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Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841.

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Huld wurde den Patienten mit der besondern Bemerkung
insinuirt, daß es dem preußischen Beysadeh (wörtlich Für-
stensohn) zu Gefallen geschähe.

20.
Die Wasserleitungen von Konstantinopel.

Gerade so wie bei uns ein Weinschmecker das Gewächs
und den Jahrgang herauskostet, so schmeckt Dir ein Türke,
ob ein Trunk Wasser von dieser oder jener besonders ge-
schätzten Quelle kommt, ob er in Tschamlidje, der Fichten-
quelle, auf Bulgurlu in Asien, oder aus Kestenes-suj, dem
Kastanienborn bei Bujukdere, oder aus der Sultan-Quelle
in Beykos geschöpft ist. Die Eigenschaft, welche wir oben-
an setzen, daß das Wasser klar und durchsichtig sei, kommt
bei dem Türken gar nicht in Anschlag, und das berühmte
Wasser des Euphrat ist so trübe, wie das des gefeierten
Nil, obgleich der Prophet selbst es für das beste Wasser
der Welt erklärt, nächst dem heiligen Born Semsem zu
Mekka, welcher unter Hagars Füßen emporsprang, um ihren
verschmachtenden Sohn zu tränken. Am schlechtesten aber,
ja sogar ungesund und fast ungenießbar scheint ihm alles
Brunnenwasser.

Konstantinopel ist auf einer felsigen, vom Meer um-
spülten Höhe erbaut; die Brunnen, welche man dort ge-
graben, geben sämmtlich nur wenig und bittern Zufluß.
Das Trinkwasser für mehr als eine halbe Million Men-
schen, die nichts als Wasser trinken, der ungeheuere Be-
darf für die vielen Bäder, für die Moscheen und für die
fünf täglichen Waschungen, welche die Religion jedem Mu-
selmanne vorschreibt, mußte daher von außerhalb herbei-
geführt werden.

Man benutzte für diesen Zweck das drei Meilen nörd-
lich gelegene Waldgebirge von Belgrad, an welches die

Huld wurde den Patienten mit der beſondern Bemerkung
inſinuirt, daß es dem preußiſchen Beyſadeh (woͤrtlich Fuͤr-
ſtenſohn) zu Gefallen geſchaͤhe.

20.
Die Waſſerleitungen von Konſtantinopel.

Gerade ſo wie bei uns ein Weinſchmecker das Gewaͤchs
und den Jahrgang herauskoſtet, ſo ſchmeckt Dir ein Tuͤrke,
ob ein Trunk Waſſer von dieſer oder jener beſonders ge-
ſchaͤtzten Quelle kommt, ob er in Tſchamlidje, der Fichten-
quelle, auf Bulgurlu in Aſien, oder aus Keſtenes-ſuj, dem
Kaſtanienborn bei Bujukdere, oder aus der Sultan-Quelle
in Beykos geſchoͤpft iſt. Die Eigenſchaft, welche wir oben-
an ſetzen, daß das Waſſer klar und durchſichtig ſei, kommt
bei dem Tuͤrken gar nicht in Anſchlag, und das beruͤhmte
Waſſer des Euphrat iſt ſo truͤbe, wie das des gefeierten
Nil, obgleich der Prophet ſelbſt es fuͤr das beſte Waſſer
der Welt erklaͤrt, naͤchſt dem heiligen Born Semſem zu
Mekka, welcher unter Hagars Fuͤßen emporſprang, um ihren
verſchmachtenden Sohn zu traͤnken. Am ſchlechteſten aber,
ja ſogar ungeſund und faſt ungenießbar ſcheint ihm alles
Brunnenwaſſer.

Konſtantinopel iſt auf einer felſigen, vom Meer um-
ſpuͤlten Hoͤhe erbaut; die Brunnen, welche man dort ge-
graben, geben ſaͤmmtlich nur wenig und bittern Zufluß.
Das Trinkwaſſer fuͤr mehr als eine halbe Million Men-
ſchen, die nichts als Waſſer trinken, der ungeheuere Be-
darf fuͤr die vielen Baͤder, fuͤr die Moſcheen und fuͤr die
fuͤnf taͤglichen Waſchungen, welche die Religion jedem Mu-
ſelmanne vorſchreibt, mußte daher von außerhalb herbei-
gefuͤhrt werden.

Man benutzte fuͤr dieſen Zweck das drei Meilen noͤrd-
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[85/0095] Huld wurde den Patienten mit der beſondern Bemerkung inſinuirt, daß es dem preußiſchen Beyſadeh (woͤrtlich Fuͤr- ſtenſohn) zu Gefallen geſchaͤhe. 20. Die Waſſerleitungen von Konſtantinopel. Bujukdere, den 20. Oktober 1836. Gerade ſo wie bei uns ein Weinſchmecker das Gewaͤchs und den Jahrgang herauskoſtet, ſo ſchmeckt Dir ein Tuͤrke, ob ein Trunk Waſſer von dieſer oder jener beſonders ge- ſchaͤtzten Quelle kommt, ob er in Tſchamlidje, der Fichten- quelle, auf Bulgurlu in Aſien, oder aus Keſtenes-ſuj, dem Kaſtanienborn bei Bujukdere, oder aus der Sultan-Quelle in Beykos geſchoͤpft iſt. Die Eigenſchaft, welche wir oben- an ſetzen, daß das Waſſer klar und durchſichtig ſei, kommt bei dem Tuͤrken gar nicht in Anſchlag, und das beruͤhmte Waſſer des Euphrat iſt ſo truͤbe, wie das des gefeierten Nil, obgleich der Prophet ſelbſt es fuͤr das beſte Waſſer der Welt erklaͤrt, naͤchſt dem heiligen Born Semſem zu Mekka, welcher unter Hagars Fuͤßen emporſprang, um ihren verſchmachtenden Sohn zu traͤnken. Am ſchlechteſten aber, ja ſogar ungeſund und faſt ungenießbar ſcheint ihm alles Brunnenwaſſer. Konſtantinopel iſt auf einer felſigen, vom Meer um- ſpuͤlten Hoͤhe erbaut; die Brunnen, welche man dort ge- graben, geben ſaͤmmtlich nur wenig und bittern Zufluß. Das Trinkwaſſer fuͤr mehr als eine halbe Million Men- ſchen, die nichts als Waſſer trinken, der ungeheuere Be- darf fuͤr die vielen Baͤder, fuͤr die Moſcheen und fuͤr die fuͤnf taͤglichen Waſchungen, welche die Religion jedem Mu- ſelmanne vorſchreibt, mußte daher von außerhalb herbei- gefuͤhrt werden. Man benutzte fuͤr dieſen Zweck das drei Meilen noͤrd- lich gelegene Waldgebirge von Belgrad, an welches die

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Zitationshilfe: Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moltke_zustaende_1841/95>, abgerufen am 23.11.2024.