ßelt sind; lange betrachtete ich diese colossalen Nischen, Gänge und Treppen, ohne mir eine Vorstellung davon ma- chen zu können, was der Zweck einer so mühevollen, viel- jährigen Arbeit sein könne. Stelle Dir an einer hohen, fast senkrechten Wand, wohl 200 Fuß über dem Wasser- spiegel des Flusses, eine Vertiefung vor, die 40 Fuß breit, reichlich so hoch und etwa 30 Fuß tief ist; in dieser Ni- sche hat man einen Steinblock ausgespart, 25 Fuß hoch, breit und tief, der ein Haus in der Nische bildet und in seinem Jnnern wieder ausgehöhlt eine Kammer enthält, die 15 Fuß im Geviert hält und nach Außen zu ein Fen- ster oder, wenn man will, eine Thüre zum Eingange hat. Dieses Haus aus dem härtesten Granit kann kaum eine andere Bestimmung gehabt haben, als einen Sarkophag aufzunehmen, und wirklich zeigt der Boden einen leichten Einschnitt, in welchem derselbe gestanden haben kann. -- Fünf solche große Felsenkammern befinden sich nahe an einander und sind durch Gallerien und Treppen verbunden, die mit ihren Balustraden in die Felswand eingehauen sind. Wahrscheinlich waren es Gräber der Könige von Pontus. Obwohl über 2000 Jahre alt, sind die Linien meist so scharf erhalten, als wenn sie eben fertig geworden. Die Jdee ist ganz ägyptisch und die Ausführung ist es auch, z. B. das Fenster einer der Kammern, welches diese Form hat:
[Abbildung]
ßelt ſind; lange betrachtete ich dieſe coloſſalen Niſchen, Gaͤnge und Treppen, ohne mir eine Vorſtellung davon ma- chen zu koͤnnen, was der Zweck einer ſo muͤhevollen, viel- jaͤhrigen Arbeit ſein koͤnne. Stelle Dir an einer hohen, faſt ſenkrechten Wand, wohl 200 Fuß uͤber dem Waſſer- ſpiegel des Fluſſes, eine Vertiefung vor, die 40 Fuß breit, reichlich ſo hoch und etwa 30 Fuß tief iſt; in dieſer Ni- ſche hat man einen Steinblock ausgeſpart, 25 Fuß hoch, breit und tief, der ein Haus in der Niſche bildet und in ſeinem Jnnern wieder ausgehoͤhlt eine Kammer enthaͤlt, die 15 Fuß im Geviert haͤlt und nach Außen zu ein Fen- ſter oder, wenn man will, eine Thuͤre zum Eingange hat. Dieſes Haus aus dem haͤrteſten Granit kann kaum eine andere Beſtimmung gehabt haben, als einen Sarkophag aufzunehmen, und wirklich zeigt der Boden einen leichten Einſchnitt, in welchem derſelbe geſtanden haben kann. — Fuͤnf ſolche große Felſenkammern befinden ſich nahe an einander und ſind durch Gallerien und Treppen verbunden, die mit ihren Baluſtraden in die Felswand eingehauen ſind. Wahrſcheinlich waren es Graͤber der Koͤnige von Pontus. Obwohl uͤber 2000 Jahre alt, ſind die Linien meiſt ſo ſcharf erhalten, als wenn ſie eben fertig geworden. Die Jdee iſt ganz aͤgyptiſch und die Ausfuͤhrung iſt es auch, z. B. das Fenſter einer der Kammern, welches dieſe Form hat:
[Abbildung]
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ßelt ſind; lange betrachtete ich dieſe coloſſalen Niſchen,
Gaͤnge und Treppen, ohne mir eine Vorſtellung davon ma-
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jaͤhrigen Arbeit ſein koͤnne. Stelle Dir an einer hohen,
faſt ſenkrechten Wand, wohl 200 Fuß uͤber dem Waſſer-
ſpiegel des Fluſſes, eine Vertiefung vor, die 40 Fuß breit,
reichlich ſo hoch und etwa 30 Fuß tief iſt; in dieſer Ni-
ſche hat man einen Steinblock ausgeſpart, 25 Fuß hoch,
breit und tief, der ein Haus in der Niſche bildet und in
ſeinem Jnnern wieder ausgehoͤhlt eine Kammer enthaͤlt,
die 15 Fuß im Geviert haͤlt und nach Außen zu ein Fen-
ſter oder, wenn man will, eine Thuͤre zum Eingange hat.
Dieſes Haus aus dem haͤrteſten Granit kann kaum eine
andere Beſtimmung gehabt haben, als einen Sarkophag
aufzunehmen, und wirklich zeigt der Boden einen leichten
Einſchnitt, in welchem derſelbe geſtanden haben kann. —
Fuͤnf ſolche große Felſenkammern befinden ſich nahe an
einander und ſind durch Gallerien und Treppen verbunden,
die mit ihren Baluſtraden in die Felswand eingehauen ſind.
Wahrſcheinlich waren es Graͤber der Koͤnige von Pontus.
Obwohl uͤber 2000 Jahre alt, ſind die Linien meiſt ſo ſcharf
erhalten, als wenn ſie eben fertig geworden. Die Jdee iſt
ganz aͤgyptiſch und die Ausfuͤhrung iſt es auch, z. B. das
Fenſter einer der Kammern, welches dieſe Form hat:
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Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841, S. 204. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moltke_zustaende_1841/214>, abgerufen am 27.11.2024.
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