Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854.DRITTES BUCH. KAPITEL VI. Heer ihm zuzuführen, so hätte man grosse Erfolge hoffendürfen; allein in Italien konnte man eben damals keinen Mann entbehren und das spanische Heer war zu schwach um sich zu theilen. Indess schon Syphax eigene Truppen, ge- schult und geführt von römischen Offizieren, erregten unter den libyschen Unterthanen Karthagos so ernstliche Gährung, dass der stellvertretende Obercommandant von Spanien und Africa Hasdrubal Barkas selbst mit dem Kern der spanischen Truppen nach Africa ging. Es ist von diesem libyschen Krieg wenig mehr überliefert als die Erzählung der grausamen Rache, die Karthago wie es pflegte an den Aufständischen nahm, nachdem der Nebenbuhler des Syphax Gala sich für Karthago erklärt und durch seinen tapfern Sohn Massinissa den Syphax geschlagen und zum Frieden genöthigt hatte. Hasdrubal konnte abermals nach Spanien sich wenden (543), wohin ihm beträchtliche Verstärkungen und Massinissa selbst bald folgten. Die Scipionen, die während der Abwesenheit des feindlichen Oberfeldherrn (541. 542) im karthagischen Gebiet Beute und Propaganda zu machen fortgefahren hatten, sahen sich unerwartet von so überlegenen Streitkräften ange- griffen, dass sie entweder hinter den Ebro zurückweichen oder die Spanier aufbieten mussten. Sie wählten das Letztere und nahmen 20000 Celtiberer in Sold, worauf sie dann, um den drei feindlichen Armeen unter Hasdrubal Barkas, Hasdrubal Gisgons Sohn und Mago besser zu begegnen, ihr Heer theilten. Es wäre vielleicht noch alles gut gegangen, wenn sie nur die römischen Truppen zusammengehalten hätten; allein sie lösten dieselben auf und bereiteten sich damit den Untergang. Wäh- rend Gnaeus mit seinem Corps, einem Drittel der römischen und den sämmtlichen spanischen Truppen, Hasdrubal Barkas gegenüber lagerte, bestimmte dieser ohne Mühe die Spanier im römischen Heer durch eine Summe Geldes zum Abzug, was ihnen nach ihrer Soldatenmoral vielleicht nicht einmal als Treubruch erschien, da sie ja nicht zu den Feinden ihres Soldherren überliefen. Dem römischen Feldherrn blieb nichts übrig als in möglichster Eile seinen Rückzug zu beginnen, wobei der Feind ihm auf dem Fusse folgte. Mittlerweile sah sich das zweite römische Corps unter Publius von den beiden andern punischen Armeen unter Hasdrubal Gisgons Sohn und Mago lebhaft angegriffen und Massinissas kecke Reiterschaaren setzten die Karthager in entschiedenen Vortheil. Schon war das römische Lager fast eingeschlossen; es fehlte nur noch DRITTES BUCH. KAPITEL VI. Heer ihm zuzuführen, so hätte man groſse Erfolge hoffendürfen; allein in Italien konnte man eben damals keinen Mann entbehren und das spanische Heer war zu schwach um sich zu theilen. Indeſs schon Syphax eigene Truppen, ge- schult und geführt von römischen Offizieren, erregten unter den libyschen Unterthanen Karthagos so ernstliche Gährung, daſs der stellvertretende Obercommandant von Spanien und Africa Hasdrubal Barkas selbst mit dem Kern der spanischen Truppen nach Africa ging. Es ist von diesem libyschen Krieg wenig mehr überliefert als die Erzählung der grausamen Rache, die Karthago wie es pflegte an den Aufständischen nahm, nachdem der Nebenbuhler des Syphax Gala sich für Karthago erklärt und durch seinen tapfern Sohn Massinissa den Syphax geschlagen und zum Frieden genöthigt hatte. Hasdrubal konnte abermals nach Spanien sich wenden (543), wohin ihm beträchtliche Verstärkungen und Massinissa selbst bald folgten. Die Scipionen, die während der Abwesenheit des feindlichen Oberfeldherrn (541. 542) im karthagischen Gebiet Beute und Propaganda zu machen fortgefahren hatten, sahen sich unerwartet von so überlegenen Streitkräften ange- griffen, daſs sie entweder hinter den Ebro zurückweichen oder die Spanier aufbieten muſsten. Sie wählten das Letztere und nahmen 20000 Celtiberer in Sold, worauf sie dann, um den drei feindlichen Armeen unter Hasdrubal Barkas, Hasdrubal Gisgons Sohn und Mago besser zu begegnen, ihr Heer theilten. Es wäre vielleicht noch alles gut gegangen, wenn sie nur die römischen Truppen zusammengehalten hätten; allein sie lösten dieselben auf und bereiteten sich damit den Untergang. Wäh- rend Gnaeus mit seinem Corps, einem Drittel der römischen und den sämmtlichen spanischen Truppen, Hasdrubal Barkas gegenüber lagerte, bestimmte dieser ohne Mühe die Spanier im römischen Heer durch eine Summe Geldes zum Abzug, was ihnen nach ihrer Soldatenmoral vielleicht nicht einmal als Treubruch erschien, da sie ja nicht zu den Feinden ihres Soldherren überliefen. Dem römischen Feldherrn blieb nichts übrig als in möglichster Eile seinen Rückzug zu beginnen, wobei der Feind ihm auf dem Fuſse folgte. Mittlerweile sah sich das zweite römische Corps unter Publius von den beiden andern punischen Armeen unter Hasdrubal Gisgons Sohn und Mago lebhaft angegriffen und Massinissas kecke Reiterschaaren setzten die Karthager in entschiedenen Vortheil. Schon war das römische Lager fast eingeschlossen; es fehlte nur noch <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0462" n="448"/><fw place="top" type="header">DRITTES BUCH. KAPITEL VI.</fw><lb/> Heer ihm zuzuführen, so hätte man groſse Erfolge hoffen<lb/> dürfen; allein in Italien konnte man eben damals keinen<lb/> Mann entbehren und das spanische Heer war zu schwach um<lb/> sich zu theilen. Indeſs schon Syphax eigene Truppen, ge-<lb/> schult und geführt von römischen Offizieren, erregten unter<lb/> den libyschen Unterthanen Karthagos so ernstliche Gährung,<lb/> daſs der stellvertretende Obercommandant von Spanien und<lb/> Africa Hasdrubal Barkas selbst mit dem Kern der spanischen<lb/> Truppen nach Africa ging. Es ist von diesem libyschen Krieg<lb/> wenig mehr überliefert als die Erzählung der grausamen<lb/> Rache, die Karthago wie es pflegte an den Aufständischen<lb/> nahm, nachdem der Nebenbuhler des Syphax Gala sich für<lb/> Karthago erklärt und durch seinen tapfern Sohn Massinissa<lb/> den Syphax geschlagen und zum Frieden genöthigt hatte.<lb/> Hasdrubal konnte abermals nach Spanien sich wenden (543),<lb/> wohin ihm beträchtliche Verstärkungen und Massinissa selbst<lb/> bald folgten. Die Scipionen, die während der Abwesenheit<lb/> des feindlichen Oberfeldherrn (541. 542) im karthagischen<lb/> Gebiet Beute und Propaganda zu machen fortgefahren hatten,<lb/> sahen sich unerwartet von so überlegenen Streitkräften ange-<lb/> griffen, daſs sie entweder hinter den Ebro zurückweichen oder<lb/> die Spanier aufbieten muſsten. Sie wählten das Letztere und<lb/> nahmen 20000 Celtiberer in Sold, worauf sie dann, um den<lb/> drei feindlichen Armeen unter Hasdrubal Barkas, Hasdrubal<lb/> Gisgons Sohn und Mago besser zu begegnen, ihr Heer theilten.<lb/> Es wäre vielleicht noch alles gut gegangen, wenn sie nur die<lb/> römischen Truppen zusammengehalten hätten; allein sie lösten<lb/> dieselben auf und bereiteten sich damit den Untergang. Wäh-<lb/> rend Gnaeus mit seinem Corps, einem Drittel der römischen<lb/> und den sämmtlichen spanischen Truppen, Hasdrubal Barkas<lb/> gegenüber lagerte, bestimmte dieser ohne Mühe die Spanier<lb/> im römischen Heer durch eine Summe Geldes zum Abzug,<lb/> was ihnen nach ihrer Soldatenmoral vielleicht nicht einmal<lb/> als Treubruch erschien, da sie ja nicht zu den Feinden ihres<lb/> Soldherren überliefen. Dem römischen Feldherrn blieb nichts<lb/> übrig als in möglichster Eile seinen Rückzug zu beginnen,<lb/> wobei der Feind ihm auf dem Fuſse folgte. Mittlerweile sah<lb/> sich das zweite römische Corps unter Publius von den beiden<lb/> andern punischen Armeen unter Hasdrubal Gisgons Sohn und<lb/> Mago lebhaft angegriffen und Massinissas kecke Reiterschaaren<lb/> setzten die Karthager in entschiedenen Vortheil. Schon war<lb/> das römische Lager fast eingeschlossen; es fehlte nur noch<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [448/0462]
DRITTES BUCH. KAPITEL VI.
Heer ihm zuzuführen, so hätte man groſse Erfolge hoffen
dürfen; allein in Italien konnte man eben damals keinen
Mann entbehren und das spanische Heer war zu schwach um
sich zu theilen. Indeſs schon Syphax eigene Truppen, ge-
schult und geführt von römischen Offizieren, erregten unter
den libyschen Unterthanen Karthagos so ernstliche Gährung,
daſs der stellvertretende Obercommandant von Spanien und
Africa Hasdrubal Barkas selbst mit dem Kern der spanischen
Truppen nach Africa ging. Es ist von diesem libyschen Krieg
wenig mehr überliefert als die Erzählung der grausamen
Rache, die Karthago wie es pflegte an den Aufständischen
nahm, nachdem der Nebenbuhler des Syphax Gala sich für
Karthago erklärt und durch seinen tapfern Sohn Massinissa
den Syphax geschlagen und zum Frieden genöthigt hatte.
Hasdrubal konnte abermals nach Spanien sich wenden (543),
wohin ihm beträchtliche Verstärkungen und Massinissa selbst
bald folgten. Die Scipionen, die während der Abwesenheit
des feindlichen Oberfeldherrn (541. 542) im karthagischen
Gebiet Beute und Propaganda zu machen fortgefahren hatten,
sahen sich unerwartet von so überlegenen Streitkräften ange-
griffen, daſs sie entweder hinter den Ebro zurückweichen oder
die Spanier aufbieten muſsten. Sie wählten das Letztere und
nahmen 20000 Celtiberer in Sold, worauf sie dann, um den
drei feindlichen Armeen unter Hasdrubal Barkas, Hasdrubal
Gisgons Sohn und Mago besser zu begegnen, ihr Heer theilten.
Es wäre vielleicht noch alles gut gegangen, wenn sie nur die
römischen Truppen zusammengehalten hätten; allein sie lösten
dieselben auf und bereiteten sich damit den Untergang. Wäh-
rend Gnaeus mit seinem Corps, einem Drittel der römischen
und den sämmtlichen spanischen Truppen, Hasdrubal Barkas
gegenüber lagerte, bestimmte dieser ohne Mühe die Spanier
im römischen Heer durch eine Summe Geldes zum Abzug,
was ihnen nach ihrer Soldatenmoral vielleicht nicht einmal
als Treubruch erschien, da sie ja nicht zu den Feinden ihres
Soldherren überliefen. Dem römischen Feldherrn blieb nichts
übrig als in möglichster Eile seinen Rückzug zu beginnen,
wobei der Feind ihm auf dem Fuſse folgte. Mittlerweile sah
sich das zweite römische Corps unter Publius von den beiden
andern punischen Armeen unter Hasdrubal Gisgons Sohn und
Mago lebhaft angegriffen und Massinissas kecke Reiterschaaren
setzten die Karthager in entschiedenen Vortheil. Schon war
das römische Lager fast eingeschlossen; es fehlte nur noch
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |