seiner Gesellschaft nach der Stadt zurück kehrte; der Mann mochte mich bei dem Pascha gesehen haben, und nahm sich vor, mir eine Höflichkeit anzuthun. Ehe ich mir's versah, hatte er mich beim Arm und stellte mir seinen Esel-Hengst vor: "Setze dich auf, Gjösüm" (mein Augenpaar). Jch dankte verbindlichst und bat zu erlauben, daß ich meines Weges ziehe. "Vallahi! es ist schade um dich, daß du zu Fuße gehen sollst." Jch sagte, daß ich einen ganzen Stall voll Pferde und Maulesel habe, aber der Mann bestand auf seinem Vorhaben; da es nun nicht anders sein konnte, so -- setzte ich mich zwar nicht auf den Esel, aber ging nach Hause und ritt spazieren, da ich doch lieber spazieren ge- gangen wäre.
Die Truppen in Biradschik sind ebenfalls meine alten Bekannten, es wird täglich exerziert; die Offiziere vom höch- sten bis zum niedrigsten zeigen die größte Bereitwilligkeit, sich zu unterrichten, und freuten sich über die Einfachheit der Manöver.
Jn Biradschik fand ich Anfangs Februar die Felder mit grünen Saaten bedeckt; die Büsche hatten schon kleine Blätter und die Araber badeten sich im Fluß.
Jch nehme einen Plan der höchst interessanten Umge- bung auf, und durchkrieche das wunderbare alte Schloß; da sind weite Reihen von Gewölben, die seit Jahrhunderten verschüttet sein mögen. Es ist ein Riesenwerk, dieses alte Gebäude, und das Erdbeben selbst hat es nicht zu zerstören vermocht; ich habe Dir früher schon davon erzählt. Von Biradschik machte ich eine kleine Ausflucht nach Nisib, einem Städtchen, hinter welchem die ägyptische Grenze anfängt; das Städtchen liegt in einem Walde von Oelbäumen, der circa 64,000 Stämme zählt. Die Zahl ist bekannt, weil jeder Baum mit einem Silbergroschen, nach unserm Geld, Steuer belastet ist. Ein großer Baum giebt 5- bis 600 Pfund Oliven.
Der Müsselim von Nisib glaubte sich verpflichtet, dem vom "großen Pascha" Gesendeten ein Pferd zu schenken,
ſeiner Geſellſchaft nach der Stadt zuruͤck kehrte; der Mann mochte mich bei dem Paſcha geſehen haben, und nahm ſich vor, mir eine Hoͤflichkeit anzuthun. Ehe ich mir's verſah, hatte er mich beim Arm und ſtellte mir ſeinen Eſel-Hengſt vor: „Setze dich auf, Gjoͤſuͤm“ (mein Augenpaar). Jch dankte verbindlichſt und bat zu erlauben, daß ich meines Weges ziehe. „Vallahi! es iſt ſchade um dich, daß du zu Fuße gehen ſollſt.“ Jch ſagte, daß ich einen ganzen Stall voll Pferde und Mauleſel habe, aber der Mann beſtand auf ſeinem Vorhaben; da es nun nicht anders ſein konnte, ſo — ſetzte ich mich zwar nicht auf den Eſel, aber ging nach Hauſe und ritt ſpazieren, da ich doch lieber ſpazieren ge- gangen waͤre.
Die Truppen in Biradſchik ſind ebenfalls meine alten Bekannten, es wird taͤglich exerziert; die Offiziere vom hoͤch- ſten bis zum niedrigſten zeigen die groͤßte Bereitwilligkeit, ſich zu unterrichten, und freuten ſich uͤber die Einfachheit der Manoͤver.
Jn Biradſchik fand ich Anfangs Februar die Felder mit gruͤnen Saaten bedeckt; die Buͤſche hatten ſchon kleine Blaͤtter und die Araber badeten ſich im Fluß.
Jch nehme einen Plan der hoͤchſt intereſſanten Umge- bung auf, und durchkrieche das wunderbare alte Schloß; da ſind weite Reihen von Gewoͤlben, die ſeit Jahrhunderten verſchuͤttet ſein moͤgen. Es iſt ein Rieſenwerk, dieſes alte Gebaͤude, und das Erdbeben ſelbſt hat es nicht zu zerſtoͤren vermocht; ich habe Dir fruͤher ſchon davon erzaͤhlt. Von Biradſchik machte ich eine kleine Ausflucht nach Niſib, einem Staͤdtchen, hinter welchem die aͤgyptiſche Grenze anfaͤngt; das Staͤdtchen liegt in einem Walde von Oelbaͤumen, der circa 64,000 Staͤmme zaͤhlt. Die Zahl iſt bekannt, weil jeder Baum mit einem Silbergroſchen, nach unſerm Geld, Steuer belaſtet iſt. Ein großer Baum giebt 5- bis 600 Pfund Oliven.
Der Muͤſſelim von Niſib glaubte ſich verpflichtet, dem vom „großen Paſcha“ Geſendeten ein Pferd zu ſchenken,
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ſeiner Geſellſchaft nach der Stadt zuruͤck kehrte; der Mann
mochte mich bei dem Paſcha geſehen haben, und nahm ſich
vor, mir eine Hoͤflichkeit anzuthun. Ehe ich mir's verſah,
hatte er mich beim Arm und ſtellte mir ſeinen Eſel-Hengſt
vor: „Setze dich auf, Gjoͤſuͤm“ (mein Augenpaar). Jch
dankte verbindlichſt und bat zu erlauben, daß ich meines
Weges ziehe. „Vallahi! es iſt ſchade um dich, daß du zu
Fuße gehen ſollſt.“ Jch ſagte, daß ich einen ganzen Stall
voll Pferde und Mauleſel habe, aber der Mann beſtand auf
ſeinem Vorhaben; da es nun nicht anders ſein konnte, ſo
— ſetzte ich mich zwar nicht auf den Eſel, aber ging nach
Hauſe und ritt ſpazieren, da ich doch lieber ſpazieren ge-
gangen waͤre.
Die Truppen in Biradſchik ſind ebenfalls meine alten
Bekannten, es wird taͤglich exerziert; die Offiziere vom hoͤch-
ſten bis zum niedrigſten zeigen die groͤßte Bereitwilligkeit,
ſich zu unterrichten, und freuten ſich uͤber die Einfachheit
der Manoͤver.
Jn Biradſchik fand ich Anfangs Februar die Felder
mit gruͤnen Saaten bedeckt; die Buͤſche hatten ſchon kleine
Blaͤtter und die Araber badeten ſich im Fluß.
Jch nehme einen Plan der hoͤchſt intereſſanten Umge-
bung auf, und durchkrieche das wunderbare alte Schloß;
da ſind weite Reihen von Gewoͤlben, die ſeit Jahrhunderten
verſchuͤttet ſein moͤgen. Es iſt ein Rieſenwerk, dieſes alte
Gebaͤude, und das Erdbeben ſelbſt hat es nicht zu zerſtoͤren
vermocht; ich habe Dir fruͤher ſchon davon erzaͤhlt. Von
Biradſchik machte ich eine kleine Ausflucht nach Niſib, einem
Staͤdtchen, hinter welchem die aͤgyptiſche Grenze anfaͤngt;
das Staͤdtchen liegt in einem Walde von Oelbaͤumen, der
circa 64,000 Staͤmme zaͤhlt. Die Zahl iſt bekannt, weil
jeder Baum mit einem Silbergroſchen, nach unſerm Geld,
Steuer belaſtet iſt. Ein großer Baum giebt 5- bis 600
Pfund Oliven.
Der Muͤſſelim von Niſib glaubte ſich verpflichtet, dem
vom „großen Paſcha“ Geſendeten ein Pferd zu ſchenken,
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Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841, S. 345. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moltke_zustaende_1841/355>, abgerufen am 22.11.2024.
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