ren des sich noch selbst überlassenen Internationalverkehrs der italischen Völker vorliegen.
In welcher Art der griechische und der punische Verkehr auf die unabhängig gebliebenen Italiker einwirkte, wurde im Allgemeinen schon früher bezeichnet. Fast ganz unberührt von ihm blieben die sabellischen Stämme, die nur einen ge- ringen und unwirthlichen Küstensaum inne hatten und was ihnen von den fremden Nationen zukam, wie zum Beispiel das Alphabet, nur durch tuskische oder latinische Vermittlung empfingen; woher denn auch der Mangel städtischer Entwick- lung bei ihnen rührt. Auch Tarents Verkehr mit den Apulern und Messapiern scheint in dieser Epoche noch gering gewesen zu sein. Anders an der Westküste, wo in Campanien Griechen und Italiker friedlich neben einander wohnten, in Latium und noch mehr in Etrurien ein ausgedehnter und regelmässiger Waarentausch stattfand. Was die ältesten Einfuhrartikel waren, lässt sich theils aus den Fundstücken schliessen, die uralte caeritische Gräber ergeben haben, theils aus Spuren, die in der Sprache und den Institutionen der Römer bewahrt sind, theils und vorzugsweise aus den Anregungen, die das italische Gewerbe empfing; denn natürlich kaufte man längere Zeit die fremden Manufacte, ehe man sie nachzuahmen begann. Wir können zwar nicht die Grenze bestimmen, welche die Handwerke vor der Scheidung der Stämme und dann in der Periode erreichten, wo Italien sich selbst überlassen war; es mag dahin gestellt bleiben, in wie weit die italischen Walker, Färber, Gerber und Töpfer von Griechenland oder Phönicien aus den Anstoss empfangen oder selbstständig sich entwickelt haben. Aber sicher kann das Gewerk der Goldschmiede, das seit unvordenklicher Zeit in Rom bestand, nicht aufgekommen sein, bevor der überseeische Handel begonnen und in einiger Ausdehnung Goldschmuck unter den Bewohnern der Halbinsel vertrieben hatte. So finden wir denn auch in den ältesten Grabkammern von Caere und Vulci Goldplatten mit eingestem- pelten geflügelten Löwen und ähnlichen Ornamenten babyloni- scher Fabrik. Es mag über das einzelne Fundstück gestritten werden, ob es vom Ausland eingeführt oder einheimische Nachahmung ist; im Ganzen leidet es keinen Zweifel, dass in ältester Zeit an der ganzen Westküste Metallwaaren vom Osten her eingeführt wurden. Es wird sich später, wo von der Kunst die Rede sein wird, noch deutlicher zeigen, dass die Architektur wie die Plastik in Thon und Metall daselbst
Röm. Gesch. I. 9
ACKERBAU, GEWERBE UND HANDEL.
ren des sich noch selbst überlassenen Internationalverkehrs der italischen Völker vorliegen.
In welcher Art der griechische und der punische Verkehr auf die unabhängig gebliebenen Italiker einwirkte, wurde im Allgemeinen schon früher bezeichnet. Fast ganz unberührt von ihm blieben die sabellischen Stämme, die nur einen ge- ringen und unwirthlichen Küstensaum inne hatten und was ihnen von den fremden Nationen zukam, wie zum Beispiel das Alphabet, nur durch tuskische oder latinische Vermittlung empfingen; woher denn auch der Mangel städtischer Entwick- lung bei ihnen rührt. Auch Tarents Verkehr mit den Apulern und Messapiern scheint in dieser Epoche noch gering gewesen zu sein. Anders an der Westküste, wo in Campanien Griechen und Italiker friedlich neben einander wohnten, in Latium und noch mehr in Etrurien ein ausgedehnter und regelmäſsiger Waarentausch stattfand. Was die ältesten Einfuhrartikel waren, läſst sich theils aus den Fundstücken schlieſsen, die uralte caeritische Gräber ergeben haben, theils aus Spuren, die in der Sprache und den Institutionen der Römer bewahrt sind, theils und vorzugsweise aus den Anregungen, die das italische Gewerbe empfing; denn natürlich kaufte man längere Zeit die fremden Manufacte, ehe man sie nachzuahmen begann. Wir können zwar nicht die Grenze bestimmen, welche die Handwerke vor der Scheidung der Stämme und dann in der Periode erreichten, wo Italien sich selbst überlassen war; es mag dahin gestellt bleiben, in wie weit die italischen Walker, Färber, Gerber und Töpfer von Griechenland oder Phönicien aus den Anstoſs empfangen oder selbstständig sich entwickelt haben. Aber sicher kann das Gewerk der Goldschmiede, das seit unvordenklicher Zeit in Rom bestand, nicht aufgekommen sein, bevor der überseeische Handel begonnen und in einiger Ausdehnung Goldschmuck unter den Bewohnern der Halbinsel vertrieben hatte. So finden wir denn auch in den ältesten Grabkammern von Caere und Vulci Goldplatten mit eingestem- pelten geflügelten Löwen und ähnlichen Ornamenten babyloni- scher Fabrik. Es mag über das einzelne Fundstück gestritten werden, ob es vom Ausland eingeführt oder einheimische Nachahmung ist; im Ganzen leidet es keinen Zweifel, daſs in ältester Zeit an der ganzen Westküste Metallwaaren vom Osten her eingeführt wurden. Es wird sich später, wo von der Kunst die Rede sein wird, noch deutlicher zeigen, daſs die Architektur wie die Plastik in Thon und Metall daselbst
Röm. Gesch. I. 9
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ACKERBAU, GEWERBE UND HANDEL.
ren des sich noch selbst überlassenen Internationalverkehrs
der italischen Völker vorliegen.
In welcher Art der griechische und der punische Verkehr
auf die unabhängig gebliebenen Italiker einwirkte, wurde im
Allgemeinen schon früher bezeichnet. Fast ganz unberührt
von ihm blieben die sabellischen Stämme, die nur einen ge-
ringen und unwirthlichen Küstensaum inne hatten und was
ihnen von den fremden Nationen zukam, wie zum Beispiel
das Alphabet, nur durch tuskische oder latinische Vermittlung
empfingen; woher denn auch der Mangel städtischer Entwick-
lung bei ihnen rührt. Auch Tarents Verkehr mit den Apulern
und Messapiern scheint in dieser Epoche noch gering gewesen
zu sein. Anders an der Westküste, wo in Campanien Griechen
und Italiker friedlich neben einander wohnten, in Latium und
noch mehr in Etrurien ein ausgedehnter und regelmäſsiger
Waarentausch stattfand. Was die ältesten Einfuhrartikel waren,
läſst sich theils aus den Fundstücken schlieſsen, die uralte
caeritische Gräber ergeben haben, theils aus Spuren, die in
der Sprache und den Institutionen der Römer bewahrt sind,
theils und vorzugsweise aus den Anregungen, die das italische
Gewerbe empfing; denn natürlich kaufte man längere Zeit
die fremden Manufacte, ehe man sie nachzuahmen begann.
Wir können zwar nicht die Grenze bestimmen, welche die
Handwerke vor der Scheidung der Stämme und dann in der
Periode erreichten, wo Italien sich selbst überlassen war; es
mag dahin gestellt bleiben, in wie weit die italischen Walker,
Färber, Gerber und Töpfer von Griechenland oder Phönicien
aus den Anstoſs empfangen oder selbstständig sich entwickelt
haben. Aber sicher kann das Gewerk der Goldschmiede, das
seit unvordenklicher Zeit in Rom bestand, nicht aufgekommen
sein, bevor der überseeische Handel begonnen und in einiger
Ausdehnung Goldschmuck unter den Bewohnern der Halbinsel
vertrieben hatte. So finden wir denn auch in den ältesten
Grabkammern von Caere und Vulci Goldplatten mit eingestem-
pelten geflügelten Löwen und ähnlichen Ornamenten babyloni-
scher Fabrik. Es mag über das einzelne Fundstück gestritten
werden, ob es vom Ausland eingeführt oder einheimische
Nachahmung ist; im Ganzen leidet es keinen Zweifel, daſs in
ältester Zeit an der ganzen Westküste Metallwaaren vom Osten
her eingeführt wurden. Es wird sich später, wo von der
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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854, S. 129. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische01_1854/143>, abgerufen am 24.11.2024.
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