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Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841.

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bar -- "der Schlüssel des Meeres" --; das asiatische Kum-
kaleh -- "das Sandschloß" --. Die Breite dieser Mün-
dung beträgt beinahe eine halbe geographische Meile, und
jene Schlösser sind fast nur als vorgeschobene Posten zu
betrachten, welche von der Annäherung feindlicher Flotten
benachrichtigen und sie zugleich verhindern, innerhalb der
Meerenge vor Anker zu gehen. Die eigentliche Verheidigung
fängt zwei Meilen weiter oben an und beruht auf den Bat-
terien, welche auf der ungefähr eine Meile langen Strecke
zwischen Tschanak-Kalessi und Nagara erbaut sind. Zwi-
schen Sultani-Hissar und Kilid-Bahr, dem Meerschloß,
verengt sich die Straße auf 1986 Schritt, und die Ku-
geln dieser sehr stark gebauten Forts und der großen ne-
benan liegenden Batterien reichen von einem Ufer auf das
andere. Bei Nagara erweitert sich die Straße schon auf
2833 Schritt.

Zur Vertheidigung der Dardanellen sind 580 Geschütze
vorhanden, welche in Hinsicht auf ihre Kaliber eine Stu-
fenfolge von 1- bis 1600-Pfünder bilden. Es giebt Ge-
schütze, die 5, und deren, die bis zu 32 Kaliber lang sind,
und man findet türkische, englische, französische und öster-
reichische, selbst Kanonen, welche mit einem Kurhut bezeich-
net sind. Aber die große Mehrzahl der Geschütze ist von
mittlerem, dem Zweck entsprechendem Kaliber, und fast alle
sind von Bronze. Jn Sed-il-bar liegen einige merkwür-
dige Piecen sehr großen Kalibers aus geschmiedetem Eisen.
Man hatte starke Eisenbarren der Länge nach zusammen-
gelegt und mit andern Barren umwunden, was indeß schlecht
gelungen ist. Es steckt ein ungeheueres Geldkapital in die-
sem Vorrath.

Merkwürdig sind die großen Kemerliks, welche Stein-
kugeln von Granit oder Marmor schießen. Sie liegen ohne
Laffeten unter gewölbten Thorwegen in der Mauer des
Forts auf losen Klötzen an der Erde. Die größern der-
selben wiegen bis zu 300 Ctr., und werden mit 148 Pfd.
Pulver geladen. Der Durchmesser des Kalibers ist 2 Fuß

bar — „der Schluͤſſel des Meeres“ —; das aſiatiſche Kum-
kaleh — „das Sandſchloß“ —. Die Breite dieſer Muͤn-
dung betraͤgt beinahe eine halbe geographiſche Meile, und
jene Schloͤſſer ſind faſt nur als vorgeſchobene Poſten zu
betrachten, welche von der Annaͤherung feindlicher Flotten
benachrichtigen und ſie zugleich verhindern, innerhalb der
Meerenge vor Anker zu gehen. Die eigentliche Verheidigung
faͤngt zwei Meilen weiter oben an und beruht auf den Bat-
terien, welche auf der ungefaͤhr eine Meile langen Strecke
zwiſchen Tſchanak-Kaleſſi und Nagara erbaut ſind. Zwi-
ſchen Sultani-Hiſſar und Kilid-Bahr, dem Meerſchloß,
verengt ſich die Straße auf 1986 Schritt, und die Ku-
geln dieſer ſehr ſtark gebauten Forts und der großen ne-
benan liegenden Batterien reichen von einem Ufer auf das
andere. Bei Nagara erweitert ſich die Straße ſchon auf
2833 Schritt.

Zur Vertheidigung der Dardanellen ſind 580 Geſchuͤtze
vorhanden, welche in Hinſicht auf ihre Kaliber eine Stu-
fenfolge von 1- bis 1600-Pfuͤnder bilden. Es giebt Ge-
ſchuͤtze, die 5, und deren, die bis zu 32 Kaliber lang ſind,
und man findet tuͤrkiſche, engliſche, franzoͤſiſche und oͤſter-
reichiſche, ſelbſt Kanonen, welche mit einem Kurhut bezeich-
net ſind. Aber die große Mehrzahl der Geſchuͤtze iſt von
mittlerem, dem Zweck entſprechendem Kaliber, und faſt alle
ſind von Bronze. Jn Sed-il-bar liegen einige merkwuͤr-
dige Piecen ſehr großen Kalibers aus geſchmiedetem Eiſen.
Man hatte ſtarke Eiſenbarren der Laͤnge nach zuſammen-
gelegt und mit andern Barren umwunden, was indeß ſchlecht
gelungen iſt. Es ſteckt ein ungeheueres Geldkapital in die-
ſem Vorrath.

Merkwuͤrdig ſind die großen Kemerliks, welche Stein-
kugeln von Granit oder Marmor ſchießen. Sie liegen ohne
Laffeten unter gewoͤlbten Thorwegen in der Mauer des
Forts auf loſen Kloͤtzen an der Erde. Die groͤßern der-
ſelben wiegen bis zu 300 Ctr., und werden mit 148 Pfd.
Pulver geladen. Der Durchmeſſer des Kalibers iſt 2 Fuß

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[53/0063] bar — „der Schluͤſſel des Meeres“ —; das aſiatiſche Kum- kaleh — „das Sandſchloß“ —. Die Breite dieſer Muͤn- dung betraͤgt beinahe eine halbe geographiſche Meile, und jene Schloͤſſer ſind faſt nur als vorgeſchobene Poſten zu betrachten, welche von der Annaͤherung feindlicher Flotten benachrichtigen und ſie zugleich verhindern, innerhalb der Meerenge vor Anker zu gehen. Die eigentliche Verheidigung faͤngt zwei Meilen weiter oben an und beruht auf den Bat- terien, welche auf der ungefaͤhr eine Meile langen Strecke zwiſchen Tſchanak-Kaleſſi und Nagara erbaut ſind. Zwi- ſchen Sultani-Hiſſar und Kilid-Bahr, dem Meerſchloß, verengt ſich die Straße auf 1986 Schritt, und die Ku- geln dieſer ſehr ſtark gebauten Forts und der großen ne- benan liegenden Batterien reichen von einem Ufer auf das andere. Bei Nagara erweitert ſich die Straße ſchon auf 2833 Schritt. Zur Vertheidigung der Dardanellen ſind 580 Geſchuͤtze vorhanden, welche in Hinſicht auf ihre Kaliber eine Stu- fenfolge von 1- bis 1600-Pfuͤnder bilden. Es giebt Ge- ſchuͤtze, die 5, und deren, die bis zu 32 Kaliber lang ſind, und man findet tuͤrkiſche, engliſche, franzoͤſiſche und oͤſter- reichiſche, ſelbſt Kanonen, welche mit einem Kurhut bezeich- net ſind. Aber die große Mehrzahl der Geſchuͤtze iſt von mittlerem, dem Zweck entſprechendem Kaliber, und faſt alle ſind von Bronze. Jn Sed-il-bar liegen einige merkwuͤr- dige Piecen ſehr großen Kalibers aus geſchmiedetem Eiſen. Man hatte ſtarke Eiſenbarren der Laͤnge nach zuſammen- gelegt und mit andern Barren umwunden, was indeß ſchlecht gelungen iſt. Es ſteckt ein ungeheueres Geldkapital in die- ſem Vorrath. Merkwuͤrdig ſind die großen Kemerliks, welche Stein- kugeln von Granit oder Marmor ſchießen. Sie liegen ohne Laffeten unter gewoͤlbten Thorwegen in der Mauer des Forts auf loſen Kloͤtzen an der Erde. Die groͤßern der- ſelben wiegen bis zu 300 Ctr., und werden mit 148 Pfd. Pulver geladen. Der Durchmeſſer des Kalibers iſt 2 Fuß

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Zitationshilfe: Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moltke_zustaende_1841/63>, abgerufen am 02.05.2024.