abschnitten? -- Nein, bloß die Schwänze. -- Ob Quellen bei uns flössen? -- Ja, wenn sie nicht zugefroren sind. -- Ob es Kameele bei uns gäbe? -- Ja, aber bloß zum An- sehen für Geld. -- Ob Citronen wüchsen? -- Nein. -- Ob wir viele Büffel hätten? -- Nein. -- Beinahe hätte er gefragt, ob die Sonne bei uns schiene, oder ob wir bloß eine Gasbeleuchtung hätten; er unterdrückte indeß mit einem erstickten Allah! Allah! die Bemerkung, daß mein Land wohl ursprünglich nur für Eisbären bestimmt sei.
Das große Zelt, in welchem wir uns befanden, war eigentlich das drawing room des Bey, die Winterzelte der Turkmanen sind sonst klein und backofenförmig; sie bestehen aus einem kreisförmigen Gitter, überdeckt von einem Dom aus leichten zierlich gefugten Stäben, das Ganze ist mit Filz überzogen und mit langen Halftern umwickelt. Wenn man in ein solches Zelt ein Kohlenbecken setzt, so ist es bald wie eine Badstube.
Das fürstliche Diner bestand aus Milch, Reis, Käse und Brot; um einen schwierigen Etikette-Punkt zu umge- hen, wurde die Tafel vor mir gedeckt, d. h. ein Leder an die Erde ausgebreitet und hölzerne Löffel darauf gelegt; die ganze Gesellschaft kam dann dort hin. Der Bey aber blieb sitzen und aß erst, nachdem wir fertig waren.
Nach der Mahlzeit fing das Ballet an; es schien mir wirklich viel unterhaltender als die im Opernhause zu Ber- lin, und war jedenfalls wohlfeiler in Scene zu setzen. Jch will Dir eine Beschreibung davon geben:
Der Schauplatz stellt einen schönen Wiesenplan dar, im Hintergrunde begrenzt durch hohe schneebedeckte Berge, über welche sich eben die fein geschweifte Sichel des Neu- mondes erhebt; statt der Lampen-Beleuchtung lodert in der Mitte ein Feuer aus mächtigen Fichtenstämmen; das Or- chester besteht aus einer großen Trommel und zwei Dudel- säcken, die ihre Symphonie mit besonderm Nachdruck vor- tragen. Das Publikum ist allerdings sehr gemischt, außer uns meist Büffel und Kameele, die ihre langen wunderlichen
abſchnitten? — Nein, bloß die Schwaͤnze. — Ob Quellen bei uns floͤſſen? — Ja, wenn ſie nicht zugefroren ſind. — Ob es Kameele bei uns gaͤbe? — Ja, aber bloß zum An- ſehen fuͤr Geld. — Ob Citronen wuͤchſen? — Nein. — Ob wir viele Buͤffel haͤtten? — Nein. — Beinahe haͤtte er gefragt, ob die Sonne bei uns ſchiene, oder ob wir bloß eine Gasbeleuchtung haͤtten; er unterdruͤckte indeß mit einem erſtickten Allah! Allah! die Bemerkung, daß mein Land wohl urſpruͤnglich nur fuͤr Eisbaͤren beſtimmt ſei.
Das große Zelt, in welchem wir uns befanden, war eigentlich das drawing room des Bey, die Winterzelte der Turkmanen ſind ſonſt klein und backofenfoͤrmig; ſie beſtehen aus einem kreisfoͤrmigen Gitter, uͤberdeckt von einem Dom aus leichten zierlich gefugten Staͤben, das Ganze iſt mit Filz uͤberzogen und mit langen Halftern umwickelt. Wenn man in ein ſolches Zelt ein Kohlenbecken ſetzt, ſo iſt es bald wie eine Badſtube.
Das fuͤrſtliche Diner beſtand aus Milch, Reis, Kaͤſe und Brot; um einen ſchwierigen Etikette-Punkt zu umge- hen, wurde die Tafel vor mir gedeckt, d. h. ein Leder an die Erde ausgebreitet und hoͤlzerne Loͤffel darauf gelegt; die ganze Geſellſchaft kam dann dort hin. Der Bey aber blieb ſitzen und aß erſt, nachdem wir fertig waren.
Nach der Mahlzeit fing das Ballet an; es ſchien mir wirklich viel unterhaltender als die im Opernhauſe zu Ber- lin, und war jedenfalls wohlfeiler in Scene zu ſetzen. Jch will Dir eine Beſchreibung davon geben:
Der Schauplatz ſtellt einen ſchoͤnen Wieſenplan dar, im Hintergrunde begrenzt durch hohe ſchneebedeckte Berge, uͤber welche ſich eben die fein geſchweifte Sichel des Neu- mondes erhebt; ſtatt der Lampen-Beleuchtung lodert in der Mitte ein Feuer aus maͤchtigen Fichtenſtaͤmmen; das Or- cheſter beſteht aus einer großen Trommel und zwei Dudel- ſaͤcken, die ihre Symphonie mit beſonderm Nachdruck vor- tragen. Das Publikum iſt allerdings ſehr gemiſcht, außer uns meiſt Buͤffel und Kameele, die ihre langen wunderlichen
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0338"n="328"/>
abſchnitten? — Nein, bloß die Schwaͤnze. — Ob Quellen<lb/>
bei uns floͤſſen? — Ja, wenn ſie nicht zugefroren ſind. —<lb/>
Ob es Kameele bei uns gaͤbe? — Ja, aber bloß zum An-<lb/>ſehen fuͤr Geld. — Ob Citronen wuͤchſen? — Nein. —<lb/>
Ob wir viele Buͤffel haͤtten? — Nein. — Beinahe haͤtte<lb/>
er gefragt, ob die Sonne bei uns ſchiene, oder ob wir bloß<lb/>
eine Gasbeleuchtung haͤtten; er unterdruͤckte indeß mit einem<lb/>
erſtickten Allah! Allah! die Bemerkung, daß mein Land<lb/>
wohl urſpruͤnglich nur fuͤr Eisbaͤren beſtimmt ſei.</p><lb/><p>Das große Zelt, in welchem wir uns befanden, war<lb/>
eigentlich das <hirendition="#aq">drawing room</hi> des Bey, die Winterzelte der<lb/>
Turkmanen ſind ſonſt klein und backofenfoͤrmig; ſie beſtehen<lb/>
aus einem kreisfoͤrmigen Gitter, uͤberdeckt von einem Dom<lb/>
aus leichten zierlich gefugten Staͤben, das Ganze iſt mit<lb/>
Filz uͤberzogen und mit langen Halftern umwickelt. Wenn<lb/>
man in ein ſolches Zelt ein Kohlenbecken ſetzt, ſo iſt es<lb/>
bald wie eine Badſtube.</p><lb/><p>Das fuͤrſtliche Diner beſtand aus Milch, Reis, Kaͤſe<lb/>
und Brot; um einen ſchwierigen Etikette-Punkt zu umge-<lb/>
hen, wurde die Tafel vor mir gedeckt, d. h. ein Leder an<lb/>
die Erde ausgebreitet und hoͤlzerne Loͤffel darauf gelegt; die<lb/>
ganze Geſellſchaft kam dann dort hin. Der Bey aber blieb<lb/>ſitzen und aß erſt, nachdem wir fertig waren.</p><lb/><p>Nach der Mahlzeit fing das Ballet an; es ſchien mir<lb/>
wirklich viel unterhaltender als die im Opernhauſe zu Ber-<lb/>
lin, und war jedenfalls wohlfeiler in Scene zu ſetzen. Jch<lb/>
will Dir eine Beſchreibung davon geben:</p><lb/><p>Der Schauplatz ſtellt einen ſchoͤnen Wieſenplan dar,<lb/>
im Hintergrunde begrenzt durch hohe ſchneebedeckte Berge,<lb/>
uͤber welche ſich eben die fein geſchweifte Sichel des Neu-<lb/>
mondes erhebt; ſtatt der Lampen-Beleuchtung lodert in der<lb/>
Mitte ein Feuer aus maͤchtigen Fichtenſtaͤmmen; das Or-<lb/>
cheſter beſteht aus einer großen Trommel und zwei Dudel-<lb/>ſaͤcken, die ihre Symphonie mit beſonderm Nachdruck vor-<lb/>
tragen. Das Publikum iſt allerdings ſehr gemiſcht, außer<lb/>
uns meiſt Buͤffel und Kameele, die ihre langen wunderlichen<lb/></p></div></body></text></TEI>
[328/0338]
abſchnitten? — Nein, bloß die Schwaͤnze. — Ob Quellen
bei uns floͤſſen? — Ja, wenn ſie nicht zugefroren ſind. —
Ob es Kameele bei uns gaͤbe? — Ja, aber bloß zum An-
ſehen fuͤr Geld. — Ob Citronen wuͤchſen? — Nein. —
Ob wir viele Buͤffel haͤtten? — Nein. — Beinahe haͤtte
er gefragt, ob die Sonne bei uns ſchiene, oder ob wir bloß
eine Gasbeleuchtung haͤtten; er unterdruͤckte indeß mit einem
erſtickten Allah! Allah! die Bemerkung, daß mein Land
wohl urſpruͤnglich nur fuͤr Eisbaͤren beſtimmt ſei.
Das große Zelt, in welchem wir uns befanden, war
eigentlich das drawing room des Bey, die Winterzelte der
Turkmanen ſind ſonſt klein und backofenfoͤrmig; ſie beſtehen
aus einem kreisfoͤrmigen Gitter, uͤberdeckt von einem Dom
aus leichten zierlich gefugten Staͤben, das Ganze iſt mit
Filz uͤberzogen und mit langen Halftern umwickelt. Wenn
man in ein ſolches Zelt ein Kohlenbecken ſetzt, ſo iſt es
bald wie eine Badſtube.
Das fuͤrſtliche Diner beſtand aus Milch, Reis, Kaͤſe
und Brot; um einen ſchwierigen Etikette-Punkt zu umge-
hen, wurde die Tafel vor mir gedeckt, d. h. ein Leder an
die Erde ausgebreitet und hoͤlzerne Loͤffel darauf gelegt; die
ganze Geſellſchaft kam dann dort hin. Der Bey aber blieb
ſitzen und aß erſt, nachdem wir fertig waren.
Nach der Mahlzeit fing das Ballet an; es ſchien mir
wirklich viel unterhaltender als die im Opernhauſe zu Ber-
lin, und war jedenfalls wohlfeiler in Scene zu ſetzen. Jch
will Dir eine Beſchreibung davon geben:
Der Schauplatz ſtellt einen ſchoͤnen Wieſenplan dar,
im Hintergrunde begrenzt durch hohe ſchneebedeckte Berge,
uͤber welche ſich eben die fein geſchweifte Sichel des Neu-
mondes erhebt; ſtatt der Lampen-Beleuchtung lodert in der
Mitte ein Feuer aus maͤchtigen Fichtenſtaͤmmen; das Or-
cheſter beſteht aus einer großen Trommel und zwei Dudel-
ſaͤcken, die ihre Symphonie mit beſonderm Nachdruck vor-
tragen. Das Publikum iſt allerdings ſehr gemiſcht, außer
uns meiſt Buͤffel und Kameele, die ihre langen wunderlichen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841, S. 328. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moltke_zustaende_1841/338>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.