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Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841.

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Fensterscheiben ist für diesen Theil des Erdballs noch nicht
gemacht, und ich bedauerte, daß nicht Jemand mit einem
Vorrath von Papier hierher gereiset sei, um als philan-
thropischer Glaser diesem Mangel abzuhelfen.

Jn Malatia besuchte ich einen meiner Stuben-Kama-
raden aus Karput, den Obersten der Artillerie, welcher zwei
Tage vor mir abgegangen war, und dem ich die gute Nach-
richt brachte, daß er Pascha geworden. Aus Freude ver-
sprach er, mir ein Paar Stiefel zu machen, indem er frü-
her Paputschi oder Pantoffelmacher gewesen war, und seine
Kunst als Dilettant noch zuweilen fortsetzte.

Malatia steht im Sommer unbewohnt; Alles zieht
nach Asbusu, einem Dorfe von 5000 Häuserchen, die in
einem zwei Stunden langen Walde von Kirsch-, Aepfel-,
Aprikosen-, Nuß- und Feigen-Bäumen begraben liegen.
Ueberaus schlanke Pappeln mit weißen schnurgeraden Stäm-
men heben sich über diesen Wald wie die Minarehs einer
Stadt empor, und eine prächtiger Gebirgsbach mit dem
Krystall-hellsten Wasser rauscht durch alle Straßen. Man
hat den Gießbach schon nahe an seinem Ursprung im Gebirg
gefaßt und so hoch wie möglich an der Berglehne entlang ge-
führt. Alles, was oberhalb liegt, ist öde Steinwüste, un-
terhalb die üppigste Gartenlandschaft, von zahllosen silbernen
Wasserfäden durchzogen und befruchtet. Jn der Blüthenzeit
muß Asbusu einen prachtvollen Anblick gewähren, aber die
Vegetation fängt hier (Ende März) kaum erst an, sich zu
regen; wenn wir bei uns vier Wochen solches Wetter hät-
ten, so wäre Alles längst grün; aber freilich, so heiß die
Sonne auch brennt, so friert es doch des Nachts.

Nach achtzehnstündigem Ritt erreichten wir am Ende
eines breiten Thals, welches sich aber immer mehr schloß,
das zwischen hohen Schnee-bedeckten Gebirgen liegende Dorf
Sürghü; ich war sehr erstaunt, auf einer steinernen Brücke
über einen rauschenden Bach zu reiten, der unmittelbar aus
der Felswand zu kommen schien. Und wirklich war dem
so; ein und zwanzig 6 bis 15 Zoll starke Quellen sprudeln

Fenſterſcheiben iſt fuͤr dieſen Theil des Erdballs noch nicht
gemacht, und ich bedauerte, daß nicht Jemand mit einem
Vorrath von Papier hierher gereiſet ſei, um als philan-
thropiſcher Glaſer dieſem Mangel abzuhelfen.

Jn Malatia beſuchte ich einen meiner Stuben-Kama-
raden aus Karput, den Oberſten der Artillerie, welcher zwei
Tage vor mir abgegangen war, und dem ich die gute Nach-
richt brachte, daß er Paſcha geworden. Aus Freude ver-
ſprach er, mir ein Paar Stiefel zu machen, indem er fruͤ-
her Paputſchi oder Pantoffelmacher geweſen war, und ſeine
Kunſt als Dilettant noch zuweilen fortſetzte.

Malatia ſteht im Sommer unbewohnt; Alles zieht
nach Asbuſu, einem Dorfe von 5000 Haͤuſerchen, die in
einem zwei Stunden langen Walde von Kirſch-, Aepfel-,
Aprikoſen-, Nuß- und Feigen-Baͤumen begraben liegen.
Ueberaus ſchlanke Pappeln mit weißen ſchnurgeraden Staͤm-
men heben ſich uͤber dieſen Wald wie die Minarehs einer
Stadt empor, und eine praͤchtiger Gebirgsbach mit dem
Kryſtall-hellſten Waſſer rauſcht durch alle Straßen. Man
hat den Gießbach ſchon nahe an ſeinem Urſprung im Gebirg
gefaßt und ſo hoch wie moͤglich an der Berglehne entlang ge-
fuͤhrt. Alles, was oberhalb liegt, iſt oͤde Steinwuͤſte, un-
terhalb die uͤppigſte Gartenlandſchaft, von zahlloſen ſilbernen
Waſſerfaͤden durchzogen und befruchtet. Jn der Bluͤthenzeit
muß Asbuſu einen prachtvollen Anblick gewaͤhren, aber die
Vegetation faͤngt hier (Ende Maͤrz) kaum erſt an, ſich zu
regen; wenn wir bei uns vier Wochen ſolches Wetter haͤt-
ten, ſo waͤre Alles laͤngſt gruͤn; aber freilich, ſo heiß die
Sonne auch brennt, ſo friert es doch des Nachts.

Nach achtzehnſtuͤndigem Ritt erreichten wir am Ende
eines breiten Thals, welches ſich aber immer mehr ſchloß,
das zwiſchen hohen Schnee-bedeckten Gebirgen liegende Dorf
Suͤrghuͤ; ich war ſehr erſtaunt, auf einer ſteinernen Bruͤcke
uͤber einen rauſchenden Bach zu reiten, der unmittelbar aus
der Felswand zu kommen ſchien. Und wirklich war dem
ſo; ein und zwanzig 6 bis 15 Zoll ſtarke Quellen ſprudeln

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[219/0229] Fenſterſcheiben iſt fuͤr dieſen Theil des Erdballs noch nicht gemacht, und ich bedauerte, daß nicht Jemand mit einem Vorrath von Papier hierher gereiſet ſei, um als philan- thropiſcher Glaſer dieſem Mangel abzuhelfen. Jn Malatia beſuchte ich einen meiner Stuben-Kama- raden aus Karput, den Oberſten der Artillerie, welcher zwei Tage vor mir abgegangen war, und dem ich die gute Nach- richt brachte, daß er Paſcha geworden. Aus Freude ver- ſprach er, mir ein Paar Stiefel zu machen, indem er fruͤ- her Paputſchi oder Pantoffelmacher geweſen war, und ſeine Kunſt als Dilettant noch zuweilen fortſetzte. Malatia ſteht im Sommer unbewohnt; Alles zieht nach Asbuſu, einem Dorfe von 5000 Haͤuſerchen, die in einem zwei Stunden langen Walde von Kirſch-, Aepfel-, Aprikoſen-, Nuß- und Feigen-Baͤumen begraben liegen. Ueberaus ſchlanke Pappeln mit weißen ſchnurgeraden Staͤm- men heben ſich uͤber dieſen Wald wie die Minarehs einer Stadt empor, und eine praͤchtiger Gebirgsbach mit dem Kryſtall-hellſten Waſſer rauſcht durch alle Straßen. Man hat den Gießbach ſchon nahe an ſeinem Urſprung im Gebirg gefaßt und ſo hoch wie moͤglich an der Berglehne entlang ge- fuͤhrt. Alles, was oberhalb liegt, iſt oͤde Steinwuͤſte, un- terhalb die uͤppigſte Gartenlandſchaft, von zahlloſen ſilbernen Waſſerfaͤden durchzogen und befruchtet. Jn der Bluͤthenzeit muß Asbuſu einen prachtvollen Anblick gewaͤhren, aber die Vegetation faͤngt hier (Ende Maͤrz) kaum erſt an, ſich zu regen; wenn wir bei uns vier Wochen ſolches Wetter haͤt- ten, ſo waͤre Alles laͤngſt gruͤn; aber freilich, ſo heiß die Sonne auch brennt, ſo friert es doch des Nachts. Nach achtzehnſtuͤndigem Ritt erreichten wir am Ende eines breiten Thals, welches ſich aber immer mehr ſchloß, das zwiſchen hohen Schnee-bedeckten Gebirgen liegende Dorf Suͤrghuͤ; ich war ſehr erſtaunt, auf einer ſteinernen Bruͤcke uͤber einen rauſchenden Bach zu reiten, der unmittelbar aus der Felswand zu kommen ſchien. Und wirklich war dem ſo; ein und zwanzig 6 bis 15 Zoll ſtarke Quellen ſprudeln

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Zitationshilfe: Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841, S. 219. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moltke_zustaende_1841/229>, abgerufen am 26.11.2024.