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Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841.

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er fleißig geritten und wir das Nachtquartier erreicht ha-
ben würden.

Jn einer sternhellen Nacht stand ich unlängst auf den
Trümmern des alten Römerschlosses Zeugma. Der Eu-
phrat glitterte tief unten in einer felsigen Schlucht, und
sein Rauschen erfüllte die Stille des Abends. Da schritten
Cyrus und Alexander, Xenophon, Cäsar und Julian im
Mondenschein vorüber; von diesem selben Punkte hatten sie
das Reich der Chosroes jenseit des Stromes gesehen, und
gerade so gesehen, denn die Natur ist hier von Stein und
ändert sich nicht. Da beschloß ich dem Andenken des gro-
ßen Römervolkes die goldenen Trauben zu opfern, die sie
zuerst nach Gallien gebracht, und die ich von ihres weiten
Reiches westlicher Grenze bis zur östlichen getragen. Jch
schleuderte die Flasche von der Höhe hinab, sie tauchte,
tanzte und glitt den Strom entlang, dem indischen Welt-
meere zu. Sie vermuthen aber sehr richtig, daß ich sie
vorher geleert hatte; ich stand da wie der alte Zecher:

trank letzte Lebensglut
und warf den heiligen Becher
hinunter in die Flut.
Jch sah ihn stürzen, trinken
des Euphrat gelbe Flut,
die Augen thäten mir sinken --

Jch trank nie einen Tropfen mehr.

Die Flasche hatte einen Fehler gehabt: sie war die
letzte gewesen.

43.
Reise auf dem Tigris bis Mossul. -- Die Araber. --
Zug mit der Caravane durch die Wüste von
Mesopotamien.

Jn meinem letzten Briefe schrieb ich Dir, daß wir ge-
gen die Araber auszögen. Daraus ist nun wohl nicht viel

er fleißig geritten und wir das Nachtquartier erreicht ha-
ben wuͤrden.

Jn einer ſternhellen Nacht ſtand ich unlaͤngſt auf den
Truͤmmern des alten Roͤmerſchloſſes Zeugma. Der Eu-
phrat glitterte tief unten in einer felſigen Schlucht, und
ſein Rauſchen erfuͤllte die Stille des Abends. Da ſchritten
Cyrus und Alexander, Xenophon, Caͤſar und Julian im
Mondenſchein voruͤber; von dieſem ſelben Punkte hatten ſie
das Reich der Chosroes jenſeit des Stromes geſehen, und
gerade ſo geſehen, denn die Natur iſt hier von Stein und
aͤndert ſich nicht. Da beſchloß ich dem Andenken des gro-
ßen Roͤmervolkes die goldenen Trauben zu opfern, die ſie
zuerſt nach Gallien gebracht, und die ich von ihres weiten
Reiches weſtlicher Grenze bis zur oͤſtlichen getragen. Jch
ſchleuderte die Flaſche von der Hoͤhe hinab, ſie tauchte,
tanzte und glitt den Strom entlang, dem indiſchen Welt-
meere zu. Sie vermuthen aber ſehr richtig, daß ich ſie
vorher geleert hatte; ich ſtand da wie der alte Zecher:

trank letzte Lebensglut
und warf den heiligen Becher
hinunter in die Flut.
Jch ſah ihn ſtuͤrzen, trinken
des Euphrat gelbe Flut,
die Augen thaͤten mir ſinken —

Jch trank nie einen Tropfen mehr.

Die Flaſche hatte einen Fehler gehabt: ſie war die
letzte geweſen.

43.
Reiſe auf dem Tigris bis Moſſul. — Die Araber. —
Zug mit der Caravane durch die Wuͤſte von
Meſopotamien.

Jn meinem letzten Briefe ſchrieb ich Dir, daß wir ge-
gen die Araber auszoͤgen. Daraus iſt nun wohl nicht viel

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[233/0243] er fleißig geritten und wir das Nachtquartier erreicht ha- ben wuͤrden. Jn einer ſternhellen Nacht ſtand ich unlaͤngſt auf den Truͤmmern des alten Roͤmerſchloſſes Zeugma. Der Eu- phrat glitterte tief unten in einer felſigen Schlucht, und ſein Rauſchen erfuͤllte die Stille des Abends. Da ſchritten Cyrus und Alexander, Xenophon, Caͤſar und Julian im Mondenſchein voruͤber; von dieſem ſelben Punkte hatten ſie das Reich der Chosroes jenſeit des Stromes geſehen, und gerade ſo geſehen, denn die Natur iſt hier von Stein und aͤndert ſich nicht. Da beſchloß ich dem Andenken des gro- ßen Roͤmervolkes die goldenen Trauben zu opfern, die ſie zuerſt nach Gallien gebracht, und die ich von ihres weiten Reiches weſtlicher Grenze bis zur oͤſtlichen getragen. Jch ſchleuderte die Flaſche von der Hoͤhe hinab, ſie tauchte, tanzte und glitt den Strom entlang, dem indiſchen Welt- meere zu. Sie vermuthen aber ſehr richtig, daß ich ſie vorher geleert hatte; ich ſtand da wie der alte Zecher: trank letzte Lebensglut und warf den heiligen Becher hinunter in die Flut. Jch ſah ihn ſtuͤrzen, trinken des Euphrat gelbe Flut, die Augen thaͤten mir ſinken — Jch trank nie einen Tropfen mehr. Die Flaſche hatte einen Fehler gehabt: ſie war die letzte geweſen. 43. Reiſe auf dem Tigris bis Moſſul. — Die Araber. — Zug mit der Caravane durch die Wuͤſte von Meſopotamien. Dſcheſireh am Tigris, den 1. Mai 1838. Jn meinem letzten Briefe ſchrieb ich Dir, daß wir ge- gen die Araber auszoͤgen. Daraus iſt nun wohl nicht viel

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Zitationshilfe: Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841, S. 233. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moltke_zustaende_1841/243>, abgerufen am 25.11.2024.