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Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841.

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19.
Die Bastonnade.

Jch bin diesen Augenblick sehr beschäftigt mit einer
Arbeit, die mir zugleich viel Vergnügen macht, nämlich mit
der Aufnahme des Terrains zu beiden Seiten des Bospho-
rus; es giebt dabei viele Berge zu erklettern, aber die Mühe
wird durch die wunderschönen Aussichten belohnt, auch ist
es wohl das erstemal, daß ein Franke seinen Meßtisch in
den Höfen des Serajs aufstellt. Wir haben einen herr-
lichen Herbst, und die feuchte Seeluft hält alle Bäume
und Pflanzen grün, obwohl es seit vier Monaten nicht ge-
regnet hat. Früh Morgens stehe ich auf und lasse mich
gleich ins Meer hinab gleiten; nach dem köstlichen Bade
trinke ich meinen Kaffee und trete mein Tagewerk an, ent-
weder in einer Schaluppe mit Seegeln, oder im schnellen
Ruderfahrzeuge, oder landwärts zu Pferde. Die tägliche
Arbeit dauert 9 bis 10 Stunden, und Abends finde ich
mein Diner vortrefflich. Jch habe eine offene Ordre in
türkischer Sprache, welche mich ermächtigt, in alle Festun-
gen und Batterien einzutreten und so viel Soldaten, wie
ich will, zur Begleitung mitzunehmen.

Heute habe ich zum erstenmal an der Pforte des Se-
raskiers die Bastonnade austheilen sehen. Es waren fünf
Griechen, die Jeder mit 500 Hieben, in Summa 2500 Strei-
chen, auf die Fußsohle bedacht werden sollten. Ein Kawas
oder Polizei-Offiziant kniete dem Jnculpaten auf die Brust
und hielt ihm die Hände, zwei trugen eine Stange auf
den Schultern, an welche die Füße gebunden werden, und
zwei andere führten die Stöcke. Aus besonderer Aufmerk-
samkeit für mich erbot der Pascha sich, 200 Stück pro
Kopf, oder vielmehr pro Fußsohle, herabzulassen. Jch fand
den Rest noch recht beträchtlich, und schlug ihm 25 Hiebe
vor, worauf er sich dann auf 50 herabhandeln ließ. Diese

19.
Die Baſtonnade.

Jch bin dieſen Augenblick ſehr beſchaͤftigt mit einer
Arbeit, die mir zugleich viel Vergnuͤgen macht, naͤmlich mit
der Aufnahme des Terrains zu beiden Seiten des Bospho-
rus; es giebt dabei viele Berge zu erklettern, aber die Muͤhe
wird durch die wunderſchoͤnen Ausſichten belohnt, auch iſt
es wohl das erſtemal, daß ein Franke ſeinen Meßtiſch in
den Hoͤfen des Serajs aufſtellt. Wir haben einen herr-
lichen Herbſt, und die feuchte Seeluft haͤlt alle Baͤume
und Pflanzen gruͤn, obwohl es ſeit vier Monaten nicht ge-
regnet hat. Fruͤh Morgens ſtehe ich auf und laſſe mich
gleich ins Meer hinab gleiten; nach dem koͤſtlichen Bade
trinke ich meinen Kaffee und trete mein Tagewerk an, ent-
weder in einer Schaluppe mit Seegeln, oder im ſchnellen
Ruderfahrzeuge, oder landwaͤrts zu Pferde. Die taͤgliche
Arbeit dauert 9 bis 10 Stunden, und Abends finde ich
mein Diner vortrefflich. Jch habe eine offene Ordre in
tuͤrkiſcher Sprache, welche mich ermaͤchtigt, in alle Feſtun-
gen und Batterien einzutreten und ſo viel Soldaten, wie
ich will, zur Begleitung mitzunehmen.

Heute habe ich zum erſtenmal an der Pforte des Se-
raskiers die Baſtonnade austheilen ſehen. Es waren fuͤnf
Griechen, die Jeder mit 500 Hieben, in Summa 2500 Strei-
chen, auf die Fußſohle bedacht werden ſollten. Ein Kawas
oder Polizei-Offiziant kniete dem Jnculpaten auf die Bruſt
und hielt ihm die Haͤnde, zwei trugen eine Stange auf
den Schultern, an welche die Fuͤße gebunden werden, und
zwei andere fuͤhrten die Stoͤcke. Aus beſonderer Aufmerk-
ſamkeit fuͤr mich erbot der Paſcha ſich, 200 Stuͤck pro
Kopf, oder vielmehr pro Fußſohle, herabzulaſſen. Jch fand
den Reſt noch recht betraͤchtlich, und ſchlug ihm 25 Hiebe
vor, worauf er ſich dann auf 50 herabhandeln ließ. Dieſe

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[84/0094] 19. Die Baſtonnade. Bujukdere, den 27. September 1836. Jch bin dieſen Augenblick ſehr beſchaͤftigt mit einer Arbeit, die mir zugleich viel Vergnuͤgen macht, naͤmlich mit der Aufnahme des Terrains zu beiden Seiten des Bospho- rus; es giebt dabei viele Berge zu erklettern, aber die Muͤhe wird durch die wunderſchoͤnen Ausſichten belohnt, auch iſt es wohl das erſtemal, daß ein Franke ſeinen Meßtiſch in den Hoͤfen des Serajs aufſtellt. Wir haben einen herr- lichen Herbſt, und die feuchte Seeluft haͤlt alle Baͤume und Pflanzen gruͤn, obwohl es ſeit vier Monaten nicht ge- regnet hat. Fruͤh Morgens ſtehe ich auf und laſſe mich gleich ins Meer hinab gleiten; nach dem koͤſtlichen Bade trinke ich meinen Kaffee und trete mein Tagewerk an, ent- weder in einer Schaluppe mit Seegeln, oder im ſchnellen Ruderfahrzeuge, oder landwaͤrts zu Pferde. Die taͤgliche Arbeit dauert 9 bis 10 Stunden, und Abends finde ich mein Diner vortrefflich. Jch habe eine offene Ordre in tuͤrkiſcher Sprache, welche mich ermaͤchtigt, in alle Feſtun- gen und Batterien einzutreten und ſo viel Soldaten, wie ich will, zur Begleitung mitzunehmen. Heute habe ich zum erſtenmal an der Pforte des Se- raskiers die Baſtonnade austheilen ſehen. Es waren fuͤnf Griechen, die Jeder mit 500 Hieben, in Summa 2500 Strei- chen, auf die Fußſohle bedacht werden ſollten. Ein Kawas oder Polizei-Offiziant kniete dem Jnculpaten auf die Bruſt und hielt ihm die Haͤnde, zwei trugen eine Stange auf den Schultern, an welche die Fuͤße gebunden werden, und zwei andere fuͤhrten die Stoͤcke. Aus beſonderer Aufmerk- ſamkeit fuͤr mich erbot der Paſcha ſich, 200 Stuͤck pro Kopf, oder vielmehr pro Fußſohle, herabzulaſſen. Jch fand den Reſt noch recht betraͤchtlich, und ſchlug ihm 25 Hiebe vor, worauf er ſich dann auf 50 herabhandeln ließ. Dieſe

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Zitationshilfe: Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moltke_zustaende_1841/94>, abgerufen am 23.11.2024.