Pascha, der noch immer für seine linke Flanke besorgt war, die Versicherung zurück, daß dem rechten eben so bedeutende Massen gegenüber ständen, als dem linken Flügel. Jbra- him-Pascha hatte in allen früheren Schlachten diesen Flü- gel umgangen, und sein Marsch am Morgen deutete die- selbe Absicht an. Jn der Schlacht am 24. Juni aber fand durchaus kein Ueberfall statt, und der Umgehung war vor Anfang des Gefechts bereits durch eine neue Aufstellung begegnet. Alles stand seit einer Stunde bereit, und die Soldaten hatten ihre Tornister hinter sich gelegt, um be- quemer zu feuern. Die Bataillone der ersten Linie hatten deployirt, die des linken Flügels ihre Tirailleurs vorgezo- gen, die Reserve-Jnfanterie stand in Colonne nach der Mitte.
Jm gerechten Vertrauen auf die Untüchtigkeit unserer Cavallerie hatte der Feind in Entfernung von einer Stunde vor unserer Front seinen Flankenmarsch ausgeführt; uns zunächst marschirte der größte Theil seiner Cavallerie und Artillerie, wohl 120 Geschütze, rechts derselben die Jnfan- terie und die Reserve von allen Waffen; die Tiefe dieser Colonne betrug wohl drei Viertelstunden. Es wurde ein kurzer Halt gemacht, dann ging die Artillerie im Trabe vor und eröffnete ihr Feuer; die Jnfanterie blieb Anfangs ganz aus unserer Schußweite zurück, zur Deckung der Ar- tillerie ging die Cavallerie mit vor. Diese Anordnung war sehr verständig, sie hatte die Folge, daß unser sehr lebhaf- tes Feuer sich auf einen weiten Raum zersplitterte und die feindliche Reserve gar nicht erreichte, während das des Gegners den ganzen Raum unserer Aufstellung mit Kugeln überschüttete. Die feindliche Artillerie war in sehr großer Entfernung abgeprotzt, von unserm rechten Flügel war sie gewiß 2000 Schritte entfernt, auf dem linken etwas nä- her, sie schoß daher mit großer Elevation. Die Kanonen- kugeln kamen wie die Granaten von oben herab, auch so matt, daß man sie mit den Augen verfolgen konnte; dieser Umstand war besonders ungünstig für uns: rückte der Feind
Paſcha, der noch immer fuͤr ſeine linke Flanke beſorgt war, die Verſicherung zuruͤck, daß dem rechten eben ſo bedeutende Maſſen gegenuͤber ſtaͤnden, als dem linken Fluͤgel. Jbra- him-Paſcha hatte in allen fruͤheren Schlachten dieſen Fluͤ- gel umgangen, und ſein Marſch am Morgen deutete die- ſelbe Abſicht an. Jn der Schlacht am 24. Juni aber fand durchaus kein Ueberfall ſtatt, und der Umgehung war vor Anfang des Gefechts bereits durch eine neue Aufſtellung begegnet. Alles ſtand ſeit einer Stunde bereit, und die Soldaten hatten ihre Torniſter hinter ſich gelegt, um be- quemer zu feuern. Die Bataillone der erſten Linie hatten deployirt, die des linken Fluͤgels ihre Tirailleurs vorgezo- gen, die Reſerve-Jnfanterie ſtand in Colonne nach der Mitte.
Jm gerechten Vertrauen auf die Untuͤchtigkeit unſerer Cavallerie hatte der Feind in Entfernung von einer Stunde vor unſerer Front ſeinen Flankenmarſch ausgefuͤhrt; uns zunaͤchſt marſchirte der groͤßte Theil ſeiner Cavallerie und Artillerie, wohl 120 Geſchuͤtze, rechts derſelben die Jnfan- terie und die Reſerve von allen Waffen; die Tiefe dieſer Colonne betrug wohl drei Viertelſtunden. Es wurde ein kurzer Halt gemacht, dann ging die Artillerie im Trabe vor und eroͤffnete ihr Feuer; die Jnfanterie blieb Anfangs ganz aus unſerer Schußweite zuruͤck, zur Deckung der Ar- tillerie ging die Cavallerie mit vor. Dieſe Anordnung war ſehr verſtaͤndig, ſie hatte die Folge, daß unſer ſehr lebhaf- tes Feuer ſich auf einen weiten Raum zerſplitterte und die feindliche Reſerve gar nicht erreichte, waͤhrend das des Gegners den ganzen Raum unſerer Aufſtellung mit Kugeln uͤberſchuͤttete. Die feindliche Artillerie war in ſehr großer Entfernung abgeprotzt, von unſerm rechten Fluͤgel war ſie gewiß 2000 Schritte entfernt, auf dem linken etwas naͤ- her, ſie ſchoß daher mit großer Elevation. Die Kanonen- kugeln kamen wie die Granaten von oben herab, auch ſo matt, daß man ſie mit den Augen verfolgen konnte; dieſer Umſtand war beſonders unguͤnſtig fuͤr uns: ruͤckte der Feind
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Paſcha, der noch immer fuͤr ſeine linke Flanke beſorgt war,
die Verſicherung zuruͤck, daß dem rechten eben ſo bedeutende
Maſſen gegenuͤber ſtaͤnden, als dem linken Fluͤgel. Jbra-
him-Paſcha hatte in allen fruͤheren Schlachten dieſen Fluͤ-
gel umgangen, und ſein Marſch am Morgen deutete die-
ſelbe Abſicht an. Jn der Schlacht am 24. Juni aber fand
durchaus kein Ueberfall ſtatt, und der Umgehung war vor
Anfang des Gefechts bereits durch eine neue Aufſtellung
begegnet. Alles ſtand ſeit einer Stunde bereit, und die
Soldaten hatten ihre Torniſter hinter ſich gelegt, um be-
quemer zu feuern. Die Bataillone der erſten Linie hatten
deployirt, die des linken Fluͤgels ihre Tirailleurs vorgezo-
gen, die Reſerve-Jnfanterie ſtand in Colonne nach der
Mitte.
Jm gerechten Vertrauen auf die Untuͤchtigkeit unſerer
Cavallerie hatte der Feind in Entfernung von einer Stunde
vor unſerer Front ſeinen Flankenmarſch ausgefuͤhrt; uns
zunaͤchſt marſchirte der groͤßte Theil ſeiner Cavallerie und
Artillerie, wohl 120 Geſchuͤtze, rechts derſelben die Jnfan-
terie und die Reſerve von allen Waffen; die Tiefe dieſer
Colonne betrug wohl drei Viertelſtunden. Es wurde ein
kurzer Halt gemacht, dann ging die Artillerie im Trabe
vor und eroͤffnete ihr Feuer; die Jnfanterie blieb Anfangs
ganz aus unſerer Schußweite zuruͤck, zur Deckung der Ar-
tillerie ging die Cavallerie mit vor. Dieſe Anordnung war
ſehr verſtaͤndig, ſie hatte die Folge, daß unſer ſehr lebhaf-
tes Feuer ſich auf einen weiten Raum zerſplitterte und die
feindliche Reſerve gar nicht erreichte, waͤhrend das des
Gegners den ganzen Raum unſerer Aufſtellung mit Kugeln
uͤberſchuͤttete. Die feindliche Artillerie war in ſehr großer
Entfernung abgeprotzt, von unſerm rechten Fluͤgel war ſie
gewiß 2000 Schritte entfernt, auf dem linken etwas naͤ-
her, ſie ſchoß daher mit großer Elevation. Die Kanonen-
kugeln kamen wie die Granaten von oben herab, auch ſo
matt, daß man ſie mit den Augen verfolgen konnte; dieſer
Umſtand war beſonders unguͤnſtig fuͤr uns: ruͤckte der Feind
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Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841, S. 394. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moltke_zustaende_1841/404>, abgerufen am 23.11.2024.
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