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Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841.

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und ich habe Gelegenheit, die Parallele zwischen den dortigen
Zuständen und denjenigen zu ziehen, welche uns hier um-
ringen. Ach, lieber Freund, könnten wir die Mißvergnüg-
ten und Frondeurs doch von Zeit zu Zeit auf vierzehn Tage
nach Malatia hinzaubern, wie würden sie sich nach den Jn-
stitutionen zurück sehnen, die sie jetzt mit der ganzen Schärfe
und Bitterkeit ihrer Kritik herabsetzen. Der Pascha läßt
sich gern das Jnteressanteste aus der Zeitung erzählen; er
spricht mir von einer Reise nach Stambul; früher kam das
Städtchen mir vor, als ob es ein wenig aus der Welt
läge, jetzt würde ich glauben, dort au beau milieu de Paris
zu sein. Ueberhaupt, wie wird es uns vorkommen, wenn
wir einmal wieder ein Gericht Kartoffeln, einen gewichsten
Stiefel mit blank geputzten Sporen, oder eine ähnliche eu-
ropäische Erscheinung zu sehen bekommen.

Nun gute Nacht, das Feuer ist ausgegangen und die
Tinte friert an. Nur noch herzliche Grüße.

N. S. Wenn es übermorgen, am Weihnachts-Abend,
bei Dir spukt, so bin ich's gewesen.

56.
Reise nach Orfa. -- Das Dscherid-Werfen. -- Die
Höhlen. -- Das Schloß des Nimrod.

Am 19. d. Mts. verließ ich Malatia, und war recht
froh, daß ich das Städtchen mit dem ominösen Namen
einmal im Rücken hatte. Jch reiste mit eigenen Pferden,
da aber der Weg sehr schwierig und mein Tschausch mir
eins meiner besten Thiere gleich auf dem ersten Marsch bug-
lahm geritten, so schickte ich meinen Seis zurück und nahm
Postpferde. Den zweiten Tag erstiegen wir das steile Ge-
birge Göslen-Dagh und übernachteten im Dorfe Erkenek
am Hange eines tiefen Felsthals; es lag auf der Höhe sehr
viel Schnee, und unsere kleine Caravane wanderte auf einem

und ich habe Gelegenheit, die Parallele zwiſchen den dortigen
Zuſtaͤnden und denjenigen zu ziehen, welche uns hier um-
ringen. Ach, lieber Freund, koͤnnten wir die Mißvergnuͤg-
ten und Frondeurs doch von Zeit zu Zeit auf vierzehn Tage
nach Malatia hinzaubern, wie wuͤrden ſie ſich nach den Jn-
ſtitutionen zuruͤck ſehnen, die ſie jetzt mit der ganzen Schaͤrfe
und Bitterkeit ihrer Kritik herabſetzen. Der Paſcha laͤßt
ſich gern das Jntereſſanteſte aus der Zeitung erzaͤhlen; er
ſpricht mir von einer Reiſe nach Stambul; fruͤher kam das
Staͤdtchen mir vor, als ob es ein wenig aus der Welt
laͤge, jetzt wuͤrde ich glauben, dort au beau milieu de Paris
zu ſein. Ueberhaupt, wie wird es uns vorkommen, wenn
wir einmal wieder ein Gericht Kartoffeln, einen gewichsten
Stiefel mit blank geputzten Sporen, oder eine aͤhnliche eu-
ropaͤiſche Erſcheinung zu ſehen bekommen.

Nun gute Nacht, das Feuer iſt ausgegangen und die
Tinte friert an. Nur noch herzliche Gruͤße.

N. S. Wenn es uͤbermorgen, am Weihnachts-Abend,
bei Dir ſpukt, ſo bin ich's geweſen.

56.
Reiſe nach Orfa. — Das Dſcherid-Werfen. — Die
Hoͤhlen. — Das Schloß des Nimrod.

Am 19. d. Mts. verließ ich Malatia, und war recht
froh, daß ich das Staͤdtchen mit dem ominoͤſen Namen
einmal im Ruͤcken hatte. Jch reiſte mit eigenen Pferden,
da aber der Weg ſehr ſchwierig und mein Tſchauſch mir
eins meiner beſten Thiere gleich auf dem erſten Marſch bug-
lahm geritten, ſo ſchickte ich meinen Seïs zuruͤck und nahm
Poſtpferde. Den zweiten Tag erſtiegen wir das ſteile Ge-
birge Goͤslen-Dagh und uͤbernachteten im Dorfe Erkenek
am Hange eines tiefen Felsthals; es lag auf der Hoͤhe ſehr
viel Schnee, und unſere kleine Caravane wanderte auf einem

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[339/0349] und ich habe Gelegenheit, die Parallele zwiſchen den dortigen Zuſtaͤnden und denjenigen zu ziehen, welche uns hier um- ringen. Ach, lieber Freund, koͤnnten wir die Mißvergnuͤg- ten und Frondeurs doch von Zeit zu Zeit auf vierzehn Tage nach Malatia hinzaubern, wie wuͤrden ſie ſich nach den Jn- ſtitutionen zuruͤck ſehnen, die ſie jetzt mit der ganzen Schaͤrfe und Bitterkeit ihrer Kritik herabſetzen. Der Paſcha laͤßt ſich gern das Jntereſſanteſte aus der Zeitung erzaͤhlen; er ſpricht mir von einer Reiſe nach Stambul; fruͤher kam das Staͤdtchen mir vor, als ob es ein wenig aus der Welt laͤge, jetzt wuͤrde ich glauben, dort au beau milieu de Paris zu ſein. Ueberhaupt, wie wird es uns vorkommen, wenn wir einmal wieder ein Gericht Kartoffeln, einen gewichsten Stiefel mit blank geputzten Sporen, oder eine aͤhnliche eu- ropaͤiſche Erſcheinung zu ſehen bekommen. Nun gute Nacht, das Feuer iſt ausgegangen und die Tinte friert an. Nur noch herzliche Gruͤße. N. S. Wenn es uͤbermorgen, am Weihnachts-Abend, bei Dir ſpukt, ſo bin ich's geweſen. 56. Reiſe nach Orfa. — Das Dſcherid-Werfen. — Die Hoͤhlen. — Das Schloß des Nimrod. Biradſchik, den 27. Januar 1839. Am 19. d. Mts. verließ ich Malatia, und war recht froh, daß ich das Staͤdtchen mit dem ominoͤſen Namen einmal im Ruͤcken hatte. Jch reiſte mit eigenen Pferden, da aber der Weg ſehr ſchwierig und mein Tſchauſch mir eins meiner beſten Thiere gleich auf dem erſten Marſch bug- lahm geritten, ſo ſchickte ich meinen Seïs zuruͤck und nahm Poſtpferde. Den zweiten Tag erſtiegen wir das ſteile Ge- birge Goͤslen-Dagh und uͤbernachteten im Dorfe Erkenek am Hange eines tiefen Felsthals; es lag auf der Hoͤhe ſehr viel Schnee, und unſere kleine Caravane wanderte auf einem

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Zitationshilfe: Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841, S. 339. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moltke_zustaende_1841/349>, abgerufen am 22.11.2024.