Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854.KOENIG PYRRHOS. nächste Folge von dieser Vereinigung der italischen und sici-lischen Griechen unter eine Hand, dass auch die Gegner sich enger zusammenschlossen. Karthago und Rom verwandelten ihre alten Handelsverträge jetzt in ein Offensiv- und Defensiv- bündniss gegen Pyrrhos (475), dessen Bedingungen dahin lau- teten, dass, wenn Pyrrhos römisches oder karthagisches Gebiet betrete, der nicht angegriffene Theil dem angegriffenen auf dessen Gebiet Zuzug leisten und die Hülfstruppen selbst be- solden solle; dass in solchem Fall Karthago die Transport- schiffe zu stellen und auch mit der Kriegsflotte den Römern beizustehen sich verpflichte, doch solle deren Bemannung nicht gehalten sein zu Lande für die Römer zu fechten; dass endlich beide Staaten sich das Wort gäben keinen Sonder- frieden mit Pyrrhos zu schliessen. Der Zweck des Vertrages war auf römischer Seite einen Angriff auf Tarent möglich zu machen und Pyrrhos von der Heimath abzuschneiden, was ohne Mitwirkung der punischen Flotte nicht ausführbar war; auf Seiten der Karthager den König in Italien festzuhalten, um ihre Absichten auf Syrakus ungestört ins Werk setzen zu können *. Es lag also im Interesse beider Mächte zunächst sich des Meeres zwischen Italien und Sicilien zu versichern. Eine starke karthagische Flotte von 120 Segeln unter dem Admi- ral Mago ging von Ostia, wohin Mago sich begeben zu haben scheint um jenen Vertrag abzuschliessen, nach der sicilischen Meerenge. Die Mamertiner, die für ihre Frevel gegen die griechische Bevölkerung Messanas die gerechte Strafe erwar- tete, wenn Pyrrhos in Sicilien und Italien ans Regiment kam, schlossen sich eng an an die Römer und Karthager und sicher- ten diesen die sicilische Seite des Passes. Gern hätten die Verbündeten auch Rhegion auf der gegenüberliegenden Küste gehabt; allein verzeihen konnte Rom der campanischen Be- satzung unmöglich und ein Versuch der vereinigten Römer und Karthager sich der Stadt mit gewaffneter Hand zu be- mächtigen schlug fehl. Von dort segelte die karthagische Flotte nach Syrakus und blockirte die Stadt von der Seeseite, * Die späteren Römer und mit ihnen die Neueren geben dem Bündniss die Wendung, als hätten die Römer absichtlich vermieden die karthagische Hülfe in Italien anzunehmen. Das wäre unvernünftig gewesen und die That- sachen sprechen dagegen. Dass Mago in Ostia nicht landete, erklärt sich nicht aus solcher Vorsicht, sondern einfach daraus, dass Latium von Pyrrhos ganz und gar nicht bedroht war und karthagischen Beistandes also nicht bedurfte; und vor Rhegion kämpften die Karthager allerdings für Rom. Röm. Gesch. I. 18
KOENIG PYRRHOS. nächste Folge von dieser Vereinigung der italischen und sici-lischen Griechen unter eine Hand, daſs auch die Gegner sich enger zusammenschlossen. Karthago und Rom verwandelten ihre alten Handelsverträge jetzt in ein Offensiv- und Defensiv- bündniſs gegen Pyrrhos (475), dessen Bedingungen dahin lau- teten, daſs, wenn Pyrrhos römisches oder karthagisches Gebiet betrete, der nicht angegriffene Theil dem angegriffenen auf dessen Gebiet Zuzug leisten und die Hülfstruppen selbst be- solden solle; daſs in solchem Fall Karthago die Transport- schiffe zu stellen und auch mit der Kriegsflotte den Römern beizustehen sich verpflichte, doch solle deren Bemannung nicht gehalten sein zu Lande für die Römer zu fechten; daſs endlich beide Staaten sich das Wort gäben keinen Sonder- frieden mit Pyrrhos zu schlieſsen. Der Zweck des Vertrages war auf römischer Seite einen Angriff auf Tarent möglich zu machen und Pyrrhos von der Heimath abzuschneiden, was ohne Mitwirkung der punischen Flotte nicht ausführbar war; auf Seiten der Karthager den König in Italien festzuhalten, um ihre Absichten auf Syrakus ungestört ins Werk setzen zu können *. Es lag also im Interesse beider Mächte zunächst sich des Meeres zwischen Italien und Sicilien zu versichern. Eine starke karthagische Flotte von 120 Segeln unter dem Admi- ral Mago ging von Ostia, wohin Mago sich begeben zu haben scheint um jenen Vertrag abzuschlieſsen, nach der sicilischen Meerenge. Die Mamertiner, die für ihre Frevel gegen die griechische Bevölkerung Messanas die gerechte Strafe erwar- tete, wenn Pyrrhos in Sicilien und Italien ans Regiment kam, schlossen sich eng an an die Römer und Karthager und sicher- ten diesen die sicilische Seite des Passes. Gern hätten die Verbündeten auch Rhegion auf der gegenüberliegenden Küste gehabt; allein verzeihen konnte Rom der campanischen Be- satzung unmöglich und ein Versuch der vereinigten Römer und Karthager sich der Stadt mit gewaffneter Hand zu be- mächtigen schlug fehl. Von dort segelte die karthagische Flotte nach Syrakus und blockirte die Stadt von der Seeseite, * Die späteren Römer und mit ihnen die Neueren geben dem Bündniſs die Wendung, als hätten die Römer absichtlich vermieden die karthagische Hülfe in Italien anzunehmen. Das wäre unvernünftig gewesen und die That- sachen sprechen dagegen. Daſs Mago in Ostia nicht landete, erklärt sich nicht aus solcher Vorsicht, sondern einfach daraus, daſs Latium von Pyrrhos ganz und gar nicht bedroht war und karthagischen Beistandes also nicht bedurfte; und vor Rhegion kämpften die Karthager allerdings für Rom. Röm. Gesch. I. 18
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KOENIG PYRRHOS.
nächste Folge von dieser Vereinigung der italischen und sici-
lischen Griechen unter eine Hand, daſs auch die Gegner sich
enger zusammenschlossen. Karthago und Rom verwandelten
ihre alten Handelsverträge jetzt in ein Offensiv- und Defensiv-
bündniſs gegen Pyrrhos (475), dessen Bedingungen dahin lau-
teten, daſs, wenn Pyrrhos römisches oder karthagisches Gebiet
betrete, der nicht angegriffene Theil dem angegriffenen auf
dessen Gebiet Zuzug leisten und die Hülfstruppen selbst be-
solden solle; daſs in solchem Fall Karthago die Transport-
schiffe zu stellen und auch mit der Kriegsflotte den Römern
beizustehen sich verpflichte, doch solle deren Bemannung
nicht gehalten sein zu Lande für die Römer zu fechten; daſs
endlich beide Staaten sich das Wort gäben keinen Sonder-
frieden mit Pyrrhos zu schlieſsen. Der Zweck des Vertrages
war auf römischer Seite einen Angriff auf Tarent möglich zu
machen und Pyrrhos von der Heimath abzuschneiden, was
ohne Mitwirkung der punischen Flotte nicht ausführbar war; auf
Seiten der Karthager den König in Italien festzuhalten, um ihre
Absichten auf Syrakus ungestört ins Werk setzen zu können *.
Es lag also im Interesse beider Mächte zunächst sich des
Meeres zwischen Italien und Sicilien zu versichern. Eine
starke karthagische Flotte von 120 Segeln unter dem Admi-
ral Mago ging von Ostia, wohin Mago sich begeben zu haben
scheint um jenen Vertrag abzuschlieſsen, nach der sicilischen
Meerenge. Die Mamertiner, die für ihre Frevel gegen die
griechische Bevölkerung Messanas die gerechte Strafe erwar-
tete, wenn Pyrrhos in Sicilien und Italien ans Regiment kam,
schlossen sich eng an an die Römer und Karthager und sicher-
ten diesen die sicilische Seite des Passes. Gern hätten die
Verbündeten auch Rhegion auf der gegenüberliegenden Küste
gehabt; allein verzeihen konnte Rom der campanischen Be-
satzung unmöglich und ein Versuch der vereinigten Römer
und Karthager sich der Stadt mit gewaffneter Hand zu be-
mächtigen schlug fehl. Von dort segelte die karthagische
Flotte nach Syrakus und blockirte die Stadt von der Seeseite,
* Die späteren Römer und mit ihnen die Neueren geben dem Bündniſs
die Wendung, als hätten die Römer absichtlich vermieden die karthagische
Hülfe in Italien anzunehmen. Das wäre unvernünftig gewesen und die That-
sachen sprechen dagegen. Daſs Mago in Ostia nicht landete, erklärt sich
nicht aus solcher Vorsicht, sondern einfach daraus, daſs Latium von Pyrrhos
ganz und gar nicht bedroht war und karthagischen Beistandes also nicht
bedurfte; und vor Rhegion kämpften die Karthager allerdings für Rom.
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