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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854.

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RECHT UND GERICHT.
regelmässige Werthmesser geworden war, bestand die Form
des Kaufes also darin, dass der Käufer dem Verkäufer die
festgesetzten Kupferpfunde vor Zeugen auf der Wage zuwägt
und dieser ihm gleichzeitig die gekaufte Sache in die Hand
giebt (mancipare); dafür dass er Eigenthümer sei, muss der
Verkäufer einstehen und büsst im entgegenstehenden Fall dem
Käufer ähnlich wie wenn er die Sache ihm entwendet hätte.
Wem sein Eigenthum widerrechtlich entzogen oder vorent-
halten wird, der zeigt die ,Vergewaltigung' dem König an
(vindiciae), worauf ihm dieser nach untersuchter Sache zu
seinem Rechte verhilft. -- Heilig wie das Eigenthum ist auch
das Darlehen, welches gleichfalls durch Zuwägen des Kupfers
unter Verpflichtung (nexus) der Rückgabe vor Zeugen einge-
gangen und ebenso wieder aufgelöst wird; der Schuldner
haftet für Kapital und Zins, welcher für das Jahr den zwölften
Theil des Kapitals (uncia; 81/2 Procent) zu betragen pflegte.
Die übrigen Verträge waren in dieser Zeit wohl noch nicht
klagbar, mit Ausnahme des Verlöbnisses, wobei der Vater,
wenn er die versprochene Braut nicht giebt, dem Bräutigam
dafür Sühne und Ersatz zu leisten hat. Anstatt der Verpfän-
dung, die das Recht nicht kannte, diente ein Vertrag, der
dem Gläubiger sofort das Eigenthum an dem Unterpfand gab
und ihn verpflichtete im Fall der Rückzahlung des Darlehns
das Eigenthum dem Schuldner zurückzuübertragen. -- Ward
der Staat angerufen um über das streitige Eigenthum zu ent-
scheiden oder die Zahlung der Forderung zu vermitteln, so
kam es darauf an, ob das Sachverhältniss erst festzustellen
war oder schon klar vorlag, welches letztere bei Eigenthums-
klagen nicht wohl denkbar war, dagegen bei Darlehnsklagen
nach den geltenden Rechtsnormen mittelst der Zeugen leicht
bewerkstelligt werden konnte. Die Feststellung des Sachverhält-
nisses geschah in Form einer Wette (sponsio), wobei jede Partei
für den Fall des Unterliegens einen Einsatz machte: bei wich-
tigen Sachen von mehr als zehn Rindern Werth einen von fünf
Rindern, bei geringeren einen von fünf Schafen; der Einsatz
der unterliegenden Partei fiel den Priestern zu zum Behuf
der öffentlichen Opfer. Wer also verurtheilt war und ohne
den Spruch zu erfüllen dreissig Tage hatte verstreichen lassen;
ferner wessen Leistungspflicht von Anfang an feststand, also
regelmässig der Schuldner, wofern er nicht Zeugen für die
Rückzahlung hatte, unterlag dem Executionsverfahren ,durch
Handanlegung' (manus iniectio), indem ihn der Kläger packte

RECHT UND GERICHT.
regelmäſsige Werthmesser geworden war, bestand die Form
des Kaufes also darin, daſs der Käufer dem Verkäufer die
festgesetzten Kupferpfunde vor Zeugen auf der Wage zuwägt
und dieser ihm gleichzeitig die gekaufte Sache in die Hand
giebt (mancipare); dafür daſs er Eigenthümer sei, muſs der
Verkäufer einstehen und büſst im entgegenstehenden Fall dem
Käufer ähnlich wie wenn er die Sache ihm entwendet hätte.
Wem sein Eigenthum widerrechtlich entzogen oder vorent-
halten wird, der zeigt die ‚Vergewaltigung‘ dem König an
(vindiciae), worauf ihm dieser nach untersuchter Sache zu
seinem Rechte verhilft. — Heilig wie das Eigenthum ist auch
das Darlehen, welches gleichfalls durch Zuwägen des Kupfers
unter Verpflichtung (nexus) der Rückgabe vor Zeugen einge-
gangen und ebenso wieder aufgelöst wird; der Schuldner
haftet für Kapital und Zins, welcher für das Jahr den zwölften
Theil des Kapitals (uncia; 8½ Procent) zu betragen pflegte.
Die übrigen Verträge waren in dieser Zeit wohl noch nicht
klagbar, mit Ausnahme des Verlöbnisses, wobei der Vater,
wenn er die versprochene Braut nicht giebt, dem Bräutigam
dafür Sühne und Ersatz zu leisten hat. Anstatt der Verpfän-
dung, die das Recht nicht kannte, diente ein Vertrag, der
dem Gläubiger sofort das Eigenthum an dem Unterpfand gab
und ihn verpflichtete im Fall der Rückzahlung des Darlehns
das Eigenthum dem Schuldner zurückzuübertragen. — Ward
der Staat angerufen um über das streitige Eigenthum zu ent-
scheiden oder die Zahlung der Forderung zu vermitteln, so
kam es darauf an, ob das Sachverhältniſs erst festzustellen
war oder schon klar vorlag, welches letztere bei Eigenthums-
klagen nicht wohl denkbar war, dagegen bei Darlehnsklagen
nach den geltenden Rechtsnormen mittelst der Zeugen leicht
bewerkstelligt werden konnte. Die Feststellung des Sachverhält-
nisses geschah in Form einer Wette (sponsio), wobei jede Partei
für den Fall des Unterliegens einen Einsatz machte: bei wich-
tigen Sachen von mehr als zehn Rindern Werth einen von fünf
Rindern, bei geringeren einen von fünf Schafen; der Einsatz
der unterliegenden Partei fiel den Priestern zu zum Behuf
der öffentlichen Opfer. Wer also verurtheilt war und ohne
den Spruch zu erfüllen dreiſsig Tage hatte verstreichen lassen;
ferner wessen Leistungspflicht von Anfang an feststand, also
regelmäſsig der Schuldner, wofern er nicht Zeugen für die
Rückzahlung hatte, unterlag dem Executionsverfahren ‚durch
Handanlegung‘ (manus iniectio), indem ihn der Kläger packte

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[105/0119] RECHT UND GERICHT. regelmäſsige Werthmesser geworden war, bestand die Form des Kaufes also darin, daſs der Käufer dem Verkäufer die festgesetzten Kupferpfunde vor Zeugen auf der Wage zuwägt und dieser ihm gleichzeitig die gekaufte Sache in die Hand giebt (mancipare); dafür daſs er Eigenthümer sei, muſs der Verkäufer einstehen und büſst im entgegenstehenden Fall dem Käufer ähnlich wie wenn er die Sache ihm entwendet hätte. Wem sein Eigenthum widerrechtlich entzogen oder vorent- halten wird, der zeigt die ‚Vergewaltigung‘ dem König an (vindiciae), worauf ihm dieser nach untersuchter Sache zu seinem Rechte verhilft. — Heilig wie das Eigenthum ist auch das Darlehen, welches gleichfalls durch Zuwägen des Kupfers unter Verpflichtung (nexus) der Rückgabe vor Zeugen einge- gangen und ebenso wieder aufgelöst wird; der Schuldner haftet für Kapital und Zins, welcher für das Jahr den zwölften Theil des Kapitals (uncia; 8½ Procent) zu betragen pflegte. Die übrigen Verträge waren in dieser Zeit wohl noch nicht klagbar, mit Ausnahme des Verlöbnisses, wobei der Vater, wenn er die versprochene Braut nicht giebt, dem Bräutigam dafür Sühne und Ersatz zu leisten hat. Anstatt der Verpfän- dung, die das Recht nicht kannte, diente ein Vertrag, der dem Gläubiger sofort das Eigenthum an dem Unterpfand gab und ihn verpflichtete im Fall der Rückzahlung des Darlehns das Eigenthum dem Schuldner zurückzuübertragen. — Ward der Staat angerufen um über das streitige Eigenthum zu ent- scheiden oder die Zahlung der Forderung zu vermitteln, so kam es darauf an, ob das Sachverhältniſs erst festzustellen war oder schon klar vorlag, welches letztere bei Eigenthums- klagen nicht wohl denkbar war, dagegen bei Darlehnsklagen nach den geltenden Rechtsnormen mittelst der Zeugen leicht bewerkstelligt werden konnte. Die Feststellung des Sachverhält- nisses geschah in Form einer Wette (sponsio), wobei jede Partei für den Fall des Unterliegens einen Einsatz machte: bei wich- tigen Sachen von mehr als zehn Rindern Werth einen von fünf Rindern, bei geringeren einen von fünf Schafen; der Einsatz der unterliegenden Partei fiel den Priestern zu zum Behuf der öffentlichen Opfer. Wer also verurtheilt war und ohne den Spruch zu erfüllen dreiſsig Tage hatte verstreichen lassen; ferner wessen Leistungspflicht von Anfang an feststand, also regelmäſsig der Schuldner, wofern er nicht Zeugen für die Rückzahlung hatte, unterlag dem Executionsverfahren ‚durch Handanlegung‘ (manus iniectio), indem ihn der Kläger packte

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854, S. 105. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische01_1854/119>, abgerufen am 25.11.2024.