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Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841.

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Nach alt-morgenländischer Sitte wurden alle öffent-
lichen Geschäfte unter dem Thor der Wohnung abgemacht,
welches auf arabisch Bab, auf türkisch Kapu heißt, auch
haben diese Portale ihre frühere, diesem Zweck entsprechende
Bauart beibehalten. Gewöhnlich sind sie mit einer Kuppel
gedeckt, auf welcher der goldene Halbmond blitzt, und von
einem weit vorgreifenden Dache umgeben, welches den Har-
renden Schatten und Schutz gewährt. Solcher Thore sind
zu Konstantinopel, namentlich das Pascha-Kapussi oder die
eigentliche "Hohe Pforte" vor dem Eingang zum Pallast der
Großveziere; das Baba-Humajun oder Kaiserthor im Seraj;
Aga-Kapussi, das Thor der Janitscharen-Aga's, wo jetzt der
Scheich ül Jslam wohnt, das Seraskier-Kapu u. a. m.

Die Wohnung dieses Würdenträgers ist ein ausge-
dehntes hölzernes Gebäude, welches einen schönen Blick
auf das Marmor-Meer gewährt. Ein geräumiger Exer-
zierplatz befindet sich vor, eine Kaserne für zwei Jnfanterie-
Regimenter hinter demselben. Der Seraskier empfing den
Gesandten stehend in einem sehr großen Saal mit vielen
Fenstern. Außer dem breiten Divan befinden sich Sopha's,
Stühle, Tafeluhren und Tische im Zimmer, eben so viel
Dokumente von der Europäisirung des türkischen Generals.
Ein schöner Teppich bedeckte den Fußboden, und ein gro-
ßes bronzenes Mangall oder Kohlenbecken glühte in der
Mitte des Saals. Nachdem man sich gesetzt, waren wohl
zwanzig bis dreißig Aga's beschäftigt, die Pfeifen und den
Kaffee zu reichen, denn je mehr man seinen Gast ehren
will, je mehr Diener müssen erscheinen. Diese Schaar zog
sich dann in tiefer Stille, die Hände als Zeichen der Ehr-
furcht vor den Leib gekreuzt, rückwärts nach der Thür und
verschwand auf einen Wink des Gebieters.

Der Seraskier führte die Unterhaltung durch das Me-
dium eines Dragomans mit vieler Jovialität und Unge-
bundenheit. Er richtete auch einige Fragen an mich über
das Preußische Landwehrsystem, welche zeigten, daß er sich
wohl mit diesem Gegenstand beschäftigt hatte, und rühmte

Nach alt-morgenlaͤndiſcher Sitte wurden alle oͤffent-
lichen Geſchaͤfte unter dem Thor der Wohnung abgemacht,
welches auf arabiſch Bab, auf tuͤrkiſch Kapu heißt, auch
haben dieſe Portale ihre fruͤhere, dieſem Zweck entſprechende
Bauart beibehalten. Gewoͤhnlich ſind ſie mit einer Kuppel
gedeckt, auf welcher der goldene Halbmond blitzt, und von
einem weit vorgreifenden Dache umgeben, welches den Har-
renden Schatten und Schutz gewaͤhrt. Solcher Thore ſind
zu Konſtantinopel, namentlich das Paſcha-Kapuſſi oder die
eigentliche „Hohe Pforte“ vor dem Eingang zum Pallaſt der
Großveziere; das Baba-Humajun oder Kaiſerthor im Seraj;
Aga-Kapuſſi, das Thor der Janitſcharen-Aga's, wo jetzt der
Scheich uͤl Jslam wohnt, das Seraskier-Kapu u. a. m.

Die Wohnung dieſes Wuͤrdentraͤgers iſt ein ausge-
dehntes hoͤlzernes Gebaͤude, welches einen ſchoͤnen Blick
auf das Marmor-Meer gewaͤhrt. Ein geraͤumiger Exer-
zierplatz befindet ſich vor, eine Kaſerne fuͤr zwei Jnfanterie-
Regimenter hinter demſelben. Der Seraskier empfing den
Geſandten ſtehend in einem ſehr großen Saal mit vielen
Fenſtern. Außer dem breiten Divan befinden ſich Sopha's,
Stuͤhle, Tafeluhren und Tiſche im Zimmer, eben ſo viel
Dokumente von der Europaͤiſirung des tuͤrkiſchen Generals.
Ein ſchoͤner Teppich bedeckte den Fußboden, und ein gro-
ßes bronzenes Mangall oder Kohlenbecken gluͤhte in der
Mitte des Saals. Nachdem man ſich geſetzt, waren wohl
zwanzig bis dreißig Aga's beſchaͤftigt, die Pfeifen und den
Kaffee zu reichen, denn je mehr man ſeinen Gaſt ehren
will, je mehr Diener muͤſſen erſcheinen. Dieſe Schaar zog
ſich dann in tiefer Stille, die Haͤnde als Zeichen der Ehr-
furcht vor den Leib gekreuzt, ruͤckwaͤrts nach der Thuͤr und
verſchwand auf einen Wink des Gebieters.

Der Seraskier fuͤhrte die Unterhaltung durch das Me-
dium eines Dragomans mit vieler Jovialitaͤt und Unge-
bundenheit. Er richtete auch einige Fragen an mich uͤber
das Preußiſche Landwehrſyſtem, welche zeigten, daß er ſich
wohl mit dieſem Gegenſtand beſchaͤftigt hatte, und ruͤhmte

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[23/0033] Nach alt-morgenlaͤndiſcher Sitte wurden alle oͤffent- lichen Geſchaͤfte unter dem Thor der Wohnung abgemacht, welches auf arabiſch Bab, auf tuͤrkiſch Kapu heißt, auch haben dieſe Portale ihre fruͤhere, dieſem Zweck entſprechende Bauart beibehalten. Gewoͤhnlich ſind ſie mit einer Kuppel gedeckt, auf welcher der goldene Halbmond blitzt, und von einem weit vorgreifenden Dache umgeben, welches den Har- renden Schatten und Schutz gewaͤhrt. Solcher Thore ſind zu Konſtantinopel, namentlich das Paſcha-Kapuſſi oder die eigentliche „Hohe Pforte“ vor dem Eingang zum Pallaſt der Großveziere; das Baba-Humajun oder Kaiſerthor im Seraj; Aga-Kapuſſi, das Thor der Janitſcharen-Aga's, wo jetzt der Scheich uͤl Jslam wohnt, das Seraskier-Kapu u. a. m. Die Wohnung dieſes Wuͤrdentraͤgers iſt ein ausge- dehntes hoͤlzernes Gebaͤude, welches einen ſchoͤnen Blick auf das Marmor-Meer gewaͤhrt. Ein geraͤumiger Exer- zierplatz befindet ſich vor, eine Kaſerne fuͤr zwei Jnfanterie- Regimenter hinter demſelben. Der Seraskier empfing den Geſandten ſtehend in einem ſehr großen Saal mit vielen Fenſtern. Außer dem breiten Divan befinden ſich Sopha's, Stuͤhle, Tafeluhren und Tiſche im Zimmer, eben ſo viel Dokumente von der Europaͤiſirung des tuͤrkiſchen Generals. Ein ſchoͤner Teppich bedeckte den Fußboden, und ein gro- ßes bronzenes Mangall oder Kohlenbecken gluͤhte in der Mitte des Saals. Nachdem man ſich geſetzt, waren wohl zwanzig bis dreißig Aga's beſchaͤftigt, die Pfeifen und den Kaffee zu reichen, denn je mehr man ſeinen Gaſt ehren will, je mehr Diener muͤſſen erſcheinen. Dieſe Schaar zog ſich dann in tiefer Stille, die Haͤnde als Zeichen der Ehr- furcht vor den Leib gekreuzt, ruͤckwaͤrts nach der Thuͤr und verſchwand auf einen Wink des Gebieters. Der Seraskier fuͤhrte die Unterhaltung durch das Me- dium eines Dragomans mit vieler Jovialitaͤt und Unge- bundenheit. Er richtete auch einige Fragen an mich uͤber das Preußiſche Landwehrſyſtem, welche zeigten, daß er ſich wohl mit dieſem Gegenſtand beſchaͤftigt hatte, und ruͤhmte

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Zitationshilfe: Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moltke_zustaende_1841/33>, abgerufen am 25.04.2024.