des Seraskiers. So weit das Auge reicht, nichts als flache Dächer, rothe Häuser und hohe Kuppeln, überragt von der Wasserleitung Kaser Valens, welche mitten durch die Stadt setzt und noch heute nach sechszehn Jahrhunderten das Was- ser für Hunderttausende von Menschen herbeileitet. Durch die weiten Bogen flimmert jenseits der Hellespont, und die asiatischen Berge schließen dies Bild.
7. Chosref Pascha.
Konstantinopel, den 20. Januar 1836.
Mehmet Chosref Pascha ist nächst dem Großherrn der mächtigste Mann im Reiche. Jn seiner Erscheinung hat er wohl kaum seines Gleichen in der Welt. Stelle Dir einen Greis von nahe an achtzig Jahren vor, der die ganze Lebendigkeit, Rührigkeit und Laune eines Jünglings bewahrt hat. Das stark rothe Gesicht mit schneeweißem Bart, eine große gebogene Nase und auffallend kleine, aber blitzende Augen bilden eine markante Physiognomie, die durch die rothe, über die Ohren herabgezogene Mütze nicht verschönert wird. Der große Kopf sitzt auf einem kleinen, breiten Körper mit kurzen, krummen Beinen. Der Anzug dieses Generals besteht in einer blauen Blouse ohne alle Ab- zeichen, weiten Pantalons und ledernen Strümpfen (Terlik).
Chosref Pascha hat sich während fünf und dreißig Jahren in den höchsten Staatsämtern zu erhalten gewußt, was seiner Gewandtheit alle Ehre macht; wenn man aber die Thaten seines langen, öffentlichen Lebens nennen soll, so erstaunt man, wie doch eigentlich fast all' sein Wirken gegen Nebenbuhler in der Gunst des Großherrn gerichtet war.
Als Chosref Pascha nach Aegypten geschickt wurde, befand sich in seinem Gefolge ein Tufenkschi-baschi oder Büchsenspanner, Namens Mehmet Aly, der zu seinem großen Verdruß nachmals Vicekönig geworden ist. Hätte
des Seraskiers. So weit das Auge reicht, nichts als flache Daͤcher, rothe Haͤuſer und hohe Kuppeln, uͤberragt von der Waſſerleitung Kaſer Valens, welche mitten durch die Stadt ſetzt und noch heute nach ſechszehn Jahrhunderten das Waſ- ſer fuͤr Hunderttauſende von Menſchen herbeileitet. Durch die weiten Bogen flimmert jenſeits der Helleſpont, und die aſiatiſchen Berge ſchließen dies Bild.
7. Chosref Paſcha.
Konſtantinopel, den 20. Januar 1836.
Mehmet Chosref Paſcha iſt naͤchſt dem Großherrn der maͤchtigſte Mann im Reiche. Jn ſeiner Erſcheinung hat er wohl kaum ſeines Gleichen in der Welt. Stelle Dir einen Greis von nahe an achtzig Jahren vor, der die ganze Lebendigkeit, Ruͤhrigkeit und Laune eines Juͤnglings bewahrt hat. Das ſtark rothe Geſicht mit ſchneeweißem Bart, eine große gebogene Naſe und auffallend kleine, aber blitzende Augen bilden eine markante Phyſiognomie, die durch die rothe, uͤber die Ohren herabgezogene Muͤtze nicht verſchoͤnert wird. Der große Kopf ſitzt auf einem kleinen, breiten Koͤrper mit kurzen, krummen Beinen. Der Anzug dieſes Generals beſteht in einer blauen Blouſe ohne alle Ab- zeichen, weiten Pantalons und ledernen Struͤmpfen (Terlik).
Chosref Paſcha hat ſich waͤhrend fuͤnf und dreißig Jahren in den hoͤchſten Staatsaͤmtern zu erhalten gewußt, was ſeiner Gewandtheit alle Ehre macht; wenn man aber die Thaten ſeines langen, oͤffentlichen Lebens nennen ſoll, ſo erſtaunt man, wie doch eigentlich faſt all' ſein Wirken gegen Nebenbuhler in der Gunſt des Großherrn gerichtet war.
Als Chosref Paſcha nach Aegypten geſchickt wurde, befand ſich in ſeinem Gefolge ein Tufenkſchi-baſchi oder Buͤchſenſpanner, Namens Mehmet Aly, der zu ſeinem großen Verdruß nachmals Vicekoͤnig geworden iſt. Haͤtte
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0038"n="28"/>
des Seraskiers. So weit das Auge reicht, nichts als flache<lb/>
Daͤcher, rothe Haͤuſer und hohe Kuppeln, uͤberragt von der<lb/>
Waſſerleitung Kaſer Valens, welche mitten durch die Stadt<lb/>ſetzt und noch heute nach ſechszehn Jahrhunderten das Waſ-<lb/>ſer fuͤr Hunderttauſende von Menſchen herbeileitet. Durch<lb/>
die weiten Bogen flimmert jenſeits der Helleſpont, und die<lb/>
aſiatiſchen Berge ſchließen dies Bild.</p></div><lb/><divn="1"><head>7.<lb/><hirendition="#b">Chosref Paſcha</hi>.</head><lb/><dateline><hirendition="#et">Konſtantinopel, den 20. Januar 1836.</hi></dateline><lb/><p><hirendition="#g">Mehmet Chosref Paſcha</hi> iſt naͤchſt dem Großherrn<lb/>
der maͤchtigſte Mann im Reiche. Jn ſeiner Erſcheinung<lb/>
hat er wohl kaum ſeines Gleichen in der Welt. Stelle<lb/>
Dir einen Greis von nahe an achtzig Jahren vor, der die<lb/>
ganze Lebendigkeit, Ruͤhrigkeit und Laune eines Juͤnglings<lb/>
bewahrt hat. Das ſtark rothe Geſicht mit ſchneeweißem<lb/>
Bart, eine große gebogene Naſe und auffallend kleine, aber<lb/>
blitzende Augen bilden eine markante Phyſiognomie, die<lb/>
durch die rothe, uͤber die Ohren herabgezogene Muͤtze nicht<lb/>
verſchoͤnert wird. Der große Kopf ſitzt auf einem kleinen,<lb/>
breiten Koͤrper mit kurzen, krummen Beinen. Der Anzug<lb/>
dieſes Generals beſteht in einer blauen Blouſe ohne alle Ab-<lb/>
zeichen, weiten Pantalons und ledernen Struͤmpfen (Terlik).</p><lb/><p><hirendition="#g">Chosref Paſcha</hi> hat ſich waͤhrend fuͤnf und dreißig<lb/>
Jahren in den hoͤchſten Staatsaͤmtern zu erhalten gewußt,<lb/>
was ſeiner Gewandtheit alle Ehre macht; wenn man aber<lb/>
die Thaten ſeines langen, oͤffentlichen Lebens nennen ſoll, ſo<lb/>
erſtaunt man, wie doch eigentlich faſt all' ſein Wirken gegen<lb/>
Nebenbuhler in der Gunſt des Großherrn gerichtet war.</p><lb/><p>Als <hirendition="#g">Chosref Paſcha</hi> nach Aegypten geſchickt wurde,<lb/>
befand ſich in ſeinem Gefolge ein Tufenkſchi-baſchi oder<lb/>
Buͤchſenſpanner, Namens <hirendition="#g">Mehmet Aly</hi>, der zu ſeinem<lb/>
großen Verdruß nachmals Vicekoͤnig geworden iſt. Haͤtte<lb/></p></div></body></text></TEI>
[28/0038]
des Seraskiers. So weit das Auge reicht, nichts als flache
Daͤcher, rothe Haͤuſer und hohe Kuppeln, uͤberragt von der
Waſſerleitung Kaſer Valens, welche mitten durch die Stadt
ſetzt und noch heute nach ſechszehn Jahrhunderten das Waſ-
ſer fuͤr Hunderttauſende von Menſchen herbeileitet. Durch
die weiten Bogen flimmert jenſeits der Helleſpont, und die
aſiatiſchen Berge ſchließen dies Bild.
7.
Chosref Paſcha.
Konſtantinopel, den 20. Januar 1836.
Mehmet Chosref Paſcha iſt naͤchſt dem Großherrn
der maͤchtigſte Mann im Reiche. Jn ſeiner Erſcheinung
hat er wohl kaum ſeines Gleichen in der Welt. Stelle
Dir einen Greis von nahe an achtzig Jahren vor, der die
ganze Lebendigkeit, Ruͤhrigkeit und Laune eines Juͤnglings
bewahrt hat. Das ſtark rothe Geſicht mit ſchneeweißem
Bart, eine große gebogene Naſe und auffallend kleine, aber
blitzende Augen bilden eine markante Phyſiognomie, die
durch die rothe, uͤber die Ohren herabgezogene Muͤtze nicht
verſchoͤnert wird. Der große Kopf ſitzt auf einem kleinen,
breiten Koͤrper mit kurzen, krummen Beinen. Der Anzug
dieſes Generals beſteht in einer blauen Blouſe ohne alle Ab-
zeichen, weiten Pantalons und ledernen Struͤmpfen (Terlik).
Chosref Paſcha hat ſich waͤhrend fuͤnf und dreißig
Jahren in den hoͤchſten Staatsaͤmtern zu erhalten gewußt,
was ſeiner Gewandtheit alle Ehre macht; wenn man aber
die Thaten ſeines langen, oͤffentlichen Lebens nennen ſoll, ſo
erſtaunt man, wie doch eigentlich faſt all' ſein Wirken gegen
Nebenbuhler in der Gunſt des Großherrn gerichtet war.
Als Chosref Paſcha nach Aegypten geſchickt wurde,
befand ſich in ſeinem Gefolge ein Tufenkſchi-baſchi oder
Buͤchſenſpanner, Namens Mehmet Aly, der zu ſeinem
großen Verdruß nachmals Vicekoͤnig geworden iſt. Haͤtte
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moltke_zustaende_1841/38>, abgerufen am 27.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.