Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841.

Bild:
<< vorherige Seite

darauf an, den Platz gegen einen Handstreich auf Kähnen
oder auf dem Eise zu sichern.

Diese Festung ist, so viel ich weiß, unter Kaiser Leo-
pold I. von den Oesterreichern erbaut; kaum fertig, ging
sie nach dem Fall von Belgrad ohne Widerstand an die
Türken verloren, welche sich begnügt haben, der Kirche ein
hölzernes Minareh anzufügen und alles Uebrige zu lassen,
wie sie es gefunden. Die Jngenieure haben eine besondere
Verehrung für die Jnselfestung, sie rühmen, daß sie mit
Lahom Minen nicht angegriffen werden könne und halten
sie daher für die beste in der Welt.

Den Serben können wir das Zeugniß geben, daß sie
ihre neuen Quarantaine-Vorschriften gewissenhaft befolgen:
als wir beim eisernen Thor an's Land stiegen, waren wir
mit Wachen umgeben; jedes Läppchen Leinwand, jede Fe-
der wurde aus unserm Pfad entfernt, weil, wenn sie un-
ser Fuß berührte, das eiserne Thor compromittirt werden
konnte. Der Posten, welcher mit geladenem Gewehre vor
uns her ging, uns also den Rücken drehte, befand sich in
einer schwierigen Lage: er streckte das Bajonnet in der
Stichparade zurück, und die mit Silber- und Goldmünzen
und Blumen geputzten serbischen Mädchen, die zu einer
Hochzeit nach Fekie gingen, liefen schnell und in einem wei-
ten Bogen um unsere verdächtige Gesellschaft herum. Uns
kam diese Aengstlichkeit sehr komisch vor, aber wenn man
den Zweck bedenkt, kann man sie doch nur loben.

Als wir zu Alt-Orsowa den österreichischen Boden be-
traten, sah man, daß hier die Sache nicht mehr so neu
war; wir wurden ohne Pedanterie, aber doch mit Vorsicht,
in die eine Viertelstunde entfernte Quarantaine von Schu-
paneck abgeführt. Als Vorsichtsmaßregel waren aber doch
die Schwänze der Zugochsen festgebunden, damit sie nicht
etwa einen der Fremden und gleich darauf den "unver-
mischten" Fuhrmann anwedeln möchten. Jn der Quaran-
taine wurden wir zu zehntägiger Detention verurtheilt.

darauf an, den Platz gegen einen Handſtreich auf Kaͤhnen
oder auf dem Eiſe zu ſichern.

Dieſe Feſtung iſt, ſo viel ich weiß, unter Kaiſer Leo-
pold I. von den Oeſterreichern erbaut; kaum fertig, ging
ſie nach dem Fall von Belgrad ohne Widerſtand an die
Tuͤrken verloren, welche ſich begnuͤgt haben, der Kirche ein
hoͤlzernes Minareh anzufuͤgen und alles Uebrige zu laſſen,
wie ſie es gefunden. Die Jngenieure haben eine beſondere
Verehrung fuͤr die Jnſelfeſtung, ſie ruͤhmen, daß ſie mit
Lahom Minen nicht angegriffen werden koͤnne und halten
ſie daher fuͤr die beſte in der Welt.

Den Serben koͤnnen wir das Zeugniß geben, daß ſie
ihre neuen Quarantaine-Vorſchriften gewiſſenhaft befolgen:
als wir beim eiſernen Thor an's Land ſtiegen, waren wir
mit Wachen umgeben; jedes Laͤppchen Leinwand, jede Fe-
der wurde aus unſerm Pfad entfernt, weil, wenn ſie un-
ſer Fuß beruͤhrte, das eiſerne Thor compromittirt werden
konnte. Der Poſten, welcher mit geladenem Gewehre vor
uns her ging, uns alſo den Ruͤcken drehte, befand ſich in
einer ſchwierigen Lage: er ſtreckte das Bajonnet in der
Stichparade zuruͤck, und die mit Silber- und Goldmuͤnzen
und Blumen geputzten ſerbiſchen Maͤdchen, die zu einer
Hochzeit nach Fekie gingen, liefen ſchnell und in einem wei-
ten Bogen um unſere verdaͤchtige Geſellſchaft herum. Uns
kam dieſe Aengſtlichkeit ſehr komiſch vor, aber wenn man
den Zweck bedenkt, kann man ſie doch nur loben.

Als wir zu Alt-Orſowa den oͤſterreichiſchen Boden be-
traten, ſah man, daß hier die Sache nicht mehr ſo neu
war; wir wurden ohne Pedanterie, aber doch mit Vorſicht,
in die eine Viertelſtunde entfernte Quarantaine von Schu-
paneck abgefuͤhrt. Als Vorſichtsmaßregel waren aber doch
die Schwaͤnze der Zugochſen feſtgebunden, damit ſie nicht
etwa einen der Fremden und gleich darauf den „unver-
miſchten“ Fuhrmann anwedeln moͤchten. Jn der Quaran-
taine wurden wir zu zehntaͤgiger Detention verurtheilt.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0438" n="428"/>
darauf an, den Platz gegen einen Hand&#x017F;treich auf Ka&#x0364;hnen<lb/>
oder auf dem Ei&#x017F;e zu &#x017F;ichern.</p><lb/>
          <p>Die&#x017F;e Fe&#x017F;tung i&#x017F;t, &#x017F;o viel ich weiß, unter Kai&#x017F;er Leo-<lb/>
pold <hi rendition="#aq">I</hi>. von den Oe&#x017F;terreichern erbaut; kaum fertig, ging<lb/>
&#x017F;ie nach dem Fall von Belgrad ohne Wider&#x017F;tand an die<lb/>
Tu&#x0364;rken verloren, welche &#x017F;ich begnu&#x0364;gt haben, der Kirche ein<lb/>
ho&#x0364;lzernes Minareh anzufu&#x0364;gen und alles Uebrige zu la&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
wie &#x017F;ie es gefunden. Die Jngenieure haben eine be&#x017F;ondere<lb/>
Verehrung fu&#x0364;r die Jn&#x017F;elfe&#x017F;tung, &#x017F;ie ru&#x0364;hmen, daß &#x017F;ie mit<lb/>
Lahom Minen nicht angegriffen werden ko&#x0364;nne und halten<lb/>
&#x017F;ie daher fu&#x0364;r die be&#x017F;te in der Welt.</p><lb/>
          <p>Den Serben ko&#x0364;nnen wir das Zeugniß geben, daß &#x017F;ie<lb/>
ihre neuen Quarantaine-Vor&#x017F;chriften gewi&#x017F;&#x017F;enhaft befolgen:<lb/>
als wir beim ei&#x017F;ernen Thor an's Land &#x017F;tiegen, waren wir<lb/>
mit Wachen umgeben; jedes La&#x0364;ppchen Leinwand, jede Fe-<lb/>
der wurde aus un&#x017F;erm Pfad entfernt, weil, wenn &#x017F;ie un-<lb/>
&#x017F;er Fuß beru&#x0364;hrte, das ei&#x017F;erne Thor compromittirt werden<lb/>
konnte. Der Po&#x017F;ten, welcher mit geladenem Gewehre vor<lb/>
uns her ging, uns al&#x017F;o den Ru&#x0364;cken drehte, befand &#x017F;ich in<lb/>
einer &#x017F;chwierigen Lage: er &#x017F;treckte das Bajonnet in der<lb/>
Stichparade zuru&#x0364;ck, und die mit Silber- und Goldmu&#x0364;nzen<lb/>
und Blumen geputzten &#x017F;erbi&#x017F;chen Ma&#x0364;dchen, die zu einer<lb/>
Hochzeit nach Fekie gingen, liefen &#x017F;chnell und in einem wei-<lb/>
ten Bogen um un&#x017F;ere verda&#x0364;chtige Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft herum. Uns<lb/>
kam die&#x017F;e Aeng&#x017F;tlichkeit &#x017F;ehr komi&#x017F;ch vor, aber wenn man<lb/>
den Zweck bedenkt, kann man &#x017F;ie doch nur loben.</p><lb/>
          <p>Als wir zu Alt-Or&#x017F;owa den o&#x0364;&#x017F;terreichi&#x017F;chen Boden be-<lb/>
traten, &#x017F;ah man, daß hier die Sache nicht mehr &#x017F;o neu<lb/>
war; wir wurden ohne Pedanterie, aber doch mit Vor&#x017F;icht,<lb/>
in die eine Viertel&#x017F;tunde entfernte Quarantaine von Schu-<lb/>
paneck abgefu&#x0364;hrt. Als Vor&#x017F;ichtsmaßregel waren aber doch<lb/>
die Schwa&#x0364;nze der Zugoch&#x017F;en fe&#x017F;tgebunden, damit &#x017F;ie nicht<lb/>
etwa einen der Fremden und gleich darauf den &#x201E;unver-<lb/>
mi&#x017F;chten&#x201C; Fuhrmann anwedeln mo&#x0364;chten. Jn der Quaran-<lb/>
taine wurden wir zu zehnta&#x0364;giger Detention verurtheilt.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[428/0438] darauf an, den Platz gegen einen Handſtreich auf Kaͤhnen oder auf dem Eiſe zu ſichern. Dieſe Feſtung iſt, ſo viel ich weiß, unter Kaiſer Leo- pold I. von den Oeſterreichern erbaut; kaum fertig, ging ſie nach dem Fall von Belgrad ohne Widerſtand an die Tuͤrken verloren, welche ſich begnuͤgt haben, der Kirche ein hoͤlzernes Minareh anzufuͤgen und alles Uebrige zu laſſen, wie ſie es gefunden. Die Jngenieure haben eine beſondere Verehrung fuͤr die Jnſelfeſtung, ſie ruͤhmen, daß ſie mit Lahom Minen nicht angegriffen werden koͤnne und halten ſie daher fuͤr die beſte in der Welt. Den Serben koͤnnen wir das Zeugniß geben, daß ſie ihre neuen Quarantaine-Vorſchriften gewiſſenhaft befolgen: als wir beim eiſernen Thor an's Land ſtiegen, waren wir mit Wachen umgeben; jedes Laͤppchen Leinwand, jede Fe- der wurde aus unſerm Pfad entfernt, weil, wenn ſie un- ſer Fuß beruͤhrte, das eiſerne Thor compromittirt werden konnte. Der Poſten, welcher mit geladenem Gewehre vor uns her ging, uns alſo den Ruͤcken drehte, befand ſich in einer ſchwierigen Lage: er ſtreckte das Bajonnet in der Stichparade zuruͤck, und die mit Silber- und Goldmuͤnzen und Blumen geputzten ſerbiſchen Maͤdchen, die zu einer Hochzeit nach Fekie gingen, liefen ſchnell und in einem wei- ten Bogen um unſere verdaͤchtige Geſellſchaft herum. Uns kam dieſe Aengſtlichkeit ſehr komiſch vor, aber wenn man den Zweck bedenkt, kann man ſie doch nur loben. Als wir zu Alt-Orſowa den oͤſterreichiſchen Boden be- traten, ſah man, daß hier die Sache nicht mehr ſo neu war; wir wurden ohne Pedanterie, aber doch mit Vorſicht, in die eine Viertelſtunde entfernte Quarantaine von Schu- paneck abgefuͤhrt. Als Vorſichtsmaßregel waren aber doch die Schwaͤnze der Zugochſen feſtgebunden, damit ſie nicht etwa einen der Fremden und gleich darauf den „unver- miſchten“ Fuhrmann anwedeln moͤchten. Jn der Quaran- taine wurden wir zu zehntaͤgiger Detention verurtheilt.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moltke_zustaende_1841
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moltke_zustaende_1841/438
Zitationshilfe: Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841, S. 428. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moltke_zustaende_1841/438>, abgerufen am 05.05.2024.