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Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841.

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und auf Tausende von Schritten durch ein Thal zog, da
konnte man natürlich keine Oeffnung anbringen, weil sonst
das, Wasser an dieser Stelle ausgeflossen wäre. Man
machte also das Umgekehrte des Brunnens: man baute
steinerne Pyramiden, so hoch, daß ihre Spitzen in das all-
gemeine Niveau reichten; sie hießen "Suterasi", Wasser-
waagen. An diese Pyramide führte man die Röhre hin-
auf; das Wasser setzte sich in Gleichgewicht, indem es auf
der Spitze der Pyramide in ein kleines Bassin trat, und
stieg an der entgegengesetzten Seite der Pyramide aufs Neue
in einer Röhre hinab. Es ist klar, daß das Wasser durch
das Hinabsteigen nichts an Kraft gewinnen konnte, als
was es nachher durch das Aufsteigen wieder verlor, und
daß daraus keine Beschleunigung zu erwarten stand. Das
Suterasi ist nichts Anderes, als eine bis zum Niveau der
Wasserleitung emporgehobene Oeffnung zur Verminderung
der Reibung; daß übrigens die Spitzen der Suterrasi den
allgemeinen Fall der Leitung, und zwar aus hydraulischen
Gründen, in etwas stärkerm Maaße theilen, versteht sich
von selbst.

Die Nivellirung der ersten Leitung durch ein so durch-
schnittenes Terrain, wie das nördlich von Konstantinopel,
war gewiß keine leichte Aufgabe, und wurde um so schwe-
rer, als man das Wasser in mehrere Bends versammeln
mußte, welche unter sich in verschiedenen Niveaux lagen.
Die Ausführung macht der längst entschwundenen Zeit, in
welche sie fällt, alle Ehre.

Die Türken fanden die Aquaducte der Römer, wie die
Suterasi der Araber vor; aber sie wendeten bei den von
ihnen erbauten Leitungen die eine wie die andere an, und
zwar die erstere wohl nur aus Prunksucht.

Die bedeutendste und älteste der Wasserleitungen von
Konstantinopel ist diejenige, welche schon Kaiser Konstantin
anfing, und welche spätere Kaiser und Sultane erweiterten.
Sie wird aus fünf großen Teichen gespeiset, die sich rings
um das Dorf Belgrad gruppiren; der größte unter die-

und auf Tauſende von Schritten durch ein Thal zog, da
konnte man natuͤrlich keine Oeffnung anbringen, weil ſonſt
das, Waſſer an dieſer Stelle ausgefloſſen waͤre. Man
machte alſo das Umgekehrte des Brunnens: man baute
ſteinerne Pyramiden, ſo hoch, daß ihre Spitzen in das all-
gemeine Niveau reichten; ſie hießen „Suteraſi“, Waſſer-
waagen. An dieſe Pyramide fuͤhrte man die Roͤhre hin-
auf; das Waſſer ſetzte ſich in Gleichgewicht, indem es auf
der Spitze der Pyramide in ein kleines Baſſin trat, und
ſtieg an der entgegengeſetzten Seite der Pyramide aufs Neue
in einer Roͤhre hinab. Es iſt klar, daß das Waſſer durch
das Hinabſteigen nichts an Kraft gewinnen konnte, als
was es nachher durch das Aufſteigen wieder verlor, und
daß daraus keine Beſchleunigung zu erwarten ſtand. Das
Suteraſi iſt nichts Anderes, als eine bis zum Niveau der
Waſſerleitung emporgehobene Oeffnung zur Verminderung
der Reibung; daß uͤbrigens die Spitzen der Suterraſi den
allgemeinen Fall der Leitung, und zwar aus hydrauliſchen
Gruͤnden, in etwas ſtaͤrkerm Maaße theilen, verſteht ſich
von ſelbſt.

Die Nivellirung der erſten Leitung durch ein ſo durch-
ſchnittenes Terrain, wie das noͤrdlich von Konſtantinopel,
war gewiß keine leichte Aufgabe, und wurde um ſo ſchwe-
rer, als man das Waſſer in mehrere Bends verſammeln
mußte, welche unter ſich in verſchiedenen Niveaux lagen.
Die Ausfuͤhrung macht der laͤngſt entſchwundenen Zeit, in
welche ſie faͤllt, alle Ehre.

Die Tuͤrken fanden die Aquaducte der Roͤmer, wie die
Suteraſi der Araber vor; aber ſie wendeten bei den von
ihnen erbauten Leitungen die eine wie die andere an, und
zwar die erſtere wohl nur aus Prunkſucht.

Die bedeutendſte und aͤlteſte der Waſſerleitungen von
Konſtantinopel iſt diejenige, welche ſchon Kaiſer Konſtantin
anfing, und welche ſpaͤtere Kaiſer und Sultane erweiterten.
Sie wird aus fuͤnf großen Teichen geſpeiſet, die ſich rings
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[88/0098] und auf Tauſende von Schritten durch ein Thal zog, da konnte man natuͤrlich keine Oeffnung anbringen, weil ſonſt das, Waſſer an dieſer Stelle ausgefloſſen waͤre. Man machte alſo das Umgekehrte des Brunnens: man baute ſteinerne Pyramiden, ſo hoch, daß ihre Spitzen in das all- gemeine Niveau reichten; ſie hießen „Suteraſi“, Waſſer- waagen. An dieſe Pyramide fuͤhrte man die Roͤhre hin- auf; das Waſſer ſetzte ſich in Gleichgewicht, indem es auf der Spitze der Pyramide in ein kleines Baſſin trat, und ſtieg an der entgegengeſetzten Seite der Pyramide aufs Neue in einer Roͤhre hinab. Es iſt klar, daß das Waſſer durch das Hinabſteigen nichts an Kraft gewinnen konnte, als was es nachher durch das Aufſteigen wieder verlor, und daß daraus keine Beſchleunigung zu erwarten ſtand. Das Suteraſi iſt nichts Anderes, als eine bis zum Niveau der Waſſerleitung emporgehobene Oeffnung zur Verminderung der Reibung; daß uͤbrigens die Spitzen der Suterraſi den allgemeinen Fall der Leitung, und zwar aus hydrauliſchen Gruͤnden, in etwas ſtaͤrkerm Maaße theilen, verſteht ſich von ſelbſt. Die Nivellirung der erſten Leitung durch ein ſo durch- ſchnittenes Terrain, wie das noͤrdlich von Konſtantinopel, war gewiß keine leichte Aufgabe, und wurde um ſo ſchwe- rer, als man das Waſſer in mehrere Bends verſammeln mußte, welche unter ſich in verſchiedenen Niveaux lagen. Die Ausfuͤhrung macht der laͤngſt entſchwundenen Zeit, in welche ſie faͤllt, alle Ehre. Die Tuͤrken fanden die Aquaducte der Roͤmer, wie die Suteraſi der Araber vor; aber ſie wendeten bei den von ihnen erbauten Leitungen die eine wie die andere an, und zwar die erſtere wohl nur aus Prunkſucht. Die bedeutendſte und aͤlteſte der Waſſerleitungen von Konſtantinopel iſt diejenige, welche ſchon Kaiſer Konſtantin anfing, und welche ſpaͤtere Kaiſer und Sultane erweiterten. Sie wird aus fuͤnf großen Teichen geſpeiſet, die ſich rings um das Dorf Belgrad gruppiren; der groͤßte unter die-

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Zitationshilfe: Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841, S. 88. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moltke_zustaende_1841/98>, abgerufen am 22.11.2024.