Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854.

Bild:
<< vorherige Seite

ERSTES BUCH. KAPITEL XIII.
geren etruskischen Gräbern so zahlreich sind und zu andern
Zwecken als zum Gräberschmuck, wie bemerkt, wohl schon in
dieser Epoche eingeführt wurden, während umgekehrt die
tyrrhenischen Erzleuchter und Goldschalen früh in Attika ein
gesuchter Artikel wurden, sondern bestimmter noch die Mün-
zen. Die Silberstücke von Populonia, fast vollwichtige Di-
drachmen nach solonischem Fuss und sehr verwandt den
ältesten syrakusanischen Münzen, ehe dort die leichten Tetra-
drachmen aufkamen, sind nachgeprägt einem uralten einerseits
mit dem Gorgoneion gestempelten, andrerseits bloss mit einem
eingeschlagenen Quadrat versehenen Silberstück, das sich in
Athen und an der alten Bernsteinstrasse im Posenschen ge-
funden hat, und das wahrscheinlich im eigentlichen Griechen-
land geschlagen ist. Dass ausserdem und seit der Entwick-
lung der karthagisch-etruskischen Seeallianz vielleicht vorzugs-
weise die Etrusker mit den Karthagern verkehrten, ward
gleichfalls schon erwähnt; es ist beachtenswerth, dass in den
ältesten Gräbern von Caere ausser einheimischem Bronze- und
Silbergeräth vorwiegend orientalische Waaren sich gefunden
haben, welche allerdings auch von griechischen Kaufleuten
herrühren können, wahrscheinlicher aber doch von punischen
Handelsmännern eingeführt wurden. Indess darf diesem pu-
nischen Verkehr nicht zu viel Bedeutung beigelegt und na-
mentlich nicht übersehen werden, dass das Alphabet wie alle
sonstigen Anregungen und Befruchtungen der einheimischen
Cultur von den Griechen, nicht von den Phöniciern nach
Etrurien gebracht sind. -- Nach einer andern Richtung weist
der latinische Verkehr. So wenig Gelegenheit wir auch haben
Vergleichungen der römischen und der etruskischen Reception
hellenischer Elemente anzustellen, so zeigen sie doch, wo sie
möglich sind, eine vollständige Unabhängigkeit beider von ein-
ander und es lässt sich sogar noch erkennen, dass ein anderer
griechischer Stamm auf die Etrusker, ein anderer auf die La-
tiner einwirkte. Am evidentesten tritt dies hervor im Alpha-
bet; das nach Etrurien gelangte griechische ist wesentlich
verschieden von dem den Latinern mitgetheilten und während
jenes so primitiv ist, dass dessen Heimath sich nicht mehr
ausmachen lässt, zeigt dieses genau die Zeichen und Formen,
deren die chalkidischen und dorischen Colonien Italiens und
Siciliens sich bedienten. Aber auch in einzelnen Wörtern
wiederholt sich dieselbe Erscheinung: der römische Pollux,
der tuskische Pultuke sind selbstständige Corruptionen des

ERSTES BUCH. KAPITEL XIII.
geren etruskischen Gräbern so zahlreich sind und zu andern
Zwecken als zum Gräberschmuck, wie bemerkt, wohl schon in
dieser Epoche eingeführt wurden, während umgekehrt die
tyrrhenischen Erzleuchter und Goldschalen früh in Attika ein
gesuchter Artikel wurden, sondern bestimmter noch die Mün-
zen. Die Silberstücke von Populonia, fast vollwichtige Di-
drachmen nach solonischem Fuſs und sehr verwandt den
ältesten syrakusanischen Münzen, ehe dort die leichten Tetra-
drachmen aufkamen, sind nachgeprägt einem uralten einerseits
mit dem Gorgoneion gestempelten, andrerseits bloſs mit einem
eingeschlagenen Quadrat versehenen Silberstück, das sich in
Athen und an der alten Bernsteinstraſse im Posenschen ge-
funden hat, und das wahrscheinlich im eigentlichen Griechen-
land geschlagen ist. Daſs auſserdem und seit der Entwick-
lung der karthagisch-etruskischen Seeallianz vielleicht vorzugs-
weise die Etrusker mit den Karthagern verkehrten, ward
gleichfalls schon erwähnt; es ist beachtenswerth, daſs in den
ältesten Gräbern von Caere auſser einheimischem Bronze- und
Silbergeräth vorwiegend orientalische Waaren sich gefunden
haben, welche allerdings auch von griechischen Kaufleuten
herrühren können, wahrscheinlicher aber doch von punischen
Handelsmännern eingeführt wurden. Indeſs darf diesem pu-
nischen Verkehr nicht zu viel Bedeutung beigelegt und na-
mentlich nicht übersehen werden, daſs das Alphabet wie alle
sonstigen Anregungen und Befruchtungen der einheimischen
Cultur von den Griechen, nicht von den Phöniciern nach
Etrurien gebracht sind. — Nach einer andern Richtung weist
der latinische Verkehr. So wenig Gelegenheit wir auch haben
Vergleichungen der römischen und der etruskischen Reception
hellenischer Elemente anzustellen, so zeigen sie doch, wo sie
möglich sind, eine vollständige Unabhängigkeit beider von ein-
ander und es läſst sich sogar noch erkennen, daſs ein anderer
griechischer Stamm auf die Etrusker, ein anderer auf die La-
tiner einwirkte. Am evidentesten tritt dies hervor im Alpha-
bet; das nach Etrurien gelangte griechische ist wesentlich
verschieden von dem den Latinern mitgetheilten und während
jenes so primitiv ist, daſs dessen Heimath sich nicht mehr
ausmachen läſst, zeigt dieses genau die Zeichen und Formen,
deren die chalkidischen und dorischen Colonien Italiens und
Siciliens sich bedienten. Aber auch in einzelnen Wörtern
wiederholt sich dieselbe Erscheinung: der römische Pollux,
der tuskische Pultuke sind selbstständige Corruptionen des

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0146" n="132"/><fw place="top" type="header">ERSTES BUCH. KAPITEL XIII.</fw><lb/>
geren etruskischen Gräbern so zahlreich sind und zu andern<lb/>
Zwecken als zum Gräberschmuck, wie bemerkt, wohl schon in<lb/>
dieser Epoche eingeführt wurden, während umgekehrt die<lb/>
tyrrhenischen Erzleuchter und Goldschalen früh in Attika ein<lb/>
gesuchter Artikel wurden, sondern bestimmter noch die Mün-<lb/>
zen. Die Silberstücke von Populonia, fast vollwichtige Di-<lb/>
drachmen nach solonischem Fu&#x017F;s und sehr verwandt den<lb/>
ältesten syrakusanischen Münzen, ehe dort die leichten Tetra-<lb/>
drachmen aufkamen, sind nachgeprägt einem uralten einerseits<lb/>
mit dem Gorgoneion gestempelten, andrerseits blo&#x017F;s mit einem<lb/>
eingeschlagenen Quadrat versehenen Silberstück, das sich in<lb/>
Athen und an der alten Bernsteinstra&#x017F;se im Posenschen ge-<lb/>
funden hat, und das wahrscheinlich im eigentlichen Griechen-<lb/>
land geschlagen ist. Da&#x017F;s au&#x017F;serdem und seit der Entwick-<lb/>
lung der karthagisch-etruskischen Seeallianz vielleicht vorzugs-<lb/>
weise die Etrusker mit den Karthagern verkehrten, ward<lb/>
gleichfalls schon erwähnt; es ist beachtenswerth, da&#x017F;s in den<lb/>
ältesten Gräbern von Caere au&#x017F;ser einheimischem Bronze- und<lb/>
Silbergeräth vorwiegend orientalische Waaren sich gefunden<lb/>
haben, welche allerdings auch von griechischen Kaufleuten<lb/>
herrühren können, wahrscheinlicher aber doch von punischen<lb/>
Handelsmännern eingeführt wurden. Inde&#x017F;s darf diesem pu-<lb/>
nischen Verkehr nicht zu viel Bedeutung beigelegt und na-<lb/>
mentlich nicht übersehen werden, da&#x017F;s das Alphabet wie alle<lb/>
sonstigen Anregungen und Befruchtungen der einheimischen<lb/>
Cultur von den Griechen, nicht von den Phöniciern nach<lb/>
Etrurien gebracht sind. &#x2014; Nach einer andern Richtung weist<lb/>
der latinische Verkehr. So wenig Gelegenheit wir auch haben<lb/>
Vergleichungen der römischen und der etruskischen Reception<lb/>
hellenischer Elemente anzustellen, so zeigen sie doch, wo sie<lb/>
möglich sind, eine vollständige Unabhängigkeit beider von ein-<lb/>
ander und es lä&#x017F;st sich sogar noch erkennen, da&#x017F;s ein anderer<lb/>
griechischer Stamm auf die Etrusker, ein anderer auf die La-<lb/>
tiner einwirkte. Am evidentesten tritt dies hervor im Alpha-<lb/>
bet; das nach Etrurien gelangte griechische ist wesentlich<lb/>
verschieden von dem den Latinern mitgetheilten und während<lb/>
jenes so primitiv ist, da&#x017F;s dessen Heimath sich nicht mehr<lb/>
ausmachen lä&#x017F;st, zeigt dieses genau die Zeichen und Formen,<lb/>
deren die chalkidischen und dorischen Colonien Italiens und<lb/>
Siciliens sich bedienten. Aber auch in einzelnen Wörtern<lb/>
wiederholt sich dieselbe Erscheinung: der römische Pollux,<lb/>
der tuskische Pultuke sind selbstständige Corruptionen des<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[132/0146] ERSTES BUCH. KAPITEL XIII. geren etruskischen Gräbern so zahlreich sind und zu andern Zwecken als zum Gräberschmuck, wie bemerkt, wohl schon in dieser Epoche eingeführt wurden, während umgekehrt die tyrrhenischen Erzleuchter und Goldschalen früh in Attika ein gesuchter Artikel wurden, sondern bestimmter noch die Mün- zen. Die Silberstücke von Populonia, fast vollwichtige Di- drachmen nach solonischem Fuſs und sehr verwandt den ältesten syrakusanischen Münzen, ehe dort die leichten Tetra- drachmen aufkamen, sind nachgeprägt einem uralten einerseits mit dem Gorgoneion gestempelten, andrerseits bloſs mit einem eingeschlagenen Quadrat versehenen Silberstück, das sich in Athen und an der alten Bernsteinstraſse im Posenschen ge- funden hat, und das wahrscheinlich im eigentlichen Griechen- land geschlagen ist. Daſs auſserdem und seit der Entwick- lung der karthagisch-etruskischen Seeallianz vielleicht vorzugs- weise die Etrusker mit den Karthagern verkehrten, ward gleichfalls schon erwähnt; es ist beachtenswerth, daſs in den ältesten Gräbern von Caere auſser einheimischem Bronze- und Silbergeräth vorwiegend orientalische Waaren sich gefunden haben, welche allerdings auch von griechischen Kaufleuten herrühren können, wahrscheinlicher aber doch von punischen Handelsmännern eingeführt wurden. Indeſs darf diesem pu- nischen Verkehr nicht zu viel Bedeutung beigelegt und na- mentlich nicht übersehen werden, daſs das Alphabet wie alle sonstigen Anregungen und Befruchtungen der einheimischen Cultur von den Griechen, nicht von den Phöniciern nach Etrurien gebracht sind. — Nach einer andern Richtung weist der latinische Verkehr. So wenig Gelegenheit wir auch haben Vergleichungen der römischen und der etruskischen Reception hellenischer Elemente anzustellen, so zeigen sie doch, wo sie möglich sind, eine vollständige Unabhängigkeit beider von ein- ander und es läſst sich sogar noch erkennen, daſs ein anderer griechischer Stamm auf die Etrusker, ein anderer auf die La- tiner einwirkte. Am evidentesten tritt dies hervor im Alpha- bet; das nach Etrurien gelangte griechische ist wesentlich verschieden von dem den Latinern mitgetheilten und während jenes so primitiv ist, daſs dessen Heimath sich nicht mehr ausmachen läſst, zeigt dieses genau die Zeichen und Formen, deren die chalkidischen und dorischen Colonien Italiens und Siciliens sich bedienten. Aber auch in einzelnen Wörtern wiederholt sich dieselbe Erscheinung: der römische Pollux, der tuskische Pultuke sind selbstständige Corruptionen des

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische01_1854
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische01_1854/146
Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854, S. 132. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische01_1854/146>, abgerufen am 28.04.2024.