Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854.DER KRIEG GEGEN ANTIOCHOS VON ASIEN. die Städte zu legen, liess man es geschehen. Ja man gingso weit sich selbst dessen Landung in Europa im Frühjahr 558 und sein Einrücken in den thrakischen Chersonesos ge- fallen zu lassen, wo er Sestos und Madytos in Besitz nahm und längere Zeit verwandte auf die Züchtigung der thrakischen Barbaren und die Wiederherstellung des zerstörten Lysima- cheia, das er zu seinem Hauptwaffenplatz und zur Hauptstadt der neu gestifteten Satrapie Thrakien ausersehen hatte. Fla- mininus, in dessen Händen die Leitung dieser Angelegenheiten sich befand, schickte wohl nach Lysimacheia an den König Gesandte, die von der Integrität des ägyptischen Gebiets und von der Freiheit der sämmtlichen Hellenen redeten; allein es kam dabei nichts heraus. Der König redete wiederum von seinen vortrefflichen Rechtstiteln auf das alte von seinem Ahn- herrn Seleukos eroberte Reich des Lysimachos, setzte ausein- ander, dass er nicht beschäftigt sei Land zu erobern, sondern einzig die Integrität seines angestammten Gebiets zu erhalten, und lehnte die römische Vermittlung in dem Streit des Königs mit den ihm unterthänigen Städten in Kleinasien ab. Mit Recht konnte er hinzufügen, dass mit Aegypten bereits Friede geschlossen sei und es den Römern an einem formellen Grund fehle hier zu interveniren * Die plötzliche Heimkehr des Kö- nigs nach Asien, veranlasst durch die falsche Nachricht von dem Tode des jungen Königs von Aegypten, und die dadurch hervorgerufenen Projecte einer Landung auf Kypros oder gar in Alexandreia, veranlasste den Abbruch der Conferenzen, ohne dass man auch nur zu einem Abschluss, geschweige denn zu einem Resultat gekommen wäre. Das folgende Jahr 559 kam der König wieder nach Lysimacheia mit verstärkter Flotte und Armee und beschäftigte sich die neue Satrapie zu ordnen, die er seinem Sohn Seleukos bestimmte; in Ephesos kam Hannibal zu ihm, der von Karthago hatte landflüchtig werden müssen, und der ungemein ehrenvolle Empfang, der ihm zu Theil ward, war so gut wie eine Kriegserklärung gegen Rom. Flamininus liess sich nicht irren; wie sehr selbst jetzt noch die Römer einen Krieg zu vermeiden suchten, zeigt die vollständige Räu- * Das bestimmte Zeugniss des Hieronymus, welcher das Verlöbniss der
syrischen Kleopatra mit Ptolemaeos Epiphanes in das Jahr 556 setzt, in Verbindung mit den Andeutungen bei Livius 33, 40 und Appian Syr. 3 und mit dem wirklichen Vollzug der Vermählung im Jahre 561 setzen es ausser Zweifel, dass die Einmischung der Römer in die ägyptischen Angelegenhei- ten in diesem Fall eine unberufene war. DER KRIEG GEGEN ANTIOCHOS VON ASIEN. die Städte zu legen, lieſs man es geschehen. Ja man gingso weit sich selbst dessen Landung in Europa im Frühjahr 558 und sein Einrücken in den thrakischen Chersonesos ge- fallen zu lassen, wo er Sestos und Madytos in Besitz nahm und längere Zeit verwandte auf die Züchtigung der thrakischen Barbaren und die Wiederherstellung des zerstörten Lysima- cheia, das er zu seinem Hauptwaffenplatz und zur Hauptstadt der neu gestifteten Satrapie Thrakien ausersehen hatte. Fla- mininus, in dessen Händen die Leitung dieser Angelegenheiten sich befand, schickte wohl nach Lysimacheia an den König Gesandte, die von der Integrität des ägyptischen Gebiets und von der Freiheit der sämmtlichen Hellenen redeten; allein es kam dabei nichts heraus. Der König redete wiederum von seinen vortrefflichen Rechtstiteln auf das alte von seinem Ahn- herrn Seleukos eroberte Reich des Lysimachos, setzte ausein- ander, daſs er nicht beschäftigt sei Land zu erobern, sondern einzig die Integrität seines angestammten Gebiets zu erhalten, und lehnte die römische Vermittlung in dem Streit des Königs mit den ihm unterthänigen Städten in Kleinasien ab. Mit Recht konnte er hinzufügen, daſs mit Aegypten bereits Friede geschlossen sei und es den Römern an einem formellen Grund fehle hier zu interveniren * Die plötzliche Heimkehr des Kö- nigs nach Asien, veranlaſst durch die falsche Nachricht von dem Tode des jungen Königs von Aegypten, und die dadurch hervorgerufenen Projecte einer Landung auf Kypros oder gar in Alexandreia, veranlaſste den Abbruch der Conferenzen, ohne daſs man auch nur zu einem Abschluſs, geschweige denn zu einem Resultat gekommen wäre. Das folgende Jahr 559 kam der König wieder nach Lysimacheia mit verstärkter Flotte und Armee und beschäftigte sich die neue Satrapie zu ordnen, die er seinem Sohn Seleukos bestimmte; in Ephesos kam Hannibal zu ihm, der von Karthago hatte landflüchtig werden müssen, und der ungemein ehrenvolle Empfang, der ihm zu Theil ward, war so gut wie eine Kriegserklärung gegen Rom. Flamininus lieſs sich nicht irren; wie sehr selbst jetzt noch die Römer einen Krieg zu vermeiden suchten, zeigt die vollständige Räu- * Das bestimmte Zeugniſs des Hieronymus, welcher das Verlöbniſs der
syrischen Kleopatra mit Ptolemaeos Epiphanes in das Jahr 556 setzt, in Verbindung mit den Andeutungen bei Livius 33, 40 und Appian Syr. 3 und mit dem wirklichen Vollzug der Vermählung im Jahre 561 setzen es auſser Zweifel, daſs die Einmischung der Römer in die ägyptischen Angelegenhei- ten in diesem Fall eine unberufene war. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0557" n="543"/><fw place="top" type="header">DER KRIEG GEGEN ANTIOCHOS VON ASIEN.</fw><lb/> die Städte zu legen, lieſs man es geschehen. Ja man ging<lb/> so weit sich selbst dessen Landung in Europa im Frühjahr<lb/> 558 und sein Einrücken in den thrakischen Chersonesos ge-<lb/> fallen zu lassen, wo er Sestos und Madytos in Besitz nahm<lb/> und längere Zeit verwandte auf die Züchtigung der thrakischen<lb/> Barbaren und die Wiederherstellung des zerstörten Lysima-<lb/> cheia, das er zu seinem Hauptwaffenplatz und zur Hauptstadt<lb/> der neu gestifteten Satrapie Thrakien ausersehen hatte. Fla-<lb/> mininus, in dessen Händen die Leitung dieser Angelegenheiten<lb/> sich befand, schickte wohl nach Lysimacheia an den König<lb/> Gesandte, die von der Integrität des ägyptischen Gebiets und<lb/> von der Freiheit der sämmtlichen Hellenen redeten; allein es<lb/> kam dabei nichts heraus. Der König redete wiederum von<lb/> seinen vortrefflichen Rechtstiteln auf das alte von seinem Ahn-<lb/> herrn Seleukos eroberte Reich des Lysimachos, setzte ausein-<lb/> ander, daſs er nicht beschäftigt sei Land zu erobern, sondern<lb/> einzig die Integrität seines angestammten Gebiets zu erhalten,<lb/> und lehnte die römische Vermittlung in dem Streit des Königs<lb/> mit den ihm unterthänigen Städten in Kleinasien ab. Mit<lb/> Recht konnte er hinzufügen, daſs mit Aegypten bereits Friede<lb/> geschlossen sei und es den Römern an einem formellen Grund<lb/> fehle hier zu interveniren <note place="foot" n="*">Das bestimmte Zeugniſs des Hieronymus, welcher das Verlöbniſs der<lb/> syrischen Kleopatra mit Ptolemaeos Epiphanes in das Jahr 556 setzt, in<lb/> Verbindung mit den Andeutungen bei Livius 33, 40 und Appian Syr. 3 und<lb/> mit dem wirklichen Vollzug der Vermählung im Jahre 561 setzen es auſser<lb/> Zweifel, daſs die Einmischung der Römer in die ägyptischen Angelegenhei-<lb/> ten in diesem Fall eine unberufene war.</note> Die plötzliche Heimkehr des Kö-<lb/> nigs nach Asien, veranlaſst durch die falsche Nachricht von<lb/> dem Tode des jungen Königs von Aegypten, und die dadurch<lb/> hervorgerufenen Projecte einer Landung auf Kypros oder gar<lb/> in Alexandreia, veranlaſste den Abbruch der Conferenzen, ohne<lb/> daſs man auch nur zu einem Abschluſs, geschweige denn zu<lb/> einem Resultat gekommen wäre. Das folgende Jahr 559 kam<lb/> der König wieder nach Lysimacheia mit verstärkter Flotte und<lb/> Armee und beschäftigte sich die neue Satrapie zu ordnen, die<lb/> er seinem Sohn Seleukos bestimmte; in Ephesos kam Hannibal<lb/> zu ihm, der von Karthago hatte landflüchtig werden müssen,<lb/> und der ungemein ehrenvolle Empfang, der ihm zu Theil ward,<lb/> war so gut wie eine Kriegserklärung gegen Rom. Flamininus<lb/> lieſs sich nicht irren; wie sehr selbst jetzt noch die Römer<lb/> einen Krieg zu vermeiden suchten, zeigt die vollständige Räu-<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [543/0557]
DER KRIEG GEGEN ANTIOCHOS VON ASIEN.
die Städte zu legen, lieſs man es geschehen. Ja man ging
so weit sich selbst dessen Landung in Europa im Frühjahr
558 und sein Einrücken in den thrakischen Chersonesos ge-
fallen zu lassen, wo er Sestos und Madytos in Besitz nahm
und längere Zeit verwandte auf die Züchtigung der thrakischen
Barbaren und die Wiederherstellung des zerstörten Lysima-
cheia, das er zu seinem Hauptwaffenplatz und zur Hauptstadt
der neu gestifteten Satrapie Thrakien ausersehen hatte. Fla-
mininus, in dessen Händen die Leitung dieser Angelegenheiten
sich befand, schickte wohl nach Lysimacheia an den König
Gesandte, die von der Integrität des ägyptischen Gebiets und
von der Freiheit der sämmtlichen Hellenen redeten; allein es
kam dabei nichts heraus. Der König redete wiederum von
seinen vortrefflichen Rechtstiteln auf das alte von seinem Ahn-
herrn Seleukos eroberte Reich des Lysimachos, setzte ausein-
ander, daſs er nicht beschäftigt sei Land zu erobern, sondern
einzig die Integrität seines angestammten Gebiets zu erhalten,
und lehnte die römische Vermittlung in dem Streit des Königs
mit den ihm unterthänigen Städten in Kleinasien ab. Mit
Recht konnte er hinzufügen, daſs mit Aegypten bereits Friede
geschlossen sei und es den Römern an einem formellen Grund
fehle hier zu interveniren * Die plötzliche Heimkehr des Kö-
nigs nach Asien, veranlaſst durch die falsche Nachricht von
dem Tode des jungen Königs von Aegypten, und die dadurch
hervorgerufenen Projecte einer Landung auf Kypros oder gar
in Alexandreia, veranlaſste den Abbruch der Conferenzen, ohne
daſs man auch nur zu einem Abschluſs, geschweige denn zu
einem Resultat gekommen wäre. Das folgende Jahr 559 kam
der König wieder nach Lysimacheia mit verstärkter Flotte und
Armee und beschäftigte sich die neue Satrapie zu ordnen, die
er seinem Sohn Seleukos bestimmte; in Ephesos kam Hannibal
zu ihm, der von Karthago hatte landflüchtig werden müssen,
und der ungemein ehrenvolle Empfang, der ihm zu Theil ward,
war so gut wie eine Kriegserklärung gegen Rom. Flamininus
lieſs sich nicht irren; wie sehr selbst jetzt noch die Römer
einen Krieg zu vermeiden suchten, zeigt die vollständige Räu-
* Das bestimmte Zeugniſs des Hieronymus, welcher das Verlöbniſs der
syrischen Kleopatra mit Ptolemaeos Epiphanes in das Jahr 556 setzt, in
Verbindung mit den Andeutungen bei Livius 33, 40 und Appian Syr. 3 und
mit dem wirklichen Vollzug der Vermählung im Jahre 561 setzen es auſser
Zweifel, daſs die Einmischung der Römer in die ägyptischen Angelegenhei-
ten in diesem Fall eine unberufene war.
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