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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854.

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DRITTES BUCH. KAPITEL IX.
hatten, sondern ihn nur nach ihrem Brauch in ihrem Lande
hatten Miethstruppen anwerben lassen, fanden sich gleichfalls
nicht veranlasst um die Römer sich zu bekümmern. Dem
neuen römischen Oberfeldherrn Gnaeus Manlius Vulso, der
im Frühjahr 565 den Lucius Scipio in Kleinasien ablöste,
war dies ein erwünschter Vorwand auch seinerseits sich um
sein Vaterland ein Verdienst zu erwerben und die römische
Schutzherrschaft über die Hellenen in Kleinasien eben so
geltend zu machen wie es in Spanien und Gallien geschehen
war; obwohl die strengeren Männer im Senat bei diesem Krieg
sowohl den Grund als den Zweck vermissten. Der Consul
brach von Ephesos auf, brandschatzte die Städte und Fürsten
am obern Maeander und in Pamphylien ohne Ursache wie
ohne Mass und wandte sich darauf nordwärts gegen die Kelten.
Der westlichste Canton derselben, die Tolistobojer, hatte sich
auf den Berg Olympos, der mittlere, die Tectosagen, auf den
Berg Magaba mit Habe und Gut zurückgezogen, in der Hoff-
nung, dass sie sich hier würden vertheidigen können, bis der
Winter die Fremden zum Abzug zwänge. Allein die Geschosse
der römischen Schleuderer und Schützen, die so oft gegen
die damit unbekannten Kelten den Ausschlag gaben fast wie
in neuerer Zeit das Feuergewehr gegen die wilden Völker,
erzwangen die Höhen, und die Kelten unterlagen in einer
jener Schlachten, wie sie gar oft früher und später am Po
und an der Seine geliefert worden sind, die aber hier so seltsam
erscheint wie das ganze Auftreten des nordischen Stammes
unter den griechischen und phrygischen Nationen. Die Zahl
der Erschlagenen und mehr noch die der Gefangenen war an
beiden Stellen ungeheuer. Was übrig blieb rettete sich über
den Halys zu dem dritten keltischen Gau der Trocmer, welche
der Consul nicht beunruhigte, da er es nicht wagte die in
den Präliminarien zwischen Scipio und Antiochos verabredete
Grenze zu überschreiten.

Die Regulirung der kleinasiatischen Verhältnisse erfolgte theils
durch den Frieden mit Antiochos (565), theils durch die Fest-
setzungen einer römischen Commission, der der Consul Vulso vor-
stand. Ausser der Stellung von Geisseln, darunter seines jüngern
gleichnamigen Sohnes, und einer nach dem Mass der Schätze
Asiens bemessenen Kriegscontribution von 15000 euboeischen
Talenten (221/2 Mill. Thlr.), davon der fünfte Theil sogleich, der
Rest in zwölf Jahreszielern entrichtet ward, wurde Antiochos
auferlegt die Abtretung seiner sämmtlichen europäischen Besit-

DRITTES BUCH. KAPITEL IX.
hatten, sondern ihn nur nach ihrem Brauch in ihrem Lande
hatten Miethstruppen anwerben lassen, fanden sich gleichfalls
nicht veranlaſst um die Römer sich zu bekümmern. Dem
neuen römischen Oberfeldherrn Gnaeus Manlius Vulso, der
im Frühjahr 565 den Lucius Scipio in Kleinasien ablöste,
war dies ein erwünschter Vorwand auch seinerseits sich um
sein Vaterland ein Verdienst zu erwerben und die römische
Schutzherrschaft über die Hellenen in Kleinasien eben so
geltend zu machen wie es in Spanien und Gallien geschehen
war; obwohl die strengeren Männer im Senat bei diesem Krieg
sowohl den Grund als den Zweck vermiſsten. Der Consul
brach von Ephesos auf, brandschatzte die Städte und Fürsten
am obern Maeander und in Pamphylien ohne Ursache wie
ohne Maſs und wandte sich darauf nordwärts gegen die Kelten.
Der westlichste Canton derselben, die Tolistobojer, hatte sich
auf den Berg Olympos, der mittlere, die Tectosagen, auf den
Berg Magaba mit Habe und Gut zurückgezogen, in der Hoff-
nung, daſs sie sich hier würden vertheidigen können, bis der
Winter die Fremden zum Abzug zwänge. Allein die Geschosse
der römischen Schleuderer und Schützen, die so oft gegen
die damit unbekannten Kelten den Ausschlag gaben fast wie
in neuerer Zeit das Feuergewehr gegen die wilden Völker,
erzwangen die Höhen, und die Kelten unterlagen in einer
jener Schlachten, wie sie gar oft früher und später am Po
und an der Seine geliefert worden sind, die aber hier so seltsam
erscheint wie das ganze Auftreten des nordischen Stammes
unter den griechischen und phrygischen Nationen. Die Zahl
der Erschlagenen und mehr noch die der Gefangenen war an
beiden Stellen ungeheuer. Was übrig blieb rettete sich über
den Halys zu dem dritten keltischen Gau der Trocmer, welche
der Consul nicht beunruhigte, da er es nicht wagte die in
den Präliminarien zwischen Scipio und Antiochos verabredete
Grenze zu überschreiten.

Die Regulirung der kleinasiatischen Verhältnisse erfolgte theils
durch den Frieden mit Antiochos (565), theils durch die Fest-
setzungen einer römischen Commission, der der Consul Vulso vor-
stand. Auſser der Stellung von Geiſseln, darunter seines jüngern
gleichnamigen Sohnes, und einer nach dem Maſs der Schätze
Asiens bemessenen Kriegscontribution von 15000 euboeischen
Talenten (22½ Mill. Thlr.), davon der fünfte Theil sogleich, der
Rest in zwölf Jahreszielern entrichtet ward, wurde Antiochos
auferlegt die Abtretung seiner sämmtlichen europäischen Besit-

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[560/0574] DRITTES BUCH. KAPITEL IX. hatten, sondern ihn nur nach ihrem Brauch in ihrem Lande hatten Miethstruppen anwerben lassen, fanden sich gleichfalls nicht veranlaſst um die Römer sich zu bekümmern. Dem neuen römischen Oberfeldherrn Gnaeus Manlius Vulso, der im Frühjahr 565 den Lucius Scipio in Kleinasien ablöste, war dies ein erwünschter Vorwand auch seinerseits sich um sein Vaterland ein Verdienst zu erwerben und die römische Schutzherrschaft über die Hellenen in Kleinasien eben so geltend zu machen wie es in Spanien und Gallien geschehen war; obwohl die strengeren Männer im Senat bei diesem Krieg sowohl den Grund als den Zweck vermiſsten. Der Consul brach von Ephesos auf, brandschatzte die Städte und Fürsten am obern Maeander und in Pamphylien ohne Ursache wie ohne Maſs und wandte sich darauf nordwärts gegen die Kelten. Der westlichste Canton derselben, die Tolistobojer, hatte sich auf den Berg Olympos, der mittlere, die Tectosagen, auf den Berg Magaba mit Habe und Gut zurückgezogen, in der Hoff- nung, daſs sie sich hier würden vertheidigen können, bis der Winter die Fremden zum Abzug zwänge. Allein die Geschosse der römischen Schleuderer und Schützen, die so oft gegen die damit unbekannten Kelten den Ausschlag gaben fast wie in neuerer Zeit das Feuergewehr gegen die wilden Völker, erzwangen die Höhen, und die Kelten unterlagen in einer jener Schlachten, wie sie gar oft früher und später am Po und an der Seine geliefert worden sind, die aber hier so seltsam erscheint wie das ganze Auftreten des nordischen Stammes unter den griechischen und phrygischen Nationen. Die Zahl der Erschlagenen und mehr noch die der Gefangenen war an beiden Stellen ungeheuer. Was übrig blieb rettete sich über den Halys zu dem dritten keltischen Gau der Trocmer, welche der Consul nicht beunruhigte, da er es nicht wagte die in den Präliminarien zwischen Scipio und Antiochos verabredete Grenze zu überschreiten. Die Regulirung der kleinasiatischen Verhältnisse erfolgte theils durch den Frieden mit Antiochos (565), theils durch die Fest- setzungen einer römischen Commission, der der Consul Vulso vor- stand. Auſser der Stellung von Geiſseln, darunter seines jüngern gleichnamigen Sohnes, und einer nach dem Maſs der Schätze Asiens bemessenen Kriegscontribution von 15000 euboeischen Talenten (22½ Mill. Thlr.), davon der fünfte Theil sogleich, der Rest in zwölf Jahreszielern entrichtet ward, wurde Antiochos auferlegt die Abtretung seiner sämmtlichen europäischen Besit-

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854, S. 560. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische01_1854/574>, abgerufen am 19.05.2024.