Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854.DRITTES BUCH. KAPITEL IX. Dieses Beginnen war mittelbar gegen die Römer gerichtet,welche von Anfang an Philippos die Bedingung gestellt hatten seine Besatzungen aus Kleinasien wegzuziehen und den Rho- diern und Pergamenern ihr Gebiet, den Freistädten die bis- herige Verfassung ungekränkt zu lassen, und nun hiedurch nichts bewirkten, als dass an Philippos Stelle sich Antiochos derselben bemächtigte. Unmittelbar aber sahen sich Attalos und die Rhodier jetzt von Antiochos durchaus mit derselben Gefahr bedroht, die sie wenige Jahre zuvor zum Kriege gegen Philippos getrieben hatte. Es versteht sich, dass dieselben die Römer nicht minder in diesen Krieg zu verwickeln wünsch- ten als in den eben beendigten. Schon 555/6 hatte Attalos von den Römern militärische Hülfe begehrt gegen Antiochos, der sein Gebiet besetze, während Attalos Truppen in dem römischen Kriege beschäftigt seien. Die energischeren Rhodier erklärten sogar dem König Antiochos, als im Frühjahr 557 dessen Flotte an der kleinasiatischen Küste hinaufsegelte, dass sie die Ueberschreitung der chelidonischen Inseln (an der lykischen Küste) als Kriegserklärung betrachten würden, und als Antiochos sich hieran nicht kehrte, hatten sie, ermuthigt durch die eben eintreffende Kunde von der Schlacht bei Ky- noskephalae, sofort den Krieg begonnen und die wichtigsten karischen Städte Kaunos, Halikarnassos, Myndos, ferner die Insel Samos in der That vor dem König geschützt. Auch von den halbfreien Städten hatten zwar die meisten sich demsel- ben gefügt, allein einige derselben, namentlich die wichtigen Städte Smyrna, Alexandreia Troas und Lampsakos hatten auf dieselbe Kunde von der Ueberwältigung Philipps Muth bekom- men sich dem Syrer zu widersetzen und ihre dringenden Bitten vereinigten sich mit denen der Rhodier. -- Indess die Römer zeigten sich keineswegs bereitwillig hierauf einzugehen und in Asien unmittelbar zu interveniren. Nicht bloss zauderte man, so lange der makedonische Krieg währte, und gab dem Attalos nichts als den Schutz diplomatischer Verwendung, die übrigens zunächst sich wirksam erwies; sondern auch nach dem Siege sprach man es wohl aus, dass die Städte, die Ptolemaeos und Philippos in Händen gehabt, nicht von Antiochos sollten in Besitz genommen werden, und die Freiheit der asiatischen Städte Abydos, Kios, Myrina figurirte in den römischen Acten- stücken, allein man that nicht das Geringste um sie durchzu- setzen; als König Antiochos die gute Gelegenheit des Abzugs der makedonischen Besatzungen benutzte um die seinigen in DRITTES BUCH. KAPITEL IX. Dieses Beginnen war mittelbar gegen die Römer gerichtet,welche von Anfang an Philippos die Bedingung gestellt hatten seine Besatzungen aus Kleinasien wegzuziehen und den Rho- diern und Pergamenern ihr Gebiet, den Freistädten die bis- herige Verfassung ungekränkt zu lassen, und nun hiedurch nichts bewirkten, als daſs an Philippos Stelle sich Antiochos derselben bemächtigte. Unmittelbar aber sahen sich Attalos und die Rhodier jetzt von Antiochos durchaus mit derselben Gefahr bedroht, die sie wenige Jahre zuvor zum Kriege gegen Philippos getrieben hatte. Es versteht sich, daſs dieselben die Römer nicht minder in diesen Krieg zu verwickeln wünsch- ten als in den eben beendigten. Schon 555/6 hatte Attalos von den Römern militärische Hülfe begehrt gegen Antiochos, der sein Gebiet besetze, während Attalos Truppen in dem römischen Kriege beschäftigt seien. Die energischeren Rhodier erklärten sogar dem König Antiochos, als im Frühjahr 557 dessen Flotte an der kleinasiatischen Küste hinaufsegelte, daſs sie die Ueberschreitung der chelidonischen Inseln (an der lykischen Küste) als Kriegserklärung betrachten würden, und als Antiochos sich hieran nicht kehrte, hatten sie, ermuthigt durch die eben eintreffende Kunde von der Schlacht bei Ky- noskephalae, sofort den Krieg begonnen und die wichtigsten karischen Städte Kaunos, Halikarnassos, Myndos, ferner die Insel Samos in der That vor dem König geschützt. Auch von den halbfreien Städten hatten zwar die meisten sich demsel- ben gefügt, allein einige derselben, namentlich die wichtigen Städte Smyrna, Alexandreia Troas und Lampsakos hatten auf dieselbe Kunde von der Ueberwältigung Philipps Muth bekom- men sich dem Syrer zu widersetzen und ihre dringenden Bitten vereinigten sich mit denen der Rhodier. — Indeſs die Römer zeigten sich keineswegs bereitwillig hierauf einzugehen und in Asien unmittelbar zu interveniren. Nicht bloſs zauderte man, so lange der makedonische Krieg währte, und gab dem Attalos nichts als den Schutz diplomatischer Verwendung, die übrigens zunächst sich wirksam erwies; sondern auch nach dem Siege sprach man es wohl aus, daſs die Städte, die Ptolemaeos und Philippos in Händen gehabt, nicht von Antiochos sollten in Besitz genommen werden, und die Freiheit der asiatischen Städte Abydos, Kios, Myrina figurirte in den römischen Acten- stücken, allein man that nicht das Geringste um sie durchzu- setzen; als König Antiochos die gute Gelegenheit des Abzugs der makedonischen Besatzungen benutzte um die seinigen in <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0556" n="542"/><fw place="top" type="header">DRITTES BUCH. 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DRITTES BUCH. KAPITEL IX.
Dieses Beginnen war mittelbar gegen die Römer gerichtet,
welche von Anfang an Philippos die Bedingung gestellt hatten
seine Besatzungen aus Kleinasien wegzuziehen und den Rho-
diern und Pergamenern ihr Gebiet, den Freistädten die bis-
herige Verfassung ungekränkt zu lassen, und nun hiedurch
nichts bewirkten, als daſs an Philippos Stelle sich Antiochos
derselben bemächtigte. Unmittelbar aber sahen sich Attalos
und die Rhodier jetzt von Antiochos durchaus mit derselben
Gefahr bedroht, die sie wenige Jahre zuvor zum Kriege gegen
Philippos getrieben hatte. Es versteht sich, daſs dieselben
die Römer nicht minder in diesen Krieg zu verwickeln wünsch-
ten als in den eben beendigten. Schon 555/6 hatte Attalos
von den Römern militärische Hülfe begehrt gegen Antiochos,
der sein Gebiet besetze, während Attalos Truppen in dem
römischen Kriege beschäftigt seien. Die energischeren Rhodier
erklärten sogar dem König Antiochos, als im Frühjahr 557
dessen Flotte an der kleinasiatischen Küste hinaufsegelte, daſs
sie die Ueberschreitung der chelidonischen Inseln (an der
lykischen Küste) als Kriegserklärung betrachten würden, und
als Antiochos sich hieran nicht kehrte, hatten sie, ermuthigt
durch die eben eintreffende Kunde von der Schlacht bei Ky-
noskephalae, sofort den Krieg begonnen und die wichtigsten
karischen Städte Kaunos, Halikarnassos, Myndos, ferner die
Insel Samos in der That vor dem König geschützt. Auch von
den halbfreien Städten hatten zwar die meisten sich demsel-
ben gefügt, allein einige derselben, namentlich die wichtigen
Städte Smyrna, Alexandreia Troas und Lampsakos hatten auf
dieselbe Kunde von der Ueberwältigung Philipps Muth bekom-
men sich dem Syrer zu widersetzen und ihre dringenden Bitten
vereinigten sich mit denen der Rhodier. — Indeſs die Römer
zeigten sich keineswegs bereitwillig hierauf einzugehen und in
Asien unmittelbar zu interveniren. Nicht bloſs zauderte man,
so lange der makedonische Krieg währte, und gab dem Attalos
nichts als den Schutz diplomatischer Verwendung, die übrigens
zunächst sich wirksam erwies; sondern auch nach dem Siege
sprach man es wohl aus, daſs die Städte, die Ptolemaeos und
Philippos in Händen gehabt, nicht von Antiochos sollten in
Besitz genommen werden, und die Freiheit der asiatischen
Städte Abydos, Kios, Myrina figurirte in den römischen Acten-
stücken, allein man that nicht das Geringste um sie durchzu-
setzen; als König Antiochos die gute Gelegenheit des Abzugs
der makedonischen Besatzungen benutzte um die seinigen in
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