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Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841.

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derselben befindet sich unter der Wölbung ein Umgang, von
dem aus man einen schauerlich schönen Blick 150 Fuß tief
hinab in das Jnnere des Doms hat, auf die Gruppen von
Betenden, die den weiten Fußboden bedecken. Jch habe
oben erwähnt, daß die Sophia nicht nach der Kybla oder
dem Grabe des Propheten orientirt sei; sie wendet nicht
ihre Seiten, sondern ihre Ecken den vier Weltgegenden
zu, und steht daher beinahe, aber doch nicht genau so orien-
tirt wie die später erbauten Moscheen. Damit nun das
Gebet der Gläubigen die rechte Richtung nicht verfehle, so
hat man die Rohrmatten und Teppiche des Fußbodens der
heiligen Stadt Mekka zugekehrt, eine Verschiebung, welche
zu dem ganzen Bau nicht paßt und einen unangenehmen
Eindruck macht.

Aber nicht ohne eine Anwandlung von Schrecken ent-
deckt man hier, wie die Wölbung der Kuppel an Stellen
durch fußtiefe Einsenkungen, oder wenn ich so sagen darf,
durch große Beulen, von der sphärischen Form abweicht.
Die Wölbung war mit Mosaik von Steinen oder vielmehr
von einem künstlichen Glasfluß ausgelegt, welcher abge-
schliffen, vergoldet oder gemalt ist. Die Türken haben aber
diese Bilder, so wie die vier Cherubime über den Haupt-
pfeilern, entweder übertüncht oder unkenntlich gemacht und
das Jnnere ist ganz frei von Bildwerken, Gemälden, Stand-
bildern oder Denkmälern. Der einzige Schmuck der Wände
sind die prachtvollen Jnschriften aus dem Koran, welche
äußerst geschmackvolle Arabesken bilden; die Buchstaben
sind vergoldet, 6 bis 8 Fuß hoch, ziehen sich in langen
Streifen auf dunkelblauem Grunde um die Kuppeln, oder
sind in Tafeln zusammengestellt.

Auf allerlei Stiegen und über bleierne Dächer gelangt
man von Außen bis an den Rand des großen Hauptge-
wölbes; von dort steigt man auf die Decke der Fenster,
findet eine Kette, die von dem goldenen Halbmond auf der
Spitze der Kuppel herabhängt und mittelst welcher, wer
nicht am Schwindel leidet, leicht auf die obere Fläche der-

derſelben befindet ſich unter der Woͤlbung ein Umgang, von
dem aus man einen ſchauerlich ſchoͤnen Blick 150 Fuß tief
hinab in das Jnnere des Doms hat, auf die Gruppen von
Betenden, die den weiten Fußboden bedecken. Jch habe
oben erwaͤhnt, daß die Sophia nicht nach der Kybla oder
dem Grabe des Propheten orientirt ſei; ſie wendet nicht
ihre Seiten, ſondern ihre Ecken den vier Weltgegenden
zu, und ſteht daher beinahe, aber doch nicht genau ſo orien-
tirt wie die ſpaͤter erbauten Moſcheen. Damit nun das
Gebet der Glaͤubigen die rechte Richtung nicht verfehle, ſo
hat man die Rohrmatten und Teppiche des Fußbodens der
heiligen Stadt Mekka zugekehrt, eine Verſchiebung, welche
zu dem ganzen Bau nicht paßt und einen unangenehmen
Eindruck macht.

Aber nicht ohne eine Anwandlung von Schrecken ent-
deckt man hier, wie die Woͤlbung der Kuppel an Stellen
durch fußtiefe Einſenkungen, oder wenn ich ſo ſagen darf,
durch große Beulen, von der ſphaͤriſchen Form abweicht.
Die Woͤlbung war mit Moſaik von Steinen oder vielmehr
von einem kuͤnſtlichen Glasfluß ausgelegt, welcher abge-
ſchliffen, vergoldet oder gemalt iſt. Die Tuͤrken haben aber
dieſe Bilder, ſo wie die vier Cherubime uͤber den Haupt-
pfeilern, entweder uͤbertuͤncht oder unkenntlich gemacht und
das Jnnere iſt ganz frei von Bildwerken, Gemaͤlden, Stand-
bildern oder Denkmaͤlern. Der einzige Schmuck der Waͤnde
ſind die prachtvollen Jnſchriften aus dem Koran, welche
aͤußerſt geſchmackvolle Arabesken bilden; die Buchſtaben
ſind vergoldet, 6 bis 8 Fuß hoch, ziehen ſich in langen
Streifen auf dunkelblauem Grunde um die Kuppeln, oder
ſind in Tafeln zuſammengeſtellt.

Auf allerlei Stiegen und uͤber bleierne Daͤcher gelangt
man von Außen bis an den Rand des großen Hauptge-
woͤlbes; von dort ſteigt man auf die Decke der Fenſter,
findet eine Kette, die von dem goldenen Halbmond auf der
Spitze der Kuppel herabhaͤngt und mittelſt welcher, wer
nicht am Schwindel leidet, leicht auf die obere Flaͤche der-

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[176/0186] derſelben befindet ſich unter der Woͤlbung ein Umgang, von dem aus man einen ſchauerlich ſchoͤnen Blick 150 Fuß tief hinab in das Jnnere des Doms hat, auf die Gruppen von Betenden, die den weiten Fußboden bedecken. Jch habe oben erwaͤhnt, daß die Sophia nicht nach der Kybla oder dem Grabe des Propheten orientirt ſei; ſie wendet nicht ihre Seiten, ſondern ihre Ecken den vier Weltgegenden zu, und ſteht daher beinahe, aber doch nicht genau ſo orien- tirt wie die ſpaͤter erbauten Moſcheen. Damit nun das Gebet der Glaͤubigen die rechte Richtung nicht verfehle, ſo hat man die Rohrmatten und Teppiche des Fußbodens der heiligen Stadt Mekka zugekehrt, eine Verſchiebung, welche zu dem ganzen Bau nicht paßt und einen unangenehmen Eindruck macht. Aber nicht ohne eine Anwandlung von Schrecken ent- deckt man hier, wie die Woͤlbung der Kuppel an Stellen durch fußtiefe Einſenkungen, oder wenn ich ſo ſagen darf, durch große Beulen, von der ſphaͤriſchen Form abweicht. Die Woͤlbung war mit Moſaik von Steinen oder vielmehr von einem kuͤnſtlichen Glasfluß ausgelegt, welcher abge- ſchliffen, vergoldet oder gemalt iſt. Die Tuͤrken haben aber dieſe Bilder, ſo wie die vier Cherubime uͤber den Haupt- pfeilern, entweder uͤbertuͤncht oder unkenntlich gemacht und das Jnnere iſt ganz frei von Bildwerken, Gemaͤlden, Stand- bildern oder Denkmaͤlern. Der einzige Schmuck der Waͤnde ſind die prachtvollen Jnſchriften aus dem Koran, welche aͤußerſt geſchmackvolle Arabesken bilden; die Buchſtaben ſind vergoldet, 6 bis 8 Fuß hoch, ziehen ſich in langen Streifen auf dunkelblauem Grunde um die Kuppeln, oder ſind in Tafeln zuſammengeſtellt. Auf allerlei Stiegen und uͤber bleierne Daͤcher gelangt man von Außen bis an den Rand des großen Hauptge- woͤlbes; von dort ſteigt man auf die Decke der Fenſter, findet eine Kette, die von dem goldenen Halbmond auf der Spitze der Kuppel herabhaͤngt und mittelſt welcher, wer nicht am Schwindel leidet, leicht auf die obere Flaͤche der-

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Zitationshilfe: Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841, S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moltke_zustaende_1841/186>, abgerufen am 28.11.2024.