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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854.

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AENDERUNG DER VERFASSUNG.
und gleich absoluter Herren. Die zeitliche Begrenzung ist aus-
nahmlos; die regelmässigen Beamten treten nach einem Jahr,
die ausserordentlichen nach höchstens sechs Monaten vom Amte
ab. Das Princip der Collegialität, das dem Volke versinnlicht
ward durch die Theilung der vierundzwanzig königlichen Lic-
toren unter die beiden Consuln, gilt nur für die ordentlichen
Beamten, von denen das Machtwort eines jeden zwar in der
Regel entschied gleich dem des Königs, aber dennoch durch
das Machtwort des gleichberechtigten Collegen nothwendig,
jedoch durch sich selbst, nicht durch eine controlirende Auto-
rität vernichtet ward. -- Ganz unbeschränkt ging indess doch
die königliche Gewalt nicht über auf die Consuln. Hatte im
Criminalprozess so wie bei Bussen und Leibesstrafen bisher
dem König nicht bloss Untersuchung und Entscheidung der
Sache zugestanden, sondern auch die Entscheidung darüber,
ob der Verurtheilte den Gnadenweg betreten dürfe oder nicht,
so bestimmte jetzt das valerische Gesetz (J. 245 Roms), dass
der Consul der Provocation des Verurtheilten stattgeben
müsse, wenn er auf Todes- oder Leibesstrafe nicht nach
Kriegsrecht erkannt habe; was durch ein späteres Gesetz
(unbestimmter Zeit, aber vor dem Jahre 303 erlassen) auf
schwere Vermögensbussen ausgedehnt ward. Zum Zeichen
dessen legten die consularischen Lictoren, wo der Consul
als Richter, nicht als Feldherr auftrat, die Beile ab, die
sie bisher kraft des ihrem Herrn zustehenden Blutbannes
geführt hatten. Es ist bezeichnend, dass dem Beamten, der
der Provocation nicht ihren Lauf liess, das Gesetz nichts an-
deres drohte als die Infamie, die nach damaligen Verhältnis-
sen im Wesentlichen nichts war als eine sittliche Makel und
höchstens zur Folge hatte, dass das Zeugniss des Ehrlosen
nicht mehr galt. Man drohte nicht mehr, weil man nicht
mehr drohen konnte, ohne der Königsgewalt eine wenn auch
erst nachfolgende Controle zu bestellen und damit ihren Cha-
rakter als der absoluten und unverantwortlichen Machtvoll-
kommenheit zu beschränken; was der Beamte gethan hat,
mag nichtig sein, aber auch für die nichtige Amtshandlung
giebt es keinen Strafrichter. -- Eine in der Tendenz ähnliche
Beschränkung fand statt in der Civilgerichtsbarkeit; denn wahr-
scheinlich gehört die Verwandlung des Rechtes der Beamten,
nach festgestellter Sache einem Privatmann die Untersuchung
des Sachverhalts zu übertragen, in eine Pflicht dieser Epoche
an. Vermuthlich ward dies erreicht durch eine allgemeine

Röm. Gesch. I. 11

AENDERUNG DER VERFASSUNG.
und gleich absoluter Herren. Die zeitliche Begrenzung ist aus-
nahmlos; die regelmäſsigen Beamten treten nach einem Jahr,
die auſserordentlichen nach höchstens sechs Monaten vom Amte
ab. Das Princip der Collegialität, das dem Volke versinnlicht
ward durch die Theilung der vierundzwanzig königlichen Lic-
toren unter die beiden Consuln, gilt nur für die ordentlichen
Beamten, von denen das Machtwort eines jeden zwar in der
Regel entschied gleich dem des Königs, aber dennoch durch
das Machtwort des gleichberechtigten Collegen nothwendig,
jedoch durch sich selbst, nicht durch eine controlirende Auto-
rität vernichtet ward. — Ganz unbeschränkt ging indeſs doch
die königliche Gewalt nicht über auf die Consuln. Hatte im
Criminalprozeſs so wie bei Buſsen und Leibesstrafen bisher
dem König nicht bloſs Untersuchung und Entscheidung der
Sache zugestanden, sondern auch die Entscheidung darüber,
ob der Verurtheilte den Gnadenweg betreten dürfe oder nicht,
so bestimmte jetzt das valerische Gesetz (J. 245 Roms), daſs
der Consul der Provocation des Verurtheilten stattgeben
müsse, wenn er auf Todes- oder Leibesstrafe nicht nach
Kriegsrecht erkannt habe; was durch ein späteres Gesetz
(unbestimmter Zeit, aber vor dem Jahre 303 erlassen) auf
schwere Vermögensbuſsen ausgedehnt ward. Zum Zeichen
dessen legten die consularischen Lictoren, wo der Consul
als Richter, nicht als Feldherr auftrat, die Beile ab, die
sie bisher kraft des ihrem Herrn zustehenden Blutbannes
geführt hatten. Es ist bezeichnend, daſs dem Beamten, der
der Provocation nicht ihren Lauf lieſs, das Gesetz nichts an-
deres drohte als die Infamie, die nach damaligen Verhältnis-
sen im Wesentlichen nichts war als eine sittliche Makel und
höchstens zur Folge hatte, daſs das Zeugniſs des Ehrlosen
nicht mehr galt. Man drohte nicht mehr, weil man nicht
mehr drohen konnte, ohne der Königsgewalt eine wenn auch
erst nachfolgende Controle zu bestellen und damit ihren Cha-
rakter als der absoluten und unverantwortlichen Machtvoll-
kommenheit zu beschränken; was der Beamte gethan hat,
mag nichtig sein, aber auch für die nichtige Amtshandlung
giebt es keinen Strafrichter. — Eine in der Tendenz ähnliche
Beschränkung fand statt in der Civilgerichtsbarkeit; denn wahr-
scheinlich gehört die Verwandlung des Rechtes der Beamten,
nach festgestellter Sache einem Privatmann die Untersuchung
des Sachverhalts zu übertragen, in eine Pflicht dieser Epoche
an. Vermuthlich ward dies erreicht durch eine allgemeine

Röm. Gesch. I. 11
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[161/0175] AENDERUNG DER VERFASSUNG. und gleich absoluter Herren. Die zeitliche Begrenzung ist aus- nahmlos; die regelmäſsigen Beamten treten nach einem Jahr, die auſserordentlichen nach höchstens sechs Monaten vom Amte ab. Das Princip der Collegialität, das dem Volke versinnlicht ward durch die Theilung der vierundzwanzig königlichen Lic- toren unter die beiden Consuln, gilt nur für die ordentlichen Beamten, von denen das Machtwort eines jeden zwar in der Regel entschied gleich dem des Königs, aber dennoch durch das Machtwort des gleichberechtigten Collegen nothwendig, jedoch durch sich selbst, nicht durch eine controlirende Auto- rität vernichtet ward. — Ganz unbeschränkt ging indeſs doch die königliche Gewalt nicht über auf die Consuln. Hatte im Criminalprozeſs so wie bei Buſsen und Leibesstrafen bisher dem König nicht bloſs Untersuchung und Entscheidung der Sache zugestanden, sondern auch die Entscheidung darüber, ob der Verurtheilte den Gnadenweg betreten dürfe oder nicht, so bestimmte jetzt das valerische Gesetz (J. 245 Roms), daſs der Consul der Provocation des Verurtheilten stattgeben müsse, wenn er auf Todes- oder Leibesstrafe nicht nach Kriegsrecht erkannt habe; was durch ein späteres Gesetz (unbestimmter Zeit, aber vor dem Jahre 303 erlassen) auf schwere Vermögensbuſsen ausgedehnt ward. Zum Zeichen dessen legten die consularischen Lictoren, wo der Consul als Richter, nicht als Feldherr auftrat, die Beile ab, die sie bisher kraft des ihrem Herrn zustehenden Blutbannes geführt hatten. Es ist bezeichnend, daſs dem Beamten, der der Provocation nicht ihren Lauf lieſs, das Gesetz nichts an- deres drohte als die Infamie, die nach damaligen Verhältnis- sen im Wesentlichen nichts war als eine sittliche Makel und höchstens zur Folge hatte, daſs das Zeugniſs des Ehrlosen nicht mehr galt. Man drohte nicht mehr, weil man nicht mehr drohen konnte, ohne der Königsgewalt eine wenn auch erst nachfolgende Controle zu bestellen und damit ihren Cha- rakter als der absoluten und unverantwortlichen Machtvoll- kommenheit zu beschränken; was der Beamte gethan hat, mag nichtig sein, aber auch für die nichtige Amtshandlung giebt es keinen Strafrichter. — Eine in der Tendenz ähnliche Beschränkung fand statt in der Civilgerichtsbarkeit; denn wahr- scheinlich gehört die Verwandlung des Rechtes der Beamten, nach festgestellter Sache einem Privatmann die Untersuchung des Sachverhalts zu übertragen, in eine Pflicht dieser Epoche an. Vermuthlich ward dies erreicht durch eine allgemeine Röm. Gesch. I. 11

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854, S. 161. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische01_1854/175>, abgerufen am 22.11.2024.