Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841.

Bild:
<< vorherige Seite

sagte er: "Da! nimm dein Memoire, mache, daß du fort-
kommst, ich will es weder sehen noch hören, denn wenn
ich damit anfange, so mache ich mir alle meine Offiziere
zu Feinden." Jch sagte, die Bestimmungen müßten dar-
über als Kanun oder Gesetz aus Konstantinopel kommen;
er meinte, aber selbst dann würde man ihn als die Ursache
ansehen, und der Zeitpunkt zu dieser Reform sei jetzt nicht
günstig.

52.
Schnelle Temperatur-Wechsel.

Da hab' ich nun so lange verschoben, Dir zu schrei-
ben, daß mir jetzt dazu kaum ein Augenblick bleibt. Es
steht wieder ein Ritt von über 100 Meilen bevor, den ich
morgen früh antrete; ich reise über Kaisarieh nach Konieh,
wo ich meinen Cameraden, den Hauptmann F., treffe; die
ganze Reise darf nicht über drei Wochen dauern.

Nachdem ich vor vier Tagen noch gebadet, ist es seit
gestern auf einmal Winter geworden; wir haben Morgens
nur 3 Gr. Reaumur Wärme (das Wasser 9 Gr.) und die
Höhen der armenischen Berge sind schon mit Schnee über-
lagert, selbst die niedrigen Berge, durch welche ich meinen
Weg zu nehmen habe, sind weiß. Jch hoffe aber, daß
dies nur ein frostiger Aequinoctialscherz vom Wetter ist,
denn es kann hier unterm 38sten Breitengrade doch un-
möglich schon Winter werden.

ſagte er: „Da! nimm dein Memoire, mache, daß du fort-
kommſt, ich will es weder ſehen noch hoͤren, denn wenn
ich damit anfange, ſo mache ich mir alle meine Offiziere
zu Feinden.“ Jch ſagte, die Beſtimmungen muͤßten dar-
uͤber als Kanun oder Geſetz aus Konſtantinopel kommen;
er meinte, aber ſelbſt dann wuͤrde man ihn als die Urſache
anſehen, und der Zeitpunkt zu dieſer Reform ſei jetzt nicht
guͤnſtig.

52.
Schnelle Temperatur-Wechſel.

Da hab' ich nun ſo lange verſchoben, Dir zu ſchrei-
ben, daß mir jetzt dazu kaum ein Augenblick bleibt. Es
ſteht wieder ein Ritt von uͤber 100 Meilen bevor, den ich
morgen fruͤh antrete; ich reiſe uͤber Kaiſarieh nach Konieh,
wo ich meinen Cameraden, den Hauptmann F., treffe; die
ganze Reiſe darf nicht uͤber drei Wochen dauern.

Nachdem ich vor vier Tagen noch gebadet, iſt es ſeit
geſtern auf einmal Winter geworden; wir haben Morgens
nur 3 Gr. Reaumur Waͤrme (das Waſſer 9 Gr.) und die
Hoͤhen der armeniſchen Berge ſind ſchon mit Schnee uͤber-
lagert, ſelbſt die niedrigen Berge, durch welche ich meinen
Weg zu nehmen habe, ſind weiß. Jch hoffe aber, daß
dies nur ein froſtiger Aequinoctialſcherz vom Wetter iſt,
denn es kann hier unterm 38ſten Breitengrade doch un-
moͤglich ſchon Winter werden.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0321" n="311"/>
&#x017F;agte er: &#x201E;Da! nimm dein Memoire, mache, daß du fort-<lb/>
komm&#x017F;t, ich will es weder &#x017F;ehen noch ho&#x0364;ren, denn wenn<lb/>
ich damit anfange, &#x017F;o mache ich mir alle meine Offiziere<lb/>
zu Feinden.&#x201C; Jch &#x017F;agte, die Be&#x017F;timmungen mu&#x0364;ßten dar-<lb/>
u&#x0364;ber als Kanun oder Ge&#x017F;etz aus Kon&#x017F;tantinopel kommen;<lb/>
er meinte, aber &#x017F;elb&#x017F;t dann wu&#x0364;rde man ihn als die Ur&#x017F;ache<lb/>
an&#x017F;ehen, und der Zeitpunkt zu die&#x017F;er Reform &#x017F;ei jetzt nicht<lb/>
gu&#x0364;n&#x017F;tig.</p>
      </div><lb/>
      <div n="1">
        <head>52.<lb/><hi rendition="#b">Schnelle Temperatur-Wech&#x017F;el.</hi></head><lb/>
        <dateline> <hi rendition="#et">Malatia, den 3. Oktober 1838.</hi> </dateline><lb/>
        <p>Da hab' ich nun &#x017F;o lange ver&#x017F;choben, Dir zu &#x017F;chrei-<lb/>
ben, daß mir jetzt dazu kaum ein Augenblick bleibt. Es<lb/>
&#x017F;teht wieder ein Ritt von u&#x0364;ber 100 Meilen bevor, den ich<lb/>
morgen fru&#x0364;h antrete; ich rei&#x017F;e u&#x0364;ber Kai&#x017F;arieh nach Konieh,<lb/>
wo ich meinen Cameraden, den Hauptmann F., treffe; die<lb/>
ganze Rei&#x017F;e darf nicht u&#x0364;ber drei Wochen dauern.</p><lb/>
        <p>Nachdem ich vor vier Tagen noch gebadet, i&#x017F;t es &#x017F;eit<lb/>
ge&#x017F;tern auf einmal Winter geworden; wir haben Morgens<lb/>
nur 3 Gr. Reaumur Wa&#x0364;rme (das Wa&#x017F;&#x017F;er 9 Gr.) und die<lb/>
Ho&#x0364;hen der armeni&#x017F;chen Berge &#x017F;ind &#x017F;chon mit Schnee u&#x0364;ber-<lb/>
lagert, &#x017F;elb&#x017F;t die niedrigen Berge, durch welche ich meinen<lb/>
Weg zu nehmen habe, &#x017F;ind weiß. Jch hoffe aber, daß<lb/>
dies nur ein fro&#x017F;tiger Aequinoctial&#x017F;cherz vom Wetter i&#x017F;t,<lb/>
denn es kann hier unterm 38&#x017F;ten Breitengrade doch un-<lb/>
mo&#x0364;glich &#x017F;chon Winter werden.</p>
      </div><lb/>
    </body>
  </text>
</TEI>
[311/0321] ſagte er: „Da! nimm dein Memoire, mache, daß du fort- kommſt, ich will es weder ſehen noch hoͤren, denn wenn ich damit anfange, ſo mache ich mir alle meine Offiziere zu Feinden.“ Jch ſagte, die Beſtimmungen muͤßten dar- uͤber als Kanun oder Geſetz aus Konſtantinopel kommen; er meinte, aber ſelbſt dann wuͤrde man ihn als die Urſache anſehen, und der Zeitpunkt zu dieſer Reform ſei jetzt nicht guͤnſtig. 52. Schnelle Temperatur-Wechſel. Malatia, den 3. Oktober 1838. Da hab' ich nun ſo lange verſchoben, Dir zu ſchrei- ben, daß mir jetzt dazu kaum ein Augenblick bleibt. Es ſteht wieder ein Ritt von uͤber 100 Meilen bevor, den ich morgen fruͤh antrete; ich reiſe uͤber Kaiſarieh nach Konieh, wo ich meinen Cameraden, den Hauptmann F., treffe; die ganze Reiſe darf nicht uͤber drei Wochen dauern. Nachdem ich vor vier Tagen noch gebadet, iſt es ſeit geſtern auf einmal Winter geworden; wir haben Morgens nur 3 Gr. Reaumur Waͤrme (das Waſſer 9 Gr.) und die Hoͤhen der armeniſchen Berge ſind ſchon mit Schnee uͤber- lagert, ſelbſt die niedrigen Berge, durch welche ich meinen Weg zu nehmen habe, ſind weiß. Jch hoffe aber, daß dies nur ein froſtiger Aequinoctialſcherz vom Wetter iſt, denn es kann hier unterm 38ſten Breitengrade doch un- moͤglich ſchon Winter werden.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moltke_zustaende_1841
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moltke_zustaende_1841/321
Zitationshilfe: Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841, S. 311. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moltke_zustaende_1841/321>, abgerufen am 22.11.2024.