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Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841.

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mit dessen Genealogie er bekannt zu sein behauptete; er
sagte mir, daß er vom Stamme des Kohilan, aber von
der Zucht der Terafi sei, und daß ich nur Donnerstag
Abends Acht geben möge, dann werde ich sehen, daß das
Thier mit dem Kopf schüttle, wie die Derwische; er ver-
sicherte mir, daß das Pferd selbst bei der glühendsten Hitze
nie an einem Bache anhalte, um zu trinken, und daß, wenn
ich hinunter fiele, es stehen bleiben werde, bis der Reiter
wieder oben sein würde. Ferner machte er mich aufmerk-
sam auf einen Glück wahrsagenden Haarwirbel am Halse in
Form einer Cypresse, und darauf, daß das Pferd drei weiße
Füße habe; ein und zwei weiße hat man gern, drei sind
die vollendetste Schönheit, vier aber gilt für so häßlich, daß
Niemand ein solches Pferd kaufen mag. Zum Schluß wollte
mein Araber mir einen Rath geben, und ich war begierig,
ihn zu erfahren: er bestand darin, daß ich das Pferd nie
verkaufen möge. Die Pfeife und der Kaffee machten mei-
nen Gast ganz zutraulich, ich erfuhr, daß er selbst ein Scheikh
oder Aeltester eines Stammes sei, und er versprach mir,
wenn ich ihn in seinem Aschiret besuche, so gehöre Alles,
was er besitze, mir. Dessenungeachtet möchte ich meinem
kaffeebraunen Freund mit seinen Gefährten nicht in einem
einsamen Hohlweg begegnen, ohne daß ich deshalb schlech-
ter von ihm denke, als von den Raubrittern unserer glor-
reichen Vorväter. Jn seinem Zelte ist dieser Mann ein
Fürst, bei uns würde er als Vagabonde nach Strausberg
transportirt oder als unsicherer Cantonnist zur Linie einge-
zogen werden.

Die Jagd ist belohnend in der Tschöll; zahllose Ga-
zellen durchstreifen sie, und Fasanen und Rebhühner ver-
bergen sich in dem hohen Grase. Wir waren am dritten
Marschtag eben beschäftigt, einigen Trappen nachzusetzen,
die sich schwerfällig emporschwingen und auf kurze Entfer-
nung wieder einfallen, als bei der Caravane allgemeiner
Lärm entstand. Die Araber kommen! hieß es. Man hatte
in großer Ferne einen Schwarm gesehen, welcher sich äu-

mit deſſen Genealogie er bekannt zu ſein behauptete; er
ſagte mir, daß er vom Stamme des Kohilan, aber von
der Zucht der Terafi ſei, und daß ich nur Donnerstag
Abends Acht geben moͤge, dann werde ich ſehen, daß das
Thier mit dem Kopf ſchuͤttle, wie die Derwiſche; er ver-
ſicherte mir, daß das Pferd ſelbſt bei der gluͤhendſten Hitze
nie an einem Bache anhalte, um zu trinken, und daß, wenn
ich hinunter fiele, es ſtehen bleiben werde, bis der Reiter
wieder oben ſein wuͤrde. Ferner machte er mich aufmerk-
ſam auf einen Gluͤck wahrſagenden Haarwirbel am Halſe in
Form einer Cypreſſe, und darauf, daß das Pferd drei weiße
Fuͤße habe; ein und zwei weiße hat man gern, drei ſind
die vollendetſte Schoͤnheit, vier aber gilt fuͤr ſo haͤßlich, daß
Niemand ein ſolches Pferd kaufen mag. Zum Schluß wollte
mein Araber mir einen Rath geben, und ich war begierig,
ihn zu erfahren: er beſtand darin, daß ich das Pferd nie
verkaufen moͤge. Die Pfeife und der Kaffee machten mei-
nen Gaſt ganz zutraulich, ich erfuhr, daß er ſelbſt ein Scheikh
oder Aelteſter eines Stammes ſei, und er verſprach mir,
wenn ich ihn in ſeinem Aſchiret beſuche, ſo gehoͤre Alles,
was er beſitze, mir. Deſſenungeachtet moͤchte ich meinem
kaffeebraunen Freund mit ſeinen Gefaͤhrten nicht in einem
einſamen Hohlweg begegnen, ohne daß ich deshalb ſchlech-
ter von ihm denke, als von den Raubrittern unſerer glor-
reichen Vorvaͤter. Jn ſeinem Zelte iſt dieſer Mann ein
Fuͤrſt, bei uns wuͤrde er als Vagabonde nach Strausberg
transportirt oder als unſicherer Cantonniſt zur Linie einge-
zogen werden.

Die Jagd iſt belohnend in der Tſchoͤll; zahlloſe Ga-
zellen durchſtreifen ſie, und Faſanen und Rebhuͤhner ver-
bergen ſich in dem hohen Graſe. Wir waren am dritten
Marſchtag eben beſchaͤftigt, einigen Trappen nachzuſetzen,
die ſich ſchwerfaͤllig emporſchwingen und auf kurze Entfer-
nung wieder einfallen, als bei der Caravane allgemeiner
Laͤrm entſtand. Die Araber kommen! hieß es. Man hatte
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[252/0262] mit deſſen Genealogie er bekannt zu ſein behauptete; er ſagte mir, daß er vom Stamme des Kohilan, aber von der Zucht der Terafi ſei, und daß ich nur Donnerstag Abends Acht geben moͤge, dann werde ich ſehen, daß das Thier mit dem Kopf ſchuͤttle, wie die Derwiſche; er ver- ſicherte mir, daß das Pferd ſelbſt bei der gluͤhendſten Hitze nie an einem Bache anhalte, um zu trinken, und daß, wenn ich hinunter fiele, es ſtehen bleiben werde, bis der Reiter wieder oben ſein wuͤrde. Ferner machte er mich aufmerk- ſam auf einen Gluͤck wahrſagenden Haarwirbel am Halſe in Form einer Cypreſſe, und darauf, daß das Pferd drei weiße Fuͤße habe; ein und zwei weiße hat man gern, drei ſind die vollendetſte Schoͤnheit, vier aber gilt fuͤr ſo haͤßlich, daß Niemand ein ſolches Pferd kaufen mag. Zum Schluß wollte mein Araber mir einen Rath geben, und ich war begierig, ihn zu erfahren: er beſtand darin, daß ich das Pferd nie verkaufen moͤge. Die Pfeife und der Kaffee machten mei- nen Gaſt ganz zutraulich, ich erfuhr, daß er ſelbſt ein Scheikh oder Aelteſter eines Stammes ſei, und er verſprach mir, wenn ich ihn in ſeinem Aſchiret beſuche, ſo gehoͤre Alles, was er beſitze, mir. Deſſenungeachtet moͤchte ich meinem kaffeebraunen Freund mit ſeinen Gefaͤhrten nicht in einem einſamen Hohlweg begegnen, ohne daß ich deshalb ſchlech- ter von ihm denke, als von den Raubrittern unſerer glor- reichen Vorvaͤter. Jn ſeinem Zelte iſt dieſer Mann ein Fuͤrſt, bei uns wuͤrde er als Vagabonde nach Strausberg transportirt oder als unſicherer Cantonniſt zur Linie einge- zogen werden. Die Jagd iſt belohnend in der Tſchoͤll; zahlloſe Ga- zellen durchſtreifen ſie, und Faſanen und Rebhuͤhner ver- bergen ſich in dem hohen Graſe. Wir waren am dritten Marſchtag eben beſchaͤftigt, einigen Trappen nachzuſetzen, die ſich ſchwerfaͤllig emporſchwingen und auf kurze Entfer- nung wieder einfallen, als bei der Caravane allgemeiner Laͤrm entſtand. Die Araber kommen! hieß es. Man hatte in großer Ferne einen Schwarm geſehen, welcher ſich aͤu-

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Zitationshilfe: Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841, S. 252. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moltke_zustaende_1841/262>, abgerufen am 18.05.2024.