlten auf der Wahlstatt jetzt im<lb/> entscheidenden Augenblick die Reiter. Die Römer hüteten<lb/> sich wohl die Phalanx mit den Legionen anzugreifen, sondern<lb/> sandten gegen sie die Schützen und Schleuderer, denen in<lb/> der dichtgedrängten Masse kein Geschoſs fehlte. 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DER KRIEG GEGEN ANTIOCHOS VON ASIEN.
gewesen, so hätte die Schlacht wieder hergestellt können,
aber der linke Flügel war zersprengt und der rechte, den
Antiochos selber anführte, hatte, die kleine ihm gegenüber-
stehende römische Reiterabtheilung vor sich hertreibend, das
römische Lager erreicht, wo man des Angriffs sich mit groſser
Mühe erwehrte. Darüber fehlten auf der Wahlstatt jetzt im
entscheidenden Augenblick die Reiter. Die Römer hüteten
sich wohl die Phalanx mit den Legionen anzugreifen, sondern
sandten gegen sie die Schützen und Schleuderer, denen in
der dichtgedrängten Masse kein Geschoſs fehlte. Die Phalanx
zog sich nichts destoweniger langsam und geordnet zurück,
bis die in den Zwischenräumen stehenden Elephanten scheu
wurden und die Glieder zerrissen. Damit löste das ganze
Heer in wilder Flucht sich auf; ein Versuch das Lager zu
halten miſslang und mehrte nur die Zahl der Todten und
Gefangenen. Die Schätzung des Verlustes des Antiochos auf
50000 Mann ist bei der grenzenlosen Verwirrung nicht un-
glaublich; den Römern, deren Legionen gar nicht zum Schla-
gen gekommen waren, kostete der Sieg, der ihnen den dritten
Welttheil überlieferte, 24 Reiter und 300 Fuſssoldaten. Klein-
asien unterwarf sich, selbst Ephesos, von wo der Admiral die
Flotte eilig flüchten muſste, und die syrische Hauptstadt
Sardes. Der König bat um Frieden und nahm die von den
Römern nach der Schlacht gestellten Bedingungen, die wie
gewöhnlich keine anderen waren als die vor der Schlacht dem
König gebotenen, vorläufig an. Bis zu deren Ratification blieb
das Heer in Kleinasien auf Kosten des Königs, was ihm auf
nicht weniger als 3000 Talente (4½ Mill. Thlr.) zu stehen
kam. Vielleicht niemals ist eine Groſsmacht so rasch, so
völlig und so schmählich zu Grunde gegangen wie das Se-
leukidenreich unter diesem Antiochos dem Groſsen. Er selbst
ward bald darauf bei der Plünderung des Beltempels in Ely-
mais südlich vom kaspischen Meer, mit dessen Schätzen er
seine leeren Kassen zu füllen gedachte, von den Einwohnern
erschlagen.
Es galt nun, nachdem der Sieg erfochten war, die An-
gelegenheiten in Kleinasien und in Griechenland zu ordnen.
Dort war Antiochos zwar besiegt, aber seine Verbündeten und
Satrapen im Binnenland, die phrygischen, kappadokischen
und paphlagonischen Dynasten zögerten mit der Unterwerfung
im Vertrauen auf ihre Entfernung, und die kleinasiatischen
Kelten, die nicht eigentlich mit Antiochos im Bunde gestanden
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