Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854.ERSTES BUCH. KAPITEL XIII. in sehr früher Zeit durch griechischen Einfluss eine mächtigeAnregung empfangen haben, das heisst dass die ältesten Werk- zeuge und die ältesten Muster aus Griechenland gekommen sind. Einfuhrartikel waren ferner andere Schmucksachen und Zierrath, wie zum Beispiel Glas- und Bernsteinperlen, welche letztere freilich auch auf dem Landweg bezogen sein könnten, Strausseneier mit gemalten oder eingeschnitzten Sphinxen und Greifen, und Gefässe von bläulichem Schmelzglas oder grün- lichem Thon, nach Material und Stiel wie nach den einge- drückten Hieroglyphen zu schliessen ägyptischen Ursprungs, in jene Grabkammern mit eingelegt waren; ferner Salben, wie die dort gefundenen Salbgefässe von orientalischem Alabaster -- darunter mehrere als Isis geformte -- zeigen; Purpur, Elfenbein und Weihrauch, wie deren uralte Lehnnamen (pur- pura = porphuas; scipio = skipon, skeptron, auch wohl ebur = elephas; thus = to thuos) anzeigen. Ob das Zu- sammentreffen der Namen für Oel (oleum = elaion), Wein (vinum = oinos), Flachs (linum = linon) aus der alten Stamm- und Sprachgleichheit sich erklärt oder ob auch diese Bezeichnungen im Lateinischen den Griechen entlehnt sind, lässt sich schwer entscheiden; sicher aber sind Spuren des Verkehrs die auf die Mahlzeiten sich beziehenden Wörter amphora neben amphoreus und die Kuchennamen lucuns glukous, placenta plakous, turunda turous, wo die charak- teristische Bildung aus dem Accusativ Beachtung verdient. Während diese Wörter aus Griechenland nach Rom gewandert sind, hat das lateinische patina als patane im sikelischen Griechisch Aufnahme gefunden. Der barbarische Charakter, den all diese Verstümmelungen tragen, ist der schlagendste Beweis ihres hohen Alters, wie denn auch das purpurne Kö- nigsgewand und der Gebrauch des Weihrauchs beim Opfer in ganz Italien seit der ältesten Zeit verbreitet gefunden wird. Auch das attische und kerkyraeische Luxusgeschirr wird früh von den Italikern gekauft worden sein, wenn gleich die Sitte den Todten solche Gefässe mitzugeben erst in der folgenden Periode aufgekommen zu sein scheint. -- Wenn sonach das älteste Italien so gut wie das kaiserliche Rom seine Luxus- waaren aus dem Osten bezog, bevor es nach den von dort empfangenen Mustern selbst zu fabriciren versuchte, so hatte es zum Austausch nichts zu bieten als seine Rohpro- ducte, also vor allen Dingen sein Kupfer, Silber und Eisen, dann Sclaven und Schiffsbauholz, den Bernstein von der Ostsee ERSTES BUCH. KAPITEL XIII. in sehr früher Zeit durch griechischen Einfluſs eine mächtigeAnregung empfangen haben, das heiſst daſs die ältesten Werk- zeuge und die ältesten Muster aus Griechenland gekommen sind. Einfuhrartikel waren ferner andere Schmucksachen und Zierrath, wie zum Beispiel Glas- und Bernsteinperlen, welche letztere freilich auch auf dem Landweg bezogen sein könnten, Strauſseneier mit gemalten oder eingeschnitzten Sphinxen und Greifen, und Gefäſse von bläulichem Schmelzglas oder grün- lichem Thon, nach Material und Stiel wie nach den einge- drückten Hieroglyphen zu schlieſsen ägyptischen Ursprungs, in jene Grabkammern mit eingelegt waren; ferner Salben, wie die dort gefundenen Salbgefäſse von orientalischem Alabaster — darunter mehrere als Isis geformte — zeigen; Purpur, Elfenbein und Weihrauch, wie deren uralte Lehnnamen (pur- pura = ποϱφύας; scipio = σϰίπων, σϰῆπτϱον, auch wohl ebur = ἐλέφας; thus = τὸ ϑύος) anzeigen. Ob das Zu- sammentreffen der Namen für Oel (oleum = ἔλαιον), Wein (vinum = οἶνος), Flachs (linum = λίνον) aus der alten Stamm- und Sprachgleichheit sich erklärt oder ob auch diese Bezeichnungen im Lateinischen den Griechen entlehnt sind, läſst sich schwer entscheiden; sicher aber sind Spuren des Verkehrs die auf die Mahlzeiten sich beziehenden Wörter amphora neben ἀμφοϱεύς und die Kuchennamen lucuns γλυϰοῦς, placenta πλαϰοῦς, turunda τυϱοῦς, wo die charak- teristische Bildung aus dem Accusativ Beachtung verdient. Während diese Wörter aus Griechenland nach Rom gewandert sind, hat das lateinische patina als πατάνη im sikelischen Griechisch Aufnahme gefunden. Der barbarische Charakter, den all diese Verstümmelungen tragen, ist der schlagendste Beweis ihres hohen Alters, wie denn auch das purpurne Kö- nigsgewand und der Gebrauch des Weihrauchs beim Opfer in ganz Italien seit der ältesten Zeit verbreitet gefunden wird. Auch das attische und kerkyraeische Luxusgeschirr wird früh von den Italikern gekauft worden sein, wenn gleich die Sitte den Todten solche Gefäſse mitzugeben erst in der folgenden Periode aufgekommen zu sein scheint. — Wenn sonach das älteste Italien so gut wie das kaiserliche Rom seine Luxus- waaren aus dem Osten bezog, bevor es nach den von dort empfangenen Mustern selbst zu fabriciren versuchte, so hatte es zum Austausch nichts zu bieten als seine Rohpro- ducte, also vor allen Dingen sein Kupfer, Silber und Eisen, dann Sclaven und Schiffsbauholz, den Bernstein von der Ostsee <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0144" n="130"/><fw place="top" type="header">ERSTES BUCH. KAPITEL XIII.</fw><lb/> in sehr früher Zeit durch griechischen Einfluſs eine mächtige<lb/> Anregung empfangen haben, das heiſst daſs die ältesten Werk-<lb/> zeuge und die ältesten Muster aus Griechenland gekommen<lb/> sind. 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ERSTES BUCH. KAPITEL XIII.
in sehr früher Zeit durch griechischen Einfluſs eine mächtige
Anregung empfangen haben, das heiſst daſs die ältesten Werk-
zeuge und die ältesten Muster aus Griechenland gekommen
sind. Einfuhrartikel waren ferner andere Schmucksachen und
Zierrath, wie zum Beispiel Glas- und Bernsteinperlen, welche
letztere freilich auch auf dem Landweg bezogen sein könnten,
Strauſseneier mit gemalten oder eingeschnitzten Sphinxen und
Greifen, und Gefäſse von bläulichem Schmelzglas oder grün-
lichem Thon, nach Material und Stiel wie nach den einge-
drückten Hieroglyphen zu schlieſsen ägyptischen Ursprungs,
in jene Grabkammern mit eingelegt waren; ferner Salben, wie
die dort gefundenen Salbgefäſse von orientalischem Alabaster
— darunter mehrere als Isis geformte — zeigen; Purpur,
Elfenbein und Weihrauch, wie deren uralte Lehnnamen (pur-
pura = ποϱφύας; scipio = σϰίπων, σϰῆπτϱον, auch wohl
ebur = ἐλέφας; thus = τὸ ϑύος) anzeigen. Ob das Zu-
sammentreffen der Namen für Oel (oleum = ἔλαιον), Wein
(vinum = οἶνος), Flachs (linum = λίνον) aus der alten
Stamm- und Sprachgleichheit sich erklärt oder ob auch diese
Bezeichnungen im Lateinischen den Griechen entlehnt sind,
läſst sich schwer entscheiden; sicher aber sind Spuren des
Verkehrs die auf die Mahlzeiten sich beziehenden Wörter
amphora neben ἀμφοϱεύς und die Kuchennamen lucuns
γλυϰοῦς, placenta πλαϰοῦς, turunda τυϱοῦς, wo die charak-
teristische Bildung aus dem Accusativ Beachtung verdient.
Während diese Wörter aus Griechenland nach Rom gewandert
sind, hat das lateinische patina als πατάνη im sikelischen
Griechisch Aufnahme gefunden. Der barbarische Charakter,
den all diese Verstümmelungen tragen, ist der schlagendste
Beweis ihres hohen Alters, wie denn auch das purpurne Kö-
nigsgewand und der Gebrauch des Weihrauchs beim Opfer in
ganz Italien seit der ältesten Zeit verbreitet gefunden wird.
Auch das attische und kerkyraeische Luxusgeschirr wird früh
von den Italikern gekauft worden sein, wenn gleich die Sitte
den Todten solche Gefäſse mitzugeben erst in der folgenden
Periode aufgekommen zu sein scheint. — Wenn sonach das
älteste Italien so gut wie das kaiserliche Rom seine Luxus-
waaren aus dem Osten bezog, bevor es nach den von
dort empfangenen Mustern selbst zu fabriciren versuchte, so
hatte es zum Austausch nichts zu bieten als seine Rohpro-
ducte, also vor allen Dingen sein Kupfer, Silber und Eisen,
dann Sclaven und Schiffsbauholz, den Bernstein von der Ostsee
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