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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854.

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HANNIBALISCHER KRIEG.
gleichgültig gewesen sein, wesshalb von der eigenthümlich
spanischen Zähigkeit im Parteinehmen mit einzelnen Aus-
nahmen, wie Sagunt auf römischer, Astapa auf karthagischer
Seite, in diesem Kriege wenig hervortritt. Dennoch ward der
Krieg von beiden Seiten, da weder die Römer noch die Afri-
caner hinreichende eigene Mannschaft mit sich geführt hatten,
nothwendig zum Propagandakrieg, in dem selten festgegrün-
dete Anhänglichkeit, gewöhnlich Furcht, Geld oder Zufall ent-
schied, und der, wenn er zu Ende schien, sich in einen end-
losen Festungs- und Guerillakrieg auflöste um bald aus der
Asche wieder aufzulodern. Die Armeen wechseln wie die
Dünen am Strand; wo gestern ein Berg stand, findet man
heute seine Spur nicht mehr. Doch ist im Allgemeinen das
Uebergewicht auf Seiten der Römer, theils durch die glück-
liche Wahl ihrer Führer, theils durch den stärkeren Kern
mitgebrachter zuverlässiger Truppen. Bei unserer sehr un-
vollkommenen und namentlich in der Zeitrechnung tiefzerrüt-
teten Ueberlieferung ist es indess nicht wohl möglich von einem
also geführten Kriege eine befriedigende Darstellung zu geben.
-- Die beiden Statthalter der Römer auf der Halbinsel Gnaeus
und Publius Scipio, beide, namentlich Gnaeus gute Generale
und vortreffliche Verwalter, vollzogen ihre Aufgabe mit dem
glänzendsten Erfolg. Nicht bloss war der Riegel der Pyre-
näen durchstehend behauptet und der Versuch die gesprengte
Landverbindung zwischen dem feindlichen Oberfeldherrn und
seinem Hauptquartier wieder herzustellen blutig zurückgewie-
sen worden, sondern es hatten auch die römischen Heere
schon 539 in Andalusien mit Glück gefochten. Der Zug dort-
hin ward das Jahr darauf (540) mit noch grösserem Erfolg
wiederholt; die Römer trugen ihre Waffen fast bis zu den
Säulen des Hercules, breiteten ihre Clientel im südlichen
Spanien aus und sicherten endlich durch die Wiedergewinnung
und Wiederherstellung von Sagunt sich eine wichtige Station
auf der Linie vom Ebro nach Cartagena, indem sie zugleich
eine alte Schuld der Nation so weit möglich bezahlten. Wäh-
rend so die Karthager sich in Spanien bedrängt sahen, wuss-
ten ihnen die Römer im westlichen Africa selbst einen ge-
fährlichen Feind zu erwecken. Von den beiden mächtigen
westafricanischen Fürsten, Gala, der das Gebiet gegen Kar-
thago zu, und Syphax, der das gegen das atlantische Meer hin
beherrschte, trat der letztere mit den Scipionen in Verbin-
dung (um 541). Wäre es möglich gewesen ein römisches

HANNIBALISCHER KRIEG.
gleichgültig gewesen sein, weſshalb von der eigenthümlich
spanischen Zähigkeit im Parteinehmen mit einzelnen Aus-
nahmen, wie Sagunt auf römischer, Astapa auf karthagischer
Seite, in diesem Kriege wenig hervortritt. Dennoch ward der
Krieg von beiden Seiten, da weder die Römer noch die Afri-
caner hinreichende eigene Mannschaft mit sich geführt hatten,
nothwendig zum Propagandakrieg, in dem selten festgegrün-
dete Anhänglichkeit, gewöhnlich Furcht, Geld oder Zufall ent-
schied, und der, wenn er zu Ende schien, sich in einen end-
losen Festungs- und Guerillakrieg auflöste um bald aus der
Asche wieder aufzulodern. Die Armeen wechseln wie die
Dünen am Strand; wo gestern ein Berg stand, findet man
heute seine Spur nicht mehr. Doch ist im Allgemeinen das
Uebergewicht auf Seiten der Römer, theils durch die glück-
liche Wahl ihrer Führer, theils durch den stärkeren Kern
mitgebrachter zuverlässiger Truppen. Bei unserer sehr un-
vollkommenen und namentlich in der Zeitrechnung tiefzerrüt-
teten Ueberlieferung ist es indeſs nicht wohl möglich von einem
also geführten Kriege eine befriedigende Darstellung zu geben.
— Die beiden Statthalter der Römer auf der Halbinsel Gnaeus
und Publius Scipio, beide, namentlich Gnaeus gute Generale
und vortreffliche Verwalter, vollzogen ihre Aufgabe mit dem
glänzendsten Erfolg. Nicht bloſs war der Riegel der Pyre-
näen durchstehend behauptet und der Versuch die gesprengte
Landverbindung zwischen dem feindlichen Oberfeldherrn und
seinem Hauptquartier wieder herzustellen blutig zurückgewie-
sen worden, sondern es hatten auch die römischen Heere
schon 539 in Andalusien mit Glück gefochten. Der Zug dort-
hin ward das Jahr darauf (540) mit noch gröſserem Erfolg
wiederholt; die Römer trugen ihre Waffen fast bis zu den
Säulen des Hercules, breiteten ihre Clientel im südlichen
Spanien aus und sicherten endlich durch die Wiedergewinnung
und Wiederherstellung von Sagunt sich eine wichtige Station
auf der Linie vom Ebro nach Cartagena, indem sie zugleich
eine alte Schuld der Nation so weit möglich bezahlten. Wäh-
rend so die Karthager sich in Spanien bedrängt sahen, wuſs-
ten ihnen die Römer im westlichen Africa selbst einen ge-
fährlichen Feind zu erwecken. Von den beiden mächtigen
westafricanischen Fürsten, Gala, der das Gebiet gegen Kar-
thago zu, und Syphax, der das gegen das atlantische Meer hin
beherrschte, trat der letztere mit den Scipionen in Verbin-
dung (um 541). Wäre es möglich gewesen ein römisches

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[447/0461] HANNIBALISCHER KRIEG. gleichgültig gewesen sein, weſshalb von der eigenthümlich spanischen Zähigkeit im Parteinehmen mit einzelnen Aus- nahmen, wie Sagunt auf römischer, Astapa auf karthagischer Seite, in diesem Kriege wenig hervortritt. Dennoch ward der Krieg von beiden Seiten, da weder die Römer noch die Afri- caner hinreichende eigene Mannschaft mit sich geführt hatten, nothwendig zum Propagandakrieg, in dem selten festgegrün- dete Anhänglichkeit, gewöhnlich Furcht, Geld oder Zufall ent- schied, und der, wenn er zu Ende schien, sich in einen end- losen Festungs- und Guerillakrieg auflöste um bald aus der Asche wieder aufzulodern. Die Armeen wechseln wie die Dünen am Strand; wo gestern ein Berg stand, findet man heute seine Spur nicht mehr. Doch ist im Allgemeinen das Uebergewicht auf Seiten der Römer, theils durch die glück- liche Wahl ihrer Führer, theils durch den stärkeren Kern mitgebrachter zuverlässiger Truppen. Bei unserer sehr un- vollkommenen und namentlich in der Zeitrechnung tiefzerrüt- teten Ueberlieferung ist es indeſs nicht wohl möglich von einem also geführten Kriege eine befriedigende Darstellung zu geben. — Die beiden Statthalter der Römer auf der Halbinsel Gnaeus und Publius Scipio, beide, namentlich Gnaeus gute Generale und vortreffliche Verwalter, vollzogen ihre Aufgabe mit dem glänzendsten Erfolg. Nicht bloſs war der Riegel der Pyre- näen durchstehend behauptet und der Versuch die gesprengte Landverbindung zwischen dem feindlichen Oberfeldherrn und seinem Hauptquartier wieder herzustellen blutig zurückgewie- sen worden, sondern es hatten auch die römischen Heere schon 539 in Andalusien mit Glück gefochten. Der Zug dort- hin ward das Jahr darauf (540) mit noch gröſserem Erfolg wiederholt; die Römer trugen ihre Waffen fast bis zu den Säulen des Hercules, breiteten ihre Clientel im südlichen Spanien aus und sicherten endlich durch die Wiedergewinnung und Wiederherstellung von Sagunt sich eine wichtige Station auf der Linie vom Ebro nach Cartagena, indem sie zugleich eine alte Schuld der Nation so weit möglich bezahlten. Wäh- rend so die Karthager sich in Spanien bedrängt sahen, wuſs- ten ihnen die Römer im westlichen Africa selbst einen ge- fährlichen Feind zu erwecken. Von den beiden mächtigen westafricanischen Fürsten, Gala, der das Gebiet gegen Kar- thago zu, und Syphax, der das gegen das atlantische Meer hin beherrschte, trat der letztere mit den Scipionen in Verbin- dung (um 541). Wäre es möglich gewesen ein römisches

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854, S. 447. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische01_1854/461>, abgerufen am 19.05.2024.