den alten römischen und neu-türkischen Trümmern nur etwa vierzig oder funfzig Menschen wohnen. Alles soll dort erst wieder geschaffen werden. Endlich ist noch zu berücksichti- gen, daß, wenn Traktate die Russen nicht mehr zurückhal- ten, hinter der Sulina zu bleiben, auch der Trajans-Wall kein Schutz gegen sie sein wird; hier hängt die Frage in- nig mit der ganzen orientalischen Verwickelung zusammen, die ihrer endlichen Entscheidung so lange schon entgegen sieht. So viel geht aber aus dieser Betrachtung hervor, daß Kanäle und Kunststraßen nicht zum Ziele führen, und man sich wohl nach wie vor des Laufs der Sulina bedie- nen wird.
Die Naturhindernisse, welche sich dort der Schifffahrt entgegen stellen, wären leicht zu überwältigen: die Barre vor der Mündung ist nicht über 100--150 Schritte breit, und hat nur auf einer kurzen Strecke die geringe Tiefe von 14--91/2 Fuß; eine Stunde unterhalb Tuldsch aliegt eine an- dere Sandbank, wo das Fahrwasser jedoch 14 Fuß Tiefe behält; man würde also mit einer ganz gewöhnlichen Bag- ger-Maschine die Fahrt immer offen erhalten, verengte man aber die Mündung durch ein paar Molen, die gar nicht tief in's Meer hineingebaut werden dürften, so würde die bloße Strömung die Einfahrt offen erhalten. Nach der Karte sollte man meinen, daß das Donau-Wasser hier fast gar kein Gefälle mehr hätte, dies ist aber so wenig der Fall, daß die Dampfschiffe in der Regel abwärts 14, auf- wärts 5 Seemeilen in der Stunde machen; die mittlere Schnelligkeit des Stroms beträgt demnach fünftehalb See- meilen, oder fast eine deutsche Meile in der Stunde. Bei niedrigem Wasser ist die Schnelligkeit freilich nur halb so groß, aber auch das ist mehr als genug, um die Mündung offen zu halten; die Frage ist nur, wer diese Arbeit über- nehmen würde. Die türkische Regierung hat nicht daran gedacht, als sie noch in einer bessern Lage war, als jetzt; die russische würde schon um Odessa's willen eher ein Jn- teresse haben, die Sulina zuzuschütten, als sie zu öffnen,
den alten roͤmiſchen und neu-tuͤrkiſchen Truͤmmern nur etwa vierzig oder funfzig Menſchen wohnen. Alles ſoll dort erſt wieder geſchaffen werden. Endlich iſt noch zu beruͤckſichti- gen, daß, wenn Traktate die Ruſſen nicht mehr zuruͤckhal- ten, hinter der Sulina zu bleiben, auch der Trajans-Wall kein Schutz gegen ſie ſein wird; hier haͤngt die Frage in- nig mit der ganzen orientaliſchen Verwickelung zuſammen, die ihrer endlichen Entſcheidung ſo lange ſchon entgegen ſieht. So viel geht aber aus dieſer Betrachtung hervor, daß Kanaͤle und Kunſtſtraßen nicht zum Ziele fuͤhren, und man ſich wohl nach wie vor des Laufs der Sulina bedie- nen wird.
Die Naturhinderniſſe, welche ſich dort der Schifffahrt entgegen ſtellen, waͤren leicht zu uͤberwaͤltigen: die Barre vor der Muͤndung iſt nicht uͤber 100—150 Schritte breit, und hat nur auf einer kurzen Strecke die geringe Tiefe von 14—9½ Fuß; eine Stunde unterhalb Tuldſch aliegt eine an- dere Sandbank, wo das Fahrwaſſer jedoch 14 Fuß Tiefe behaͤlt; man wuͤrde alſo mit einer ganz gewoͤhnlichen Bag- ger-Maſchine die Fahrt immer offen erhalten, verengte man aber die Muͤndung durch ein paar Molen, die gar nicht tief in's Meer hineingebaut werden duͤrften, ſo wuͤrde die bloße Stroͤmung die Einfahrt offen erhalten. Nach der Karte ſollte man meinen, daß das Donau-Waſſer hier faſt gar kein Gefaͤlle mehr haͤtte, dies iſt aber ſo wenig der Fall, daß die Dampfſchiffe in der Regel abwaͤrts 14, auf- waͤrts 5 Seemeilen in der Stunde machen; die mittlere Schnelligkeit des Stroms betraͤgt demnach fuͤnftehalb See- meilen, oder faſt eine deutſche Meile in der Stunde. Bei niedrigem Waſſer iſt die Schnelligkeit freilich nur halb ſo groß, aber auch das iſt mehr als genug, um die Muͤndung offen zu halten; die Frage iſt nur, wer dieſe Arbeit uͤber- nehmen wuͤrde. Die tuͤrkiſche Regierung hat nicht daran gedacht, als ſie noch in einer beſſern Lage war, als jetzt; die ruſſiſche wuͤrde ſchon um Odeſſa's willen eher ein Jn- tereſſe haben, die Sulina zuzuſchuͤtten, als ſie zu oͤffnen,
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den alten roͤmiſchen und neu-tuͤrkiſchen Truͤmmern nur etwa
vierzig oder funfzig Menſchen wohnen. Alles ſoll dort erſt
wieder geſchaffen werden. Endlich iſt noch zu beruͤckſichti-
gen, daß, wenn Traktate die Ruſſen nicht mehr zuruͤckhal-
ten, hinter der Sulina zu bleiben, auch der Trajans-Wall
kein Schutz gegen ſie ſein wird; hier haͤngt die Frage in-
nig mit der ganzen orientaliſchen Verwickelung zuſammen,
die ihrer endlichen Entſcheidung ſo lange ſchon entgegen
ſieht. So viel geht aber aus dieſer Betrachtung hervor,
daß Kanaͤle und Kunſtſtraßen nicht zum Ziele fuͤhren, und
man ſich wohl nach wie vor des Laufs der Sulina bedie-
nen wird.
Die Naturhinderniſſe, welche ſich dort der Schifffahrt
entgegen ſtellen, waͤren leicht zu uͤberwaͤltigen: die Barre
vor der Muͤndung iſt nicht uͤber 100—150 Schritte breit,
und hat nur auf einer kurzen Strecke die geringe Tiefe von
14—9½ Fuß; eine Stunde unterhalb Tuldſch aliegt eine an-
dere Sandbank, wo das Fahrwaſſer jedoch 14 Fuß Tiefe
behaͤlt; man wuͤrde alſo mit einer ganz gewoͤhnlichen Bag-
ger-Maſchine die Fahrt immer offen erhalten, verengte man
aber die Muͤndung durch ein paar Molen, die gar nicht
tief in's Meer hineingebaut werden duͤrften, ſo wuͤrde die
bloße Stroͤmung die Einfahrt offen erhalten. Nach der
Karte ſollte man meinen, daß das Donau-Waſſer hier faſt
gar kein Gefaͤlle mehr haͤtte, dies iſt aber ſo wenig der
Fall, daß die Dampfſchiffe in der Regel abwaͤrts 14, auf-
waͤrts 5 Seemeilen in der Stunde machen; die mittlere
Schnelligkeit des Stroms betraͤgt demnach fuͤnftehalb See-
meilen, oder faſt eine deutſche Meile in der Stunde. Bei
niedrigem Waſſer iſt die Schnelligkeit freilich nur halb ſo
groß, aber auch das iſt mehr als genug, um die Muͤndung
offen zu halten; die Frage iſt nur, wer dieſe Arbeit uͤber-
nehmen wuͤrde. Die tuͤrkiſche Regierung hat nicht daran
gedacht, als ſie noch in einer beſſern Lage war, als jetzt;
die ruſſiſche wuͤrde ſchon um Odeſſa's willen eher ein Jn-
tereſſe haben, die Sulina zuzuſchuͤtten, als ſie zu oͤffnen,
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Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841, S. 423. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moltke_zustaende_1841/433>, abgerufen am 26.11.2024.
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