glück unvermeidlich. Wir werden jetzt in wenigen Tagen hier aufbrechen, so viel ich weiß, nach Malatia.
48. Ritt durch das Gebirg vom Tigris an den Euphrat. Reise auf dem Euphrat durch die Stromschnellen. -- Asbusu.
Charput, den 20. Juli 1838.
Am 30. Juli saßen wir in dem großen Zelte des Pa- scha's auf rothen Sammetkissen beim Abendessen, als er plötzlich den Befehl gab, aufzubrechen. Herzlich froh war ich, denn unser Lager außerhalb und am Fuße des Kar- sann-Dagh war höchst unangenehm; dir Hitze ist dort furchtbar, wir hatten bis zu 32 Gr. Reaumur im Schat- ten. Unsere armen Pferde standen vom Morgen bis zum Abend in der Glühhitze der Sonne gefesselt, nur durch ihre dicken Filzdecken geschützt; das Ungeziefer quälte sie schreck- lich, und ihre ganze Nahrung war das frisch geschnittene Heu, das Wasser wurde in Schläuchen herbeigeholt. Aber uns in den Zelten ging's nicht viel besser; eine Menge Taranteln krochen an der Leinwand herum, die Schlan- gen suchten Schutz unter ihrem Schatten, und zahlreiche Scorpione hauseten zwischen den Steinen. Jch ließ mein großes, geräumiges Zelt des Tages fünfmal mit Wasser besprengen, und der außerordentlichen Reinlichkeit und Sorg- falt eines Dieners gelang es, mein Lager frei von allem Ungeziefer zu halten; aber die Luft war so drückend, daß man eigentlich nur nach Sonnenuntergang sich erhob und umherging.
Nach einer Stunde war Alles marschfertig und mit einem Gefolg von etwa sechzig Pferden zogen wir während einer mondhellen Nacht westlich längs des Fußes des ho- hen Karsann hin; zur Rechten hatten wir das Gebirg, zur Linken die schöne weite Ebene, welche von Diarbekir sich
gluͤck unvermeidlich. Wir werden jetzt in wenigen Tagen hier aufbrechen, ſo viel ich weiß, nach Malatia.
48. Ritt durch das Gebirg vom Tigris an den Euphrat. Reiſe auf dem Euphrat durch die Stromſchnellen. — Asbuſu.
Charput, den 20. Juli 1838.
Am 30. Juli ſaßen wir in dem großen Zelte des Pa- ſcha's auf rothen Sammetkiſſen beim Abendeſſen, als er ploͤtzlich den Befehl gab, aufzubrechen. Herzlich froh war ich, denn unſer Lager außerhalb und am Fuße des Kar- ſann-Dagh war hoͤchſt unangenehm; dir Hitze iſt dort furchtbar, wir hatten bis zu 32 Gr. Reaumur im Schat- ten. Unſere armen Pferde ſtanden vom Morgen bis zum Abend in der Gluͤhhitze der Sonne gefeſſelt, nur durch ihre dicken Filzdecken geſchuͤtzt; das Ungeziefer quaͤlte ſie ſchreck- lich, und ihre ganze Nahrung war das friſch geſchnittene Heu, das Waſſer wurde in Schlaͤuchen herbeigeholt. Aber uns in den Zelten ging's nicht viel beſſer; eine Menge Taranteln krochen an der Leinwand herum, die Schlan- gen ſuchten Schutz unter ihrem Schatten, und zahlreiche Scorpione hauſeten zwiſchen den Steinen. Jch ließ mein großes, geraͤumiges Zelt des Tages fuͤnfmal mit Waſſer beſprengen, und der außerordentlichen Reinlichkeit und Sorg- falt eines Dieners gelang es, mein Lager frei von allem Ungeziefer zu halten; aber die Luft war ſo druͤckend, daß man eigentlich nur nach Sonnenuntergang ſich erhob und umherging.
Nach einer Stunde war Alles marſchfertig und mit einem Gefolg von etwa ſechzig Pferden zogen wir waͤhrend einer mondhellen Nacht weſtlich laͤngs des Fußes des ho- hen Karſann hin; zur Rechten hatten wir das Gebirg, zur Linken die ſchoͤne weite Ebene, welche von Diarbekir ſich
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gluͤck unvermeidlich. Wir werden jetzt in wenigen Tagen
hier aufbrechen, ſo viel ich weiß, nach Malatia.
48.
Ritt durch das Gebirg vom Tigris an den Euphrat.
Reiſe auf dem Euphrat durch die Stromſchnellen. —
Asbuſu.
Charput, den 20. Juli 1838.
Am 30. Juli ſaßen wir in dem großen Zelte des Pa-
ſcha's auf rothen Sammetkiſſen beim Abendeſſen, als er
ploͤtzlich den Befehl gab, aufzubrechen. Herzlich froh war
ich, denn unſer Lager außerhalb und am Fuße des Kar-
ſann-Dagh war hoͤchſt unangenehm; dir Hitze iſt dort
furchtbar, wir hatten bis zu 32 Gr. Reaumur im Schat-
ten. Unſere armen Pferde ſtanden vom Morgen bis zum
Abend in der Gluͤhhitze der Sonne gefeſſelt, nur durch ihre
dicken Filzdecken geſchuͤtzt; das Ungeziefer quaͤlte ſie ſchreck-
lich, und ihre ganze Nahrung war das friſch geſchnittene
Heu, das Waſſer wurde in Schlaͤuchen herbeigeholt. Aber
uns in den Zelten ging's nicht viel beſſer; eine Menge
Taranteln krochen an der Leinwand herum, die Schlan-
gen ſuchten Schutz unter ihrem Schatten, und zahlreiche
Scorpione hauſeten zwiſchen den Steinen. Jch ließ mein
großes, geraͤumiges Zelt des Tages fuͤnfmal mit Waſſer
beſprengen, und der außerordentlichen Reinlichkeit und Sorg-
falt eines Dieners gelang es, mein Lager frei von allem
Ungeziefer zu halten; aber die Luft war ſo druͤckend, daß
man eigentlich nur nach Sonnenuntergang ſich erhob und
umherging.
Nach einer Stunde war Alles marſchfertig und mit
einem Gefolg von etwa ſechzig Pferden zogen wir waͤhrend
einer mondhellen Nacht weſtlich laͤngs des Fußes des ho-
hen Karſann hin; zur Rechten hatten wir das Gebirg, zur
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Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841, S. 286. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moltke_zustaende_1841/296>, abgerufen am 23.11.2024.
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