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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854.

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ERSTES BUCH. KAPITEL XIII.
denzen noch dagegen angewandter Schutzmittel -- freilich
sind über keine Seite des römischen Volkslebens die Nach-
richten so völlig versiegt wie über die Gewerke.

Dass der italische Handel sich in der ältesten Epoche auf den
Verkehr der Italiker unter einander beschränkt hat, versteht sich
von selbst. Das hohe Alter der römischen Messen (mercatus),
die wohl zu unterscheiden sind von den gewöhnlichen Wochen-
märkten (nundinae), beweist die sehr früh, nämlich vor dem
Abkommen des k, dafür in der römischen Schrift festgestellte
Abkürzung; sie mögen sich ursprünglich nicht, wie es später
üblich war, an die Spiele angeschlossen haben, sondern stan-
den wohl in Verbindung mit der Festfeier in dem Bundes-
tempel auf dem Aventin, wozu jedes Jahr am 13. August die
Latiner nach Rom kamen und diese Gelegenheit zugleich be-
nutzten zu Erledigung der Prozesse und zum Einkauf ihres
Bedarfs. Aehnliche und vielleicht noch grössere Bedeutung
hatte für Etrurien die jährliche Landesversammlung am Tem-
pel der Voltumna (vielleicht bei Montefiascone) im Gebiet von
Volsinii, welche zugleich als Messe diente und auch von rö-
mischen Kaufleuten regelmässig besucht ward. Aber die be-
deutendste unter allen italischen Messen war die, welche am
Soracte im Hain der Feronia abgehalten ward, in einer Lage,
wie sie nicht günstiger zu finden war für den Waarentausch
unter den drei grossen Nationen. Der hohe einzeln stehende
Berg, der wie von der Natur selbst mitten in die Tiberebene
den Wanderern zum Ziel hingestellt erscheint, liegt an der
Grenzscheide der etruskischen und sabinischen Landschaft, zu
welcher letzteren er meistens gehört zu haben scheint, und
ist auch von Latium und Umbrien aus mit Leichtigkeit zu
erreichen; regelmässig erschienen hier die römischen Kauf-
leute und Verletzungen derselben führten manchen Hader mit
den Sabinern herbei. -- Ohne Zweifel handelte und tauschte
man auf diesen Messen lange bevor das erste griechische oder
phoenikische Schiff in die Westsee eingefahren war; man half
sich aus mit Korn und Wein und das kupferarme Latium
bezog hier seinen Bedarf von den reichen Metallschätzen
Etruriens, wofür man gewöhnlich wohl mit Sclaven bezahlte,
deren uralter Export auf das rechte Tiberufer schon erwähnt
ist. Dieser vorhellenischen Epoche des italischen Verkehrs
dürfte, wie später zu zeigen sein wird, die Feststellung der
Zahlzeichen italischer Erfindung und des italischen Duodecimal-
systems angehören und in diesen Bildungen die ältesten Spu-

ERSTES BUCH. KAPITEL XIII.
denzen noch dagegen angewandter Schutzmittel — freilich
sind über keine Seite des römischen Volkslebens die Nach-
richten so völlig versiegt wie über die Gewerke.

Daſs der italische Handel sich in der ältesten Epoche auf den
Verkehr der Italiker unter einander beschränkt hat, versteht sich
von selbst. Das hohe Alter der römischen Messen (mercatus),
die wohl zu unterscheiden sind von den gewöhnlichen Wochen-
märkten (nundinae), beweist die sehr früh, nämlich vor dem
Abkommen des k, dafür in der römischen Schrift festgestellte
Abkürzung; sie mögen sich ursprünglich nicht, wie es später
üblich war, an die Spiele angeschlossen haben, sondern stan-
den wohl in Verbindung mit der Festfeier in dem Bundes-
tempel auf dem Aventin, wozu jedes Jahr am 13. August die
Latiner nach Rom kamen und diese Gelegenheit zugleich be-
nutzten zu Erledigung der Prozesse und zum Einkauf ihres
Bedarfs. Aehnliche und vielleicht noch gröſsere Bedeutung
hatte für Etrurien die jährliche Landesversammlung am Tem-
pel der Voltumna (vielleicht bei Montefiascone) im Gebiet von
Volsinii, welche zugleich als Messe diente und auch von rö-
mischen Kaufleuten regelmäſsig besucht ward. Aber die be-
deutendste unter allen italischen Messen war die, welche am
Soracte im Hain der Feronia abgehalten ward, in einer Lage,
wie sie nicht günstiger zu finden war für den Waarentausch
unter den drei groſsen Nationen. Der hohe einzeln stehende
Berg, der wie von der Natur selbst mitten in die Tiberebene
den Wanderern zum Ziel hingestellt erscheint, liegt an der
Grenzscheide der etruskischen und sabinischen Landschaft, zu
welcher letzteren er meistens gehört zu haben scheint, und
ist auch von Latium und Umbrien aus mit Leichtigkeit zu
erreichen; regelmäſsig erschienen hier die römischen Kauf-
leute und Verletzungen derselben führten manchen Hader mit
den Sabinern herbei. — Ohne Zweifel handelte und tauschte
man auf diesen Messen lange bevor das erste griechische oder
phoenikische Schiff in die Westsee eingefahren war; man half
sich aus mit Korn und Wein und das kupferarme Latium
bezog hier seinen Bedarf von den reichen Metallschätzen
Etruriens, wofür man gewöhnlich wohl mit Sclaven bezahlte,
deren uralter Export auf das rechte Tiberufer schon erwähnt
ist. Dieser vorhellenischen Epoche des italischen Verkehrs
dürfte, wie später zu zeigen sein wird, die Feststellung der
Zahlzeichen italischer Erfindung und des italischen Duodecimal-
systems angehören und in diesen Bildungen die ältesten Spu-

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[128/0142] ERSTES BUCH. KAPITEL XIII. denzen noch dagegen angewandter Schutzmittel — freilich sind über keine Seite des römischen Volkslebens die Nach- richten so völlig versiegt wie über die Gewerke. Daſs der italische Handel sich in der ältesten Epoche auf den Verkehr der Italiker unter einander beschränkt hat, versteht sich von selbst. Das hohe Alter der römischen Messen (mercatus), die wohl zu unterscheiden sind von den gewöhnlichen Wochen- märkten (nundinae), beweist die sehr früh, nämlich vor dem Abkommen des k, dafür in der römischen Schrift festgestellte Abkürzung; sie mögen sich ursprünglich nicht, wie es später üblich war, an die Spiele angeschlossen haben, sondern stan- den wohl in Verbindung mit der Festfeier in dem Bundes- tempel auf dem Aventin, wozu jedes Jahr am 13. August die Latiner nach Rom kamen und diese Gelegenheit zugleich be- nutzten zu Erledigung der Prozesse und zum Einkauf ihres Bedarfs. Aehnliche und vielleicht noch gröſsere Bedeutung hatte für Etrurien die jährliche Landesversammlung am Tem- pel der Voltumna (vielleicht bei Montefiascone) im Gebiet von Volsinii, welche zugleich als Messe diente und auch von rö- mischen Kaufleuten regelmäſsig besucht ward. Aber die be- deutendste unter allen italischen Messen war die, welche am Soracte im Hain der Feronia abgehalten ward, in einer Lage, wie sie nicht günstiger zu finden war für den Waarentausch unter den drei groſsen Nationen. Der hohe einzeln stehende Berg, der wie von der Natur selbst mitten in die Tiberebene den Wanderern zum Ziel hingestellt erscheint, liegt an der Grenzscheide der etruskischen und sabinischen Landschaft, zu welcher letzteren er meistens gehört zu haben scheint, und ist auch von Latium und Umbrien aus mit Leichtigkeit zu erreichen; regelmäſsig erschienen hier die römischen Kauf- leute und Verletzungen derselben führten manchen Hader mit den Sabinern herbei. — Ohne Zweifel handelte und tauschte man auf diesen Messen lange bevor das erste griechische oder phoenikische Schiff in die Westsee eingefahren war; man half sich aus mit Korn und Wein und das kupferarme Latium bezog hier seinen Bedarf von den reichen Metallschätzen Etruriens, wofür man gewöhnlich wohl mit Sclaven bezahlte, deren uralter Export auf das rechte Tiberufer schon erwähnt ist. Dieser vorhellenischen Epoche des italischen Verkehrs dürfte, wie später zu zeigen sein wird, die Feststellung der Zahlzeichen italischer Erfindung und des italischen Duodecimal- systems angehören und in diesen Bildungen die ältesten Spu-

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische01_1854/142>, abgerufen am 27.04.2024.