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Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841.

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Es wäre interessant, die Geschichte von Rumkaleh zu
kennen. Jn späterer Zeit ist es der Sitz armenischer Prie-
ster gewesen, die ein prächtiges Kloster hier gründeten. Es
ist der Zerstörungswuth nicht gelungen, diese mächtigen
Quadern ganz umzuwerfen, nur die schön geschnitzten rö-
mischen Adler sind zum Theil abgekratzt und die großen
Säulen mit reichen Capitälern liegen am Boden. Später
bemächtigte sich ein Dere-Bey des Schlosses, ein Kurden-
fürst verdrängte ihn; Baba-Pascha vertreibt diesen aufs
Neue, dann beschießt Jbrahim-Pascha, der Syrier, die Fe-
stung; so geht Alles in Trümmern unter. Nur die statt-
lichen Mauern und der stattliche Fels stehen noch heute,
wie ihn die Römer sahen. Eine Arbeit der armenischen
Mönche ist ihrer Vorgänger würdig, es ist ein an 200 Fuß
tiefer weiter Brunnen, in dem sich eine in den Fels ge-
hauene Wendelstiege bis auf das Niveau des Euphrat
herabwindet; Maulthiere tragen das Wasser herauf.

Die vierte Seite des Schlosses ist die gefährliche; hier
hängt der Fels mit einem ihn nahe überhöhenden Plateau
zusammen, von welchem man ihn durch einen 80 Fuß tie-
fen in den Fels gehauenen Graben getrennt hat. Wollte
man Rumkaleh zu einer wirklichen Festung erheben, so müßte
man nothwendig auf dies Plateau hinauf, welches übri-
gens nur an wenigen Punkten ersteiglich ist. Rumkaleh
hat aber in der unwegsamen Wüste nicht die strategische
Bedeutung einer Festung, und gegen einen gewaltsamen An-
griff ist es, selbst in seinem verfallenen Zustande, vollkom-
men gesichert. Die Beschießung kann ihm wenig schaden,
da alle Häuser zum Theil oder ganz in den Fels ge-
höhlt sind.

Sehr viel wichtiger ist die Lage von Beledschik oder
Bir-adschik ("eine Oeffnung"), welches die Karten Birth
oder Bir nennen. Der Strom tritt hier aus steilen Berg-
wänden hervor, bleibt dann bis zu seiner Mündung in der
Ebene und wird jetzt schiffbar. Von hier sollte die Dampf-
schifffahrt ihren Anfang nehmen, die Ostindien durch den

Es waͤre intereſſant, die Geſchichte von Rumkaleh zu
kennen. Jn ſpaͤterer Zeit iſt es der Sitz armeniſcher Prie-
ſter geweſen, die ein praͤchtiges Kloſter hier gruͤndeten. Es
iſt der Zerſtoͤrungswuth nicht gelungen, dieſe maͤchtigen
Quadern ganz umzuwerfen, nur die ſchoͤn geſchnitzten roͤ-
miſchen Adler ſind zum Theil abgekratzt und die großen
Saͤulen mit reichen Capitaͤlern liegen am Boden. Spaͤter
bemaͤchtigte ſich ein Dere-Bey des Schloſſes, ein Kurden-
fuͤrſt verdraͤngte ihn; Baba-Paſcha vertreibt dieſen aufs
Neue, dann beſchießt Jbrahim-Paſcha, der Syrier, die Fe-
ſtung; ſo geht Alles in Truͤmmern unter. Nur die ſtatt-
lichen Mauern und der ſtattliche Fels ſtehen noch heute,
wie ihn die Roͤmer ſahen. Eine Arbeit der armeniſchen
Moͤnche iſt ihrer Vorgaͤnger wuͤrdig, es iſt ein an 200 Fuß
tiefer weiter Brunnen, in dem ſich eine in den Fels ge-
hauene Wendelſtiege bis auf das Niveau des Euphrat
herabwindet; Maulthiere tragen das Waſſer herauf.

Die vierte Seite des Schloſſes iſt die gefaͤhrliche; hier
haͤngt der Fels mit einem ihn nahe uͤberhoͤhenden Plateau
zuſammen, von welchem man ihn durch einen 80 Fuß tie-
fen in den Fels gehauenen Graben getrennt hat. Wollte
man Rumkaleh zu einer wirklichen Feſtung erheben, ſo muͤßte
man nothwendig auf dies Plateau hinauf, welches uͤbri-
gens nur an wenigen Punkten erſteiglich iſt. Rumkaleh
hat aber in der unwegſamen Wuͤſte nicht die ſtrategiſche
Bedeutung einer Feſtung, und gegen einen gewaltſamen An-
griff iſt es, ſelbſt in ſeinem verfallenen Zuſtande, vollkom-
men geſichert. Die Beſchießung kann ihm wenig ſchaden,
da alle Haͤuſer zum Theil oder ganz in den Fels ge-
hoͤhlt ſind.

Sehr viel wichtiger iſt die Lage von Beledſchik oder
Bir-adſchik („eine Oeffnung“), welches die Karten Birth
oder Bir nennen. Der Strom tritt hier aus ſteilen Berg-
waͤnden hervor, bleibt dann bis zu ſeiner Muͤndung in der
Ebene und wird jetzt ſchiffbar. Von hier ſollte die Dampf-
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[226/0236] Es waͤre intereſſant, die Geſchichte von Rumkaleh zu kennen. Jn ſpaͤterer Zeit iſt es der Sitz armeniſcher Prie- ſter geweſen, die ein praͤchtiges Kloſter hier gruͤndeten. Es iſt der Zerſtoͤrungswuth nicht gelungen, dieſe maͤchtigen Quadern ganz umzuwerfen, nur die ſchoͤn geſchnitzten roͤ- miſchen Adler ſind zum Theil abgekratzt und die großen Saͤulen mit reichen Capitaͤlern liegen am Boden. Spaͤter bemaͤchtigte ſich ein Dere-Bey des Schloſſes, ein Kurden- fuͤrſt verdraͤngte ihn; Baba-Paſcha vertreibt dieſen aufs Neue, dann beſchießt Jbrahim-Paſcha, der Syrier, die Fe- ſtung; ſo geht Alles in Truͤmmern unter. Nur die ſtatt- lichen Mauern und der ſtattliche Fels ſtehen noch heute, wie ihn die Roͤmer ſahen. Eine Arbeit der armeniſchen Moͤnche iſt ihrer Vorgaͤnger wuͤrdig, es iſt ein an 200 Fuß tiefer weiter Brunnen, in dem ſich eine in den Fels ge- hauene Wendelſtiege bis auf das Niveau des Euphrat herabwindet; Maulthiere tragen das Waſſer herauf. Die vierte Seite des Schloſſes iſt die gefaͤhrliche; hier haͤngt der Fels mit einem ihn nahe uͤberhoͤhenden Plateau zuſammen, von welchem man ihn durch einen 80 Fuß tie- fen in den Fels gehauenen Graben getrennt hat. Wollte man Rumkaleh zu einer wirklichen Feſtung erheben, ſo muͤßte man nothwendig auf dies Plateau hinauf, welches uͤbri- gens nur an wenigen Punkten erſteiglich iſt. Rumkaleh hat aber in der unwegſamen Wuͤſte nicht die ſtrategiſche Bedeutung einer Feſtung, und gegen einen gewaltſamen An- griff iſt es, ſelbſt in ſeinem verfallenen Zuſtande, vollkom- men geſichert. Die Beſchießung kann ihm wenig ſchaden, da alle Haͤuſer zum Theil oder ganz in den Fels ge- hoͤhlt ſind. Sehr viel wichtiger iſt die Lage von Beledſchik oder Bir-adſchik („eine Oeffnung“), welches die Karten Birth oder Bir nennen. Der Strom tritt hier aus ſteilen Berg- waͤnden hervor, bleibt dann bis zu ſeiner Muͤndung in der Ebene und wird jetzt ſchiffbar. Von hier ſollte die Dampf- ſchifffahrt ihren Anfang nehmen, die Oſtindien durch den

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Zitationshilfe: Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841, S. 226. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moltke_zustaende_1841/236>, abgerufen am 25.11.2024.