letzten Feldzüge Hussein-Pascha und Reschid-Pascha zum Voraus mit Syrien belehnt; möchte man doch nicht zum dritten Male Syrien vergeben, ehe es erobert ist. -- Möchte man es überhaupt in der Art nicht wieder ver- geben.
Die Reformen, welche Se. Hoheit für nöthig erkannt, finden in der Ausführung die Hauptschwierigkeit darin, daß überall Männer aus ihren Aemtern verdrängt werden müssen, die sie gültiger Weise besitzen, welche sie sich zum Theil gekauft, und in denen sie sich durch Sitte und Her- kommen für völlig berechtigt halten, große Erwerbe auf Kosten der Steuerpflichtigen zu machen. Jn einer neuer- worbenen Provinz würden die in der Verwaltung unab- weislich gewordenen Aenderungen sich um vieles leichter einführen lassen, und gerade von einer solchen Provinz aus könnte sich die Reform am schnellsten über die übrigen Theile des Reichs verbreiten.
Gestatten Sie mir, die Eroberung Syriens (die ich keineswegs für leicht, aber noch viel weniger für unmög- lich halte) einen Augenblick als beabsichtigt vorauszusetzen. Findet man es für nöthig, Syrien einem Pascha zu über- tragen, so dürfte dieser auch nicht länger Oberbefehlshaber der Truppen sein; durch die Trennung der militairischen und bürgerlichen Gewalt würden Machtanmaßungen, wie sie in der osmanischen Geschichte so häufig sind, und wie sie Mehmet-Aly in unsern Tagen erneuert, überhaupt vermieden werden.
Es ist bekannt, wie bei der jetzigen Steuer-Erhebung kaum der fünfte, vielleicht kaum der zehnte Theil der Ab- gaben in die Staatskasse fließt. Führt man nun den bis- herigen Modus des Jltesam oder der Steuer-Verpachtung, die Müsselim-Verwaltung, die Angaria oder Frohnen, die Zwangs-Käufe, das System der Jkram oder Geschenke und Freihaltung auf Kosten der Gemeinden, die gewaltsame Re- kruten-Aushebung, die bekannten und doch geduldeten Ver- untreuungen und Unterschleife, die Beförderungen nach Gunst,
letzten Feldzuͤge Huſſein-Paſcha und Reſchid-Paſcha zum Voraus mit Syrien belehnt; moͤchte man doch nicht zum dritten Male Syrien vergeben, ehe es erobert iſt. — Moͤchte man es uͤberhaupt in der Art nicht wieder ver- geben.
Die Reformen, welche Se. Hoheit fuͤr noͤthig erkannt, finden in der Ausfuͤhrung die Hauptſchwierigkeit darin, daß uͤberall Maͤnner aus ihren Aemtern verdraͤngt werden muͤſſen, die ſie guͤltiger Weiſe beſitzen, welche ſie ſich zum Theil gekauft, und in denen ſie ſich durch Sitte und Her- kommen fuͤr voͤllig berechtigt halten, große Erwerbe auf Koſten der Steuerpflichtigen zu machen. Jn einer neuer- worbenen Provinz wuͤrden die in der Verwaltung unab- weislich gewordenen Aenderungen ſich um vieles leichter einfuͤhren laſſen, und gerade von einer ſolchen Provinz aus koͤnnte ſich die Reform am ſchnellſten uͤber die uͤbrigen Theile des Reichs verbreiten.
Geſtatten Sie mir, die Eroberung Syriens (die ich keineswegs fuͤr leicht, aber noch viel weniger fuͤr unmoͤg- lich halte) einen Augenblick als beabſichtigt vorauszuſetzen. Findet man es fuͤr noͤthig, Syrien einem Paſcha zu uͤber- tragen, ſo duͤrfte dieſer auch nicht laͤnger Oberbefehlshaber der Truppen ſein; durch die Trennung der militairiſchen und buͤrgerlichen Gewalt wuͤrden Machtanmaßungen, wie ſie in der osmaniſchen Geſchichte ſo haͤufig ſind, und wie ſie Mehmet-Aly in unſern Tagen erneuert, uͤberhaupt vermieden werden.
Es iſt bekannt, wie bei der jetzigen Steuer-Erhebung kaum der fuͤnfte, vielleicht kaum der zehnte Theil der Ab- gaben in die Staatskaſſe fließt. Fuͤhrt man nun den bis- herigen Modus des Jlteſam oder der Steuer-Verpachtung, die Muͤſſelim-Verwaltung, die Angaria oder Frohnen, die Zwangs-Kaͤufe, das Syſtem der Jkram oder Geſchenke und Freihaltung auf Koſten der Gemeinden, die gewaltſame Re- kruten-Aushebung, die bekannten und doch geduldeten Ver- untreuungen und Unterſchleife, die Befoͤrderungen nach Gunſt,
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letzten Feldzuͤge Huſſein-Paſcha und Reſchid-Paſcha
zum Voraus mit Syrien belehnt; moͤchte man doch nicht
zum dritten Male Syrien vergeben, ehe es erobert iſt. —
Moͤchte man es uͤberhaupt in der Art nicht wieder ver-
geben.
Die Reformen, welche Se. Hoheit fuͤr noͤthig erkannt,
finden in der Ausfuͤhrung die Hauptſchwierigkeit darin,
daß uͤberall Maͤnner aus ihren Aemtern verdraͤngt werden
muͤſſen, die ſie guͤltiger Weiſe beſitzen, welche ſie ſich zum
Theil gekauft, und in denen ſie ſich durch Sitte und Her-
kommen fuͤr voͤllig berechtigt halten, große Erwerbe auf
Koſten der Steuerpflichtigen zu machen. Jn einer neuer-
worbenen Provinz wuͤrden die in der Verwaltung unab-
weislich gewordenen Aenderungen ſich um vieles leichter
einfuͤhren laſſen, und gerade von einer ſolchen Provinz aus
koͤnnte ſich die Reform am ſchnellſten uͤber die uͤbrigen
Theile des Reichs verbreiten.
Geſtatten Sie mir, die Eroberung Syriens (die ich
keineswegs fuͤr leicht, aber noch viel weniger fuͤr unmoͤg-
lich halte) einen Augenblick als beabſichtigt vorauszuſetzen.
Findet man es fuͤr noͤthig, Syrien einem Paſcha zu uͤber-
tragen, ſo duͤrfte dieſer auch nicht laͤnger Oberbefehlshaber
der Truppen ſein; durch die Trennung der militairiſchen
und buͤrgerlichen Gewalt wuͤrden Machtanmaßungen, wie
ſie in der osmaniſchen Geſchichte ſo haͤufig ſind, und wie
ſie Mehmet-Aly in unſern Tagen erneuert, uͤberhaupt
vermieden werden.
Es iſt bekannt, wie bei der jetzigen Steuer-Erhebung
kaum der fuͤnfte, vielleicht kaum der zehnte Theil der Ab-
gaben in die Staatskaſſe fließt. Fuͤhrt man nun den bis-
herigen Modus des Jlteſam oder der Steuer-Verpachtung,
die Muͤſſelim-Verwaltung, die Angaria oder Frohnen, die
Zwangs-Kaͤufe, das Syſtem der Jkram oder Geſchenke und
Freihaltung auf Koſten der Gemeinden, die gewaltſame Re-
kruten-Aushebung, die bekannten und doch geduldeten Ver-
untreuungen und Unterſchleife, die Befoͤrderungen nach Gunſt,
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Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841, S. 347. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moltke_zustaende_1841/357>, abgerufen am 25.11.2024.
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