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Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841.

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Pferd zu sein braucht, und daß ein Kohilan eben so gut
ein Aennesi, oder Schamarly, als ein Nedschdi sein kann.

Die Araber vom Stamme Schamarr, welche in dem
Lande zwischen den beiden Flüssen lagern, und 10,000 Rei-
ter ins Feld stellen, hatten sich neuerdings viele Räube-
reien zu Schulden kommen lassen, und den von der Pforte
eingesetzten Scheikh nicht anerkennen wollen. Hafiß-Pa-
scha
beschloß, ihnen eine gründliche Züchtigung angedeihen
zu lassen. Die Pascha's von Orfa und Mardin sollten ge-
gen sie aufbrechen, und er wünschte, daß der von Mossul,
welcher jedoch nicht unter seinem Befehl steht, gleichzeitig
ausrücken möge, dann wären die Araber gegen den Eu-
phrat gedrängt worden, jenseits welchem der ihnen feind-
selige Stamm Aennesi wohnt. Jndsche-Bairaktar hatte
aber wenig Lust zu einer Expedition, die ihm große Kosten
machte und wenig Beute versprach. Als endlich der be-
stimmte Befehl vom Bagdad-Valessi eintraf, hatten die
andern Pascha's den Feind schon aufgeschreckt, und dieser
war in unabsehbarer Entfernung zurückgewichen.

Nach einem kurzen interessanten Aufenthalt beschlossen
wir nun, mit der eben abgehenden Caravane durch die
Wüste zurückzugehen. Da die Araber durch die letzten An-
griffe sehr erbittert waren, so wurde der Zug mit vierzig
unregelmäßigen Reitern verstärkt, und wir trafen am Abend
bei der Caravane ein, welche zwei Stunden vor Mossul am
Tigris lagerte, als wollte sie sich zu guterletzt noch einmal
recht mit Wasser gütlich thun. Der Kjerwan-Baschi oder
Anführer der Caravane, welcher durch den Pascha von un-
serer Ankunft benachrichtigt war, erschien sogleich selbst,
ließ sein eigenes Zelt für uns aufschlagen und schenkte uns
eine Ziege zur Abendmahlzeit.

Während fünf Tagen durchzogen wir die Tschöll oder
Wüste des nördlichen Mesopotamien ohne irgend eine mensch-
liche Wohnung zu erblicken. Du mußt Dir diese Wüste
nicht als eine Sandscholle, sondern wie eine unabsehbare
grüne Fläche denken, welche nur hin und wieder sanfte

Pferd zu ſein braucht, und daß ein Kohilan eben ſo gut
ein Aenneſi, oder Schamarly, als ein Nedſchdi ſein kann.

Die Araber vom Stamme Schamarr, welche in dem
Lande zwiſchen den beiden Fluͤſſen lagern, und 10,000 Rei-
ter ins Feld ſtellen, hatten ſich neuerdings viele Raͤube-
reien zu Schulden kommen laſſen, und den von der Pforte
eingeſetzten Scheikh nicht anerkennen wollen. Hafiß-Pa-
ſcha
beſchloß, ihnen eine gruͤndliche Zuͤchtigung angedeihen
zu laſſen. Die Paſcha's von Orfa und Mardin ſollten ge-
gen ſie aufbrechen, und er wuͤnſchte, daß der von Moſſul,
welcher jedoch nicht unter ſeinem Befehl ſteht, gleichzeitig
ausruͤcken moͤge, dann waͤren die Araber gegen den Eu-
phrat gedraͤngt worden, jenſeits welchem der ihnen feind-
ſelige Stamm Aenneſi wohnt. Jndſche-Bairaktar hatte
aber wenig Luſt zu einer Expedition, die ihm große Koſten
machte und wenig Beute verſprach. Als endlich der be-
ſtimmte Befehl vom Bagdad-Valeſſi eintraf, hatten die
andern Paſcha's den Feind ſchon aufgeſchreckt, und dieſer
war in unabſehbarer Entfernung zuruͤckgewichen.

Nach einem kurzen intereſſanten Aufenthalt beſchloſſen
wir nun, mit der eben abgehenden Caravane durch die
Wuͤſte zuruͤckzugehen. Da die Araber durch die letzten An-
griffe ſehr erbittert waren, ſo wurde der Zug mit vierzig
unregelmaͤßigen Reitern verſtaͤrkt, und wir trafen am Abend
bei der Caravane ein, welche zwei Stunden vor Moſſul am
Tigris lagerte, als wollte ſie ſich zu guterletzt noch einmal
recht mit Waſſer guͤtlich thun. Der Kjerwan-Baſchi oder
Anfuͤhrer der Caravane, welcher durch den Paſcha von un-
ſerer Ankunft benachrichtigt war, erſchien ſogleich ſelbſt,
ließ ſein eigenes Zelt fuͤr uns aufſchlagen und ſchenkte uns
eine Ziege zur Abendmahlzeit.

Waͤhrend fuͤnf Tagen durchzogen wir die Tſchoͤll oder
Wuͤſte des noͤrdlichen Meſopotamien ohne irgend eine menſch-
liche Wohnung zu erblicken. Du mußt Dir dieſe Wuͤſte
nicht als eine Sandſcholle, ſondern wie eine unabſehbare
gruͤne Flaͤche denken, welche nur hin und wieder ſanfte

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[248/0258] Pferd zu ſein braucht, und daß ein Kohilan eben ſo gut ein Aenneſi, oder Schamarly, als ein Nedſchdi ſein kann. Die Araber vom Stamme Schamarr, welche in dem Lande zwiſchen den beiden Fluͤſſen lagern, und 10,000 Rei- ter ins Feld ſtellen, hatten ſich neuerdings viele Raͤube- reien zu Schulden kommen laſſen, und den von der Pforte eingeſetzten Scheikh nicht anerkennen wollen. Hafiß-Pa- ſcha beſchloß, ihnen eine gruͤndliche Zuͤchtigung angedeihen zu laſſen. Die Paſcha's von Orfa und Mardin ſollten ge- gen ſie aufbrechen, und er wuͤnſchte, daß der von Moſſul, welcher jedoch nicht unter ſeinem Befehl ſteht, gleichzeitig ausruͤcken moͤge, dann waͤren die Araber gegen den Eu- phrat gedraͤngt worden, jenſeits welchem der ihnen feind- ſelige Stamm Aenneſi wohnt. Jndſche-Bairaktar hatte aber wenig Luſt zu einer Expedition, die ihm große Koſten machte und wenig Beute verſprach. Als endlich der be- ſtimmte Befehl vom Bagdad-Valeſſi eintraf, hatten die andern Paſcha's den Feind ſchon aufgeſchreckt, und dieſer war in unabſehbarer Entfernung zuruͤckgewichen. Nach einem kurzen intereſſanten Aufenthalt beſchloſſen wir nun, mit der eben abgehenden Caravane durch die Wuͤſte zuruͤckzugehen. Da die Araber durch die letzten An- griffe ſehr erbittert waren, ſo wurde der Zug mit vierzig unregelmaͤßigen Reitern verſtaͤrkt, und wir trafen am Abend bei der Caravane ein, welche zwei Stunden vor Moſſul am Tigris lagerte, als wollte ſie ſich zu guterletzt noch einmal recht mit Waſſer guͤtlich thun. Der Kjerwan-Baſchi oder Anfuͤhrer der Caravane, welcher durch den Paſcha von un- ſerer Ankunft benachrichtigt war, erſchien ſogleich ſelbſt, ließ ſein eigenes Zelt fuͤr uns aufſchlagen und ſchenkte uns eine Ziege zur Abendmahlzeit. Waͤhrend fuͤnf Tagen durchzogen wir die Tſchoͤll oder Wuͤſte des noͤrdlichen Meſopotamien ohne irgend eine menſch- liche Wohnung zu erblicken. Du mußt Dir dieſe Wuͤſte nicht als eine Sandſcholle, ſondern wie eine unabſehbare gruͤne Flaͤche denken, welche nur hin und wieder ſanfte

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Zitationshilfe: Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841, S. 248. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moltke_zustaende_1841/258>, abgerufen am 24.11.2024.