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Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841.

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54.
Der Ramasan. -- Türkische Reiterkünste.

Seit meiner letzten Reise war ich sehr beschäftigt mit
Auszeichnen meiner Karte von Asien und mit Exerzieren;
die erstere habe ich gestern dem Pascha überreicht, welcher
sehr zufrieden war, und den Lieutenant, welcher unter mei-
ner Aufsicht daran gearbeitet, auf der Stelle zum Capitain
machte.

Da wir noch immer ununterbrochen das schönste Wet-
ter haben (obwohl der Schnee auf den Bergen in jeder
Nacht eine Stufe näher herabrückt) und da eine bedeu-
tende Truppenmasse in Malatia concentrirt steht, so war die
Gelegenheit sehr günstig, um große Truppenübungen trotz
der vorgerückten Jahreszeit auszuführen. Wir haben mit
vierzig Bataillonen und achtzig Geschützen manövrirt, was
bisher, bei dem gänzlichen Mangel an Bestimmungen für
die Bewegung größerer zusammengesetzter Truppenkörper,
ganz unmöglich war.

Bei den Sitten dieses Landes ist eine Unterbringung
des Militairs, wie bei uns, nicht möglich; es muß entwe-
der der Wirth oder die Einquartierung zum Hause hinaus.
Jn Malatia ist das erstere Auskunftsmittel gewählt; die
gesammten 12,000 Einwohner sind eingeladen, für diesen
Winter in ihren Sommerwohnungen zu Asbusu zu verwei-
len, die Stadt aber bildet eine einzige große Kaserne, in
welcher Du weder Frauen, Kinder noch Greise, sondern
nur Soldaten siehst. Da die Häuser genau aus demselben
Material aufgeführt sind, aus welchem die Schwalben ihre
Nester bauen, so schneidet man sich in zwei Minuten ein
Fenster oder eine Thür ein, oder wirft eine Mauer nieder,
und der Hauseigner, wenn er später wieder in seine Woh-
nung tritt, findet sich kaum mehr zurecht in seinem eigenen
Besitzthum; er findet es aber, glaub' ich, selten verschönert.

54.
Der Ramaſan. — Tuͤrkiſche Reiterkuͤnſte.

Seit meiner letzten Reiſe war ich ſehr beſchaͤftigt mit
Auszeichnen meiner Karte von Aſien und mit Exerzieren;
die erſtere habe ich geſtern dem Paſcha uͤberreicht, welcher
ſehr zufrieden war, und den Lieutenant, welcher unter mei-
ner Aufſicht daran gearbeitet, auf der Stelle zum Capitain
machte.

Da wir noch immer ununterbrochen das ſchoͤnſte Wet-
ter haben (obwohl der Schnee auf den Bergen in jeder
Nacht eine Stufe naͤher herabruͤckt) und da eine bedeu-
tende Truppenmaſſe in Malatia concentrirt ſteht, ſo war die
Gelegenheit ſehr guͤnſtig, um große Truppenuͤbungen trotz
der vorgeruͤckten Jahreszeit auszufuͤhren. Wir haben mit
vierzig Bataillonen und achtzig Geſchuͤtzen manoͤvrirt, was
bisher, bei dem gaͤnzlichen Mangel an Beſtimmungen fuͤr
die Bewegung groͤßerer zuſammengeſetzter Truppenkoͤrper,
ganz unmoͤglich war.

Bei den Sitten dieſes Landes iſt eine Unterbringung
des Militairs, wie bei uns, nicht moͤglich; es muß entwe-
der der Wirth oder die Einquartierung zum Hauſe hinaus.
Jn Malatia iſt das erſtere Auskunftsmittel gewaͤhlt; die
geſammten 12,000 Einwohner ſind eingeladen, fuͤr dieſen
Winter in ihren Sommerwohnungen zu Asbuſu zu verwei-
len, die Stadt aber bildet eine einzige große Kaſerne, in
welcher Du weder Frauen, Kinder noch Greiſe, ſondern
nur Soldaten ſiehſt. Da die Haͤuſer genau aus demſelben
Material aufgefuͤhrt ſind, aus welchem die Schwalben ihre
Neſter bauen, ſo ſchneidet man ſich in zwei Minuten ein
Fenſter oder eine Thuͤr ein, oder wirft eine Mauer nieder,
und der Hauseigner, wenn er ſpaͤter wieder in ſeine Woh-
nung tritt, findet ſich kaum mehr zurecht in ſeinem eigenen
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[332/0342] 54. Der Ramaſan. — Tuͤrkiſche Reiterkuͤnſte. Malatia, den 8. Dezember 1838. Seit meiner letzten Reiſe war ich ſehr beſchaͤftigt mit Auszeichnen meiner Karte von Aſien und mit Exerzieren; die erſtere habe ich geſtern dem Paſcha uͤberreicht, welcher ſehr zufrieden war, und den Lieutenant, welcher unter mei- ner Aufſicht daran gearbeitet, auf der Stelle zum Capitain machte. Da wir noch immer ununterbrochen das ſchoͤnſte Wet- ter haben (obwohl der Schnee auf den Bergen in jeder Nacht eine Stufe naͤher herabruͤckt) und da eine bedeu- tende Truppenmaſſe in Malatia concentrirt ſteht, ſo war die Gelegenheit ſehr guͤnſtig, um große Truppenuͤbungen trotz der vorgeruͤckten Jahreszeit auszufuͤhren. Wir haben mit vierzig Bataillonen und achtzig Geſchuͤtzen manoͤvrirt, was bisher, bei dem gaͤnzlichen Mangel an Beſtimmungen fuͤr die Bewegung groͤßerer zuſammengeſetzter Truppenkoͤrper, ganz unmoͤglich war. Bei den Sitten dieſes Landes iſt eine Unterbringung des Militairs, wie bei uns, nicht moͤglich; es muß entwe- der der Wirth oder die Einquartierung zum Hauſe hinaus. Jn Malatia iſt das erſtere Auskunftsmittel gewaͤhlt; die geſammten 12,000 Einwohner ſind eingeladen, fuͤr dieſen Winter in ihren Sommerwohnungen zu Asbuſu zu verwei- len, die Stadt aber bildet eine einzige große Kaſerne, in welcher Du weder Frauen, Kinder noch Greiſe, ſondern nur Soldaten ſiehſt. Da die Haͤuſer genau aus demſelben Material aufgefuͤhrt ſind, aus welchem die Schwalben ihre Neſter bauen, ſo ſchneidet man ſich in zwei Minuten ein Fenſter oder eine Thuͤr ein, oder wirft eine Mauer nieder, und der Hauseigner, wenn er ſpaͤter wieder in ſeine Woh- nung tritt, findet ſich kaum mehr zurecht in ſeinem eigenen Beſitzthum; er findet es aber, glaub' ich, ſelten verſchoͤnert.

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Zitationshilfe: Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841, S. 332. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moltke_zustaende_1841/342>, abgerufen am 22.11.2024.