Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854.DER KRIEG GEGEN ANTIOCHOS VON ASIEN. gegen sie mit Philippos gemeinschaftliche Sache machen, wiedie Natur der Sache und der Bündnissvertrag es mit sich brachten. Allein nicht weitsichtig genug um überhaupt die Einmischung der Römer in die Angelegenheiten des Ostens sofort mit aller Energie zurückzuweisen, glaubte Antiochos seinen Vortheil am besten zu wahren, wenn er Philippos leicht vorauszusehende Ueberwältigung durch die Römer dazu nutzte um die Besitzungen Aegyptens, die er mit Philippos hatte theilen wollen, nun sämmtlich für sich zu gewinnen. Der römische Senat, der fest entschlossen war sich um die asia- tischen Angelegenheiten nicht anders als im äussersten Noth- fall zu bekümmern und den Kreis seiner Macht mit den Säulen des Herkules und dem Hellespont zu begrenzen, ging auf die Absichten des Königs ein. Mit der Eroberung des eigentlichen Aegypten, die leichter gesagt als gethan war, mochte es Antiochos selbst nicht recht Ernst sein; dagegen begann er ungestört von den Römern, die trotz ihrer engen Beziehungen zu dem alexandrinischen Hof und ihrem könig- lichen Mündel keineswegs im Sinne hatten wirklich, wie sie sich nannten, dessen ,Beschützer' zu sein, die Eroberung der auswärtigen Besitzungen Aegyptens. Er griff zunächst die kilikischen so wie die syrischen und palästinensischen an. Der grosse Sieg, den er im Jahre 556 am Berge Panion bei den Jordanquellen über den ägyptischen Feldherrn Skopas erfocht, gab ihm nicht bloss den vollständigen Besitz dieses Gebiets bis an die Grenze des eigentlichen Aegypten, sondern schreckte die ägyptischen Vormünder des jungen Königs so sehr, dass dieselben, um Antiochos vom Einrücken in Aegyp- ten abzuhalten, sich zum Frieden bequemten und durch das Verlöbniss ihres Mündels mit der Tochter des Antiochos Kleo- patra den Frieden besiegelten. Nachdem also das nächste Ziel erreicht war, zog Antiochos im folgenden, in dem Jahr der Schlacht von Kynoskephalae, mit einer starken Flotte von 100 Deck- und 100 offnen Schiffen nach Kleinasien, um die ehemals ägyptischen Besitzungen an der Süd- und Westküste Kleinasiens in Besitz zu nehmen -- wahrscheinlich hatte die ägyptische Regierung diese Districte, die factisch in Philippos Händen waren, im Frieden an Antiochos abgetreten und über- haupt auf die sämmtlichen auswärtigen Besitzungen zu Antio- chos Gunsten verzichtet -- und um überhaupt die kleinasia- tischen Griechen wieder zum Reiche zu bringen. Zugleich sammelte sich ein starkes syrisches Landheer in Sardes. DER KRIEG GEGEN ANTIOCHOS VON ASIEN. gegen sie mit Philippos gemeinschaftliche Sache machen, wiedie Natur der Sache und der Bündniſsvertrag es mit sich brachten. Allein nicht weitsichtig genug um überhaupt die Einmischung der Römer in die Angelegenheiten des Ostens sofort mit aller Energie zurückzuweisen, glaubte Antiochos seinen Vortheil am besten zu wahren, wenn er Philippos leicht vorauszusehende Ueberwältigung durch die Römer dazu nutzte um die Besitzungen Aegyptens, die er mit Philippos hatte theilen wollen, nun sämmtlich für sich zu gewinnen. Der römische Senat, der fest entschlossen war sich um die asia- tischen Angelegenheiten nicht anders als im äuſsersten Noth- fall zu bekümmern und den Kreis seiner Macht mit den Säulen des Herkules und dem Hellespont zu begrenzen, ging auf die Absichten des Königs ein. Mit der Eroberung des eigentlichen Aegypten, die leichter gesagt als gethan war, mochte es Antiochos selbst nicht recht Ernst sein; dagegen begann er ungestört von den Römern, die trotz ihrer engen Beziehungen zu dem alexandrinischen Hof und ihrem könig- lichen Mündel keineswegs im Sinne hatten wirklich, wie sie sich nannten, dessen ‚Beschützer‘ zu sein, die Eroberung der auswärtigen Besitzungen Aegyptens. Er griff zunächst die kilikischen so wie die syrischen und palästinensischen an. Der groſse Sieg, den er im Jahre 556 am Berge Panion bei den Jordanquellen über den ägyptischen Feldherrn Skopas erfocht, gab ihm nicht bloſs den vollständigen Besitz dieses Gebiets bis an die Grenze des eigentlichen Aegypten, sondern schreckte die ägyptischen Vormünder des jungen Königs so sehr, daſs dieselben, um Antiochos vom Einrücken in Aegyp- ten abzuhalten, sich zum Frieden bequemten und durch das Verlöbniſs ihres Mündels mit der Tochter des Antiochos Kleo- patra den Frieden besiegelten. Nachdem also das nächste Ziel erreicht war, zog Antiochos im folgenden, in dem Jahr der Schlacht von Kynoskephalae, mit einer starken Flotte von 100 Deck- und 100 offnen Schiffen nach Kleinasien, um die ehemals ägyptischen Besitzungen an der Süd- und Westküste Kleinasiens in Besitz zu nehmen — wahrscheinlich hatte die ägyptische Regierung diese Districte, die factisch in Philippos Händen waren, im Frieden an Antiochos abgetreten und über- haupt auf die sämmtlichen auswärtigen Besitzungen zu Antio- chos Gunsten verzichtet — und um überhaupt die kleinasia- tischen Griechen wieder zum Reiche zu bringen. Zugleich sammelte sich ein starkes syrisches Landheer in Sardes. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0555" n="541"/><fw place="top" type="header">DER KRIEG GEGEN ANTIOCHOS VON ASIEN.</fw><lb/> gegen sie mit Philippos gemeinschaftliche Sache machen, wie<lb/> die Natur der Sache und der Bündniſsvertrag es mit sich<lb/> brachten. 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DER KRIEG GEGEN ANTIOCHOS VON ASIEN.
gegen sie mit Philippos gemeinschaftliche Sache machen, wie
die Natur der Sache und der Bündniſsvertrag es mit sich
brachten. Allein nicht weitsichtig genug um überhaupt die
Einmischung der Römer in die Angelegenheiten des Ostens
sofort mit aller Energie zurückzuweisen, glaubte Antiochos
seinen Vortheil am besten zu wahren, wenn er Philippos leicht
vorauszusehende Ueberwältigung durch die Römer dazu nutzte
um die Besitzungen Aegyptens, die er mit Philippos hatte
theilen wollen, nun sämmtlich für sich zu gewinnen. Der
römische Senat, der fest entschlossen war sich um die asia-
tischen Angelegenheiten nicht anders als im äuſsersten Noth-
fall zu bekümmern und den Kreis seiner Macht mit den
Säulen des Herkules und dem Hellespont zu begrenzen, ging
auf die Absichten des Königs ein. Mit der Eroberung des
eigentlichen Aegypten, die leichter gesagt als gethan war,
mochte es Antiochos selbst nicht recht Ernst sein; dagegen
begann er ungestört von den Römern, die trotz ihrer engen
Beziehungen zu dem alexandrinischen Hof und ihrem könig-
lichen Mündel keineswegs im Sinne hatten wirklich, wie sie
sich nannten, dessen ‚Beschützer‘ zu sein, die Eroberung der
auswärtigen Besitzungen Aegyptens. Er griff zunächst die
kilikischen so wie die syrischen und palästinensischen an.
Der groſse Sieg, den er im Jahre 556 am Berge Panion bei
den Jordanquellen über den ägyptischen Feldherrn Skopas
erfocht, gab ihm nicht bloſs den vollständigen Besitz dieses
Gebiets bis an die Grenze des eigentlichen Aegypten, sondern
schreckte die ägyptischen Vormünder des jungen Königs so
sehr, daſs dieselben, um Antiochos vom Einrücken in Aegyp-
ten abzuhalten, sich zum Frieden bequemten und durch das
Verlöbniſs ihres Mündels mit der Tochter des Antiochos Kleo-
patra den Frieden besiegelten. Nachdem also das nächste
Ziel erreicht war, zog Antiochos im folgenden, in dem Jahr
der Schlacht von Kynoskephalae, mit einer starken Flotte von
100 Deck- und 100 offnen Schiffen nach Kleinasien, um die
ehemals ägyptischen Besitzungen an der Süd- und Westküste
Kleinasiens in Besitz zu nehmen — wahrscheinlich hatte die
ägyptische Regierung diese Districte, die factisch in Philippos
Händen waren, im Frieden an Antiochos abgetreten und über-
haupt auf die sämmtlichen auswärtigen Besitzungen zu Antio-
chos Gunsten verzichtet — und um überhaupt die kleinasia-
tischen Griechen wieder zum Reiche zu bringen. Zugleich
sammelte sich ein starkes syrisches Landheer in Sardes.
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